Berlin. Eine Gruppe von Denkern und Forschern glaubt, Unsterblichkeit sei machbar und wünschenswert. Superreiche lassen längst daran tüfteln.

Das ewige Leben – für die einen ist es ein Traum. Andere denken: Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Der erste Reflex ist wohl, es für ewige Science-Fiction zu halten. Eine Gruppe von Denkern und Forschern, die sich im Thinktank The Millennium Project zusammengeschlossen hat, vertritt dagegen die These: Unsterblichkeit ist möglich. Und sie ist wünschenswert.

„Der Tod an Altersschwäche wird irgendwann die letzte Krankheit sein, die übrig bleibt“, sagt der spanische Project-Direktor José Cordeiro. Aber auch sie sei besiegbar, schon in naher Zukunft. „Ich habe jedenfalls nicht vor zu sterben“, sagt er und hält das Unendlichkeitszeichen auf seinem iPhone-Display in die Kamera.

Alter, die Todesursache Nummer 1

Der Ingenieurwissenschaftler und Futurist, wie er sich nennt, hat ein Buch geschrieben: „Der Sieg über den Tod. Die wissenschaftliche Möglichkeit, ewig zu leben, und ihre moralische Rechtfertigung“ (Finanzbuch-Verlag).

Auch sein Co-Autor David Wood, ein Informatiker, ist überzeugt: „Wenn die Gesellschaft sich den Kampf gegen die Todesursache Nummer eins, das Altern, zur Priorität macht, besteht eine 50-prozentige Chance, dass eine entsprechende Technologie 2040 zur Verfügung steht.“ Lesen Sie auch:Wie Jeff Bezos nach der Formel für das ewige Leben sucht

Auftritte im Silicon Valley und in Dubai

Der Mensch sei nicht für die Ewigkeit gemacht, das höre er immer wieder, sagt Cordeiro. Er hält das für einen überholten Glaubenssatz. „Der Mensch ist auch nicht zum Fliegen gemacht“, sagt er. „Jetzt fliegen wir zum Mond.“ Die beiden verbreiten ihre Botschaft dort, wo sich Menschen aufhalten, die an Machbarkeit und nicht an Limits glauben. Dort, wo Geld scheinbar alles möglich macht: auf der Tech-Messe im Silicon Valley, auf dem Zukunftsforum in Dubai.

Irgendwann in seiner Kindheit begreift man, dass man sterben wird – eine schmerzhafte Erkenntnis. Und eine, die den Menschen beflügelt – zu kulturellen und wissenschaftlichen Höchstleistungen. „Carpe diem“, also „Nutze den Tag“: Horaz’ antike Weisheit gibt es heute als Kaffeetasse oder Wandtattoo. Schließlich kommt der Tod zu jedem, für ihn sind wir alle gleich.

Eine winzige Qualle birgt das Geheimnis ewigen Lebens

Was natürlich nicht stimmt. Leben und Tod sind eine Geldfrage. Wer heute in Monaco geboren wird, hat im Schnitt 89,5 Jahre vor sich, in der Zentralafrikanischen Republik sind es 53,7 Jahre. Superreiche lassen längst an einem Zaubertrank für ein sehr viel längeres, wenn nicht gar ewiges Leben tüfteln.

Amazon-Gründer Jeff Bezos, Investor Yuri Milner und weitere Milliardäre haben sich zusammengeschlossen mit dem Ziel, den Alterungsprozess zu stoppen. Gemeinsam pumpen sie Millionen in ein Biotech-Start-up namens Altos Labs. Dort arbeiten die besten Wissenschaftler der Welt an der Verjüngung menschlicher Zellen.

Nach jetzigem Stand der Wissenschaft sind 150 Jahre drin

Von gegenwärtigen Erkenntnissen lassen sie sich nicht bremsen: Laut einer internationalen Studie von 2021 liegt das potenziell höchste Lebensalter bei 150 Jahren. Allerdings waren einige der an der Studie beteiligten Forscher durchaus der Ansicht, mit entsprechenden Eingriffen sei mehr drin, wesentlich mehr.

„Der Sieg über den Tod“, José Cordeiro, David Wood.
„Der Sieg über den Tod“, José Cordeiro, David Wood. © Finanzbuch verlag | FinanzBuch Verlag

Die größte Hoffnung setzen die Autoren in ein primitives Tier namens Turritopsis dohrnii. Die nur wenige Millimeter große Qualle, die etwa vor Mallorca lebt, ist der einzige bekannte Vielzeller, der sich selbst verjüngen kann. Sie ist damit potenziell unsterblich. „Jetzt, wo wir diese Qualle studieren, werden wir bald eine Lösung finden“, ist Cordeiro überzeugt. Wenn sich das Verjüngungstalent in menschliche Zellen übertragen ließe, wäre die Ewigkeit auf Erden zum Greifen nah.

Die Forscher und Buchautoren Jose Cordeiro und David Wood (r.).
Die Forscher und Buchautoren Jose Cordeiro und David Wood (r.). © FBV Finanzbuchverlag | FBV Finanzbuchverlag

Back-up des Gehirns inklusive Bewusstsein

Es gibt weitere Ansätze: Stammzellenbehandlung, genetische Therapien, Geweberegeneration, die Kryokonservierung, mit der Zellen in flüssigem Stickstoff bereits heute nahezu unbegrenzt vital gehalten werden können.

Eine Chance könnte auch die künstliche Intelligenz (KI) bieten. Eines Tages lässt sich womöglich ein digitales Back-up unseres Gehirns erstellen, das so präzise ist, dass es auch ein Bewusstsein enthält.

Ansätze für die alterslose virtuelle Existenz finden sich bereits überall: Madonna, die ein ewig junges Instagram-Ich kreiert hat. Abba, die Hologramme mit ihrem Abbild aus dem Jahr 1979 auf Tour schicken. Avatare, die die Sprechweisen von Verstorbenen imitieren und Hinterbliebenen zur Trauerbewältigung dienen sollen.

Die Vorstellung, auf ewig als Mensch-Maschine aus Bits und Bytes zu existieren, mag manch einen mehr gruseln, als irgendwann einmal seine ewige Ruhe auf dem Friedhof zu finden.

Expansion ins All schafft Platz für fitte Greise

Abba sind nach 40 Jahren wieder auf Tournee und sehen aus wie 1979 – Hologramm-Technik macht es möglich.
Abba sind nach 40 Jahren wieder auf Tournee und sehen aus wie 1979 – Hologramm-Technik macht es möglich. © dpa | Johan PerssonAbba Voyage

Überhaupt – muss man nicht irgendwann einmal den Platz freimachen am Büfett? Eine Welt überfüllt mit zellenmanipulierten Greisen – wo sollen die überhaupt alle hin?

Durch Gennahrung, Laborfleisch, Riesenwolkenkratzer und eine Expansion ins All sei es kein Problem, auch bei sinkender Sterberate alle Menschen zu versorgen und unterzubringen, glaubt Autor Wood.

„Wir brauchen eine humanere Evolution“

Aber ist Erneuerung nicht die stärkste Kraft allen Lebens auf der Erde? „Es kann Erneuerung geben auch ohne Alter und Tod“, sagt er. „Wir sollten die Evolution nicht durch die rosa Brille sehen. Sie ist voll von Leid und blind gegenüber dem Individuum. Wir Menschen können eine bessere, humanere Evolution schaffen.“

Die unendliche Existenz hält Cordeiro für unbedingt wünschenswert „Mehr Leben bedeutet, mehr Lieben, mehr Wissen, mehr Kunst zu genießen“, sagt er. „Das Leben ist gut!“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de