Al-Ruwais. Kai Havertz ist einer der talentiertesten Fußballer seiner Generation. Die Nationalmannschaft profitiert von seiner Flexibilität aber noch nicht.

Es geht Schlag auf Schlag. Von links kommt der Ball geflogen, auf Höhe des Halses, unangenehm zu verarbeiten. Doch Kai Havertz beugt sich vor und titscht die Kugel mit der Stirn genau auf Christian Günters Fuß. Und sofort geht der Blick zur anderen Seite, ein weiterer Ball kommt geflogen und wird mit der Innenseite des linken Fußes präzise zu Thilo Kehrer gestreichelt.

Ein kurzer Moment nur im Training der deutschen Nationalmannschaft, zwei Tage vor dem Spiel gegen Spanien (Sonntag, 20 Uhr MEZ/ZDF). Aber einer, der zeigt: Kai Havertz kann alles, was ein Offensivspieler braucht, und noch ein bisschen mehr. Kaum ein deutscher Spieler ist mit derartigem Talent gesegnet, dazu kann er als Spielmacher agieren, außen links wie rechts und auch als Mittelstürmer – wie bei der 1:2-Niederlage gegen Japan. Und dazu kann der Profi des FC Chelsea auch auf Englisch Journalistenfragen flüssig beantworten, selbst in aktuell schwieriger Lage und in einem Vokabular, das ein Englischlehrer „elaborated“ nennen würde.

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Havertz ist eben ein gescheiter Kopf, aber selbst ihm dürfte es schwerfallen, die Extreme umfassend zu begreifen, in denen er sich aktuell bewegt: Seit Jahren gilt der 23-Jährige als einer der begabtesten Spieler des Landes, als die Zukunft des deutschen Fußballs. In der Gegenwart aber tun sich die Bundestrainer auch schon ziemlich lange schwer damit, den richtigen Platz für ihn zu finden. „Die Positionsfrage nervt mich mittlerweile echt“, sagt er dazu. „Jeder weiß, dass ich flexibel einsetzbar bin.“ Allerdings: Gegen Japan, als er im Sturmzentrum stand, lief das Spiel weitestgehend an ihm vorbei. „Natürlich ist man auf der Zehn besser ins Spiel integriert“, meint Havertz. „Aber ich spiele gerne vorne drin, das macht Spaß – ich weiß aber auch, dass man als Stürmer die Verpflichtung hat, Tore zu schießen, und das habe ich gegen Japan nicht.“

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Kai Havertz: Zu viel Negativität

Kai muss endlich aus der Kiste kommen, das ist die allgemeine Wahrnehmung, und so sind die Fragen der deutschen Journalisten am Freitag recht kritisch. „Ich kann verstehen, dass jetzt Negativität aufkommt bei Fans und Presse“, entgegnet Havertz. „Ich weiß, dass immer viel geschossen wird und nicht jeder voll hinter uns steht – aber das macht mir nullkommanull Sorge.“ Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können, demonstriert kurz darauf ein englischer Journalist, der fragt, ob Havertz bester Torschütze des Turniers werden wolle.

Das ist dann auch Havertz fast schon zu positiv: „Darüber zu sprechen, ist ein bisschen zu viel – wir haben gerade ganz andere Probleme“, sagt er. Es bleiben eben ziemliche Extreme, zwischen denen sich der 23-Jährige auch in Katar bewegt.