Berlin. Lange ließ die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer Reisende zittern, drei Streiks legten den Bahnverkehr zu großen Teilen lahm. Nun gibt es einen Kompromiss. Doch völlig ausgeschlossen sind Streiks noch nicht.

Fahrgäste der Deutschen Bahn können aufatmen: Streiks der Lokführergewerkschaft GDL wird es erstmal nicht mehr geben.

"Der gordische Knoten ist gelöst", sagte Personalvorstand Martin Seiler am Donnerstag. Der Abschluss des Tarifvertrags leiste auch einen Beitrag zur Kostenentlastung im Konzern. GDL-Chef Claus Weselsky sprach nach drei Streiks von einem guten Kompromiss.

Der neue Tarifvertrag soll bis Oktober 2023 gelten. Allerdings ist der Bahn-Tarifkonflikt erst dann endgültig beendet, wenn der Konzern auch mit der Konkurrenzgewerkschaft EVG einig wird.

Die Einigung bedeute eine "Erleichterung für Millionen Bahnkunden und auch für die deutsche Wirtschaft", sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). "Jetzt werden wir schnellstmöglich wieder an die steigenden Fahrgastzahlen anknüpfen."

Vereinbart wurden Tariferhöhungen von insgesamt 3,3 Prozent sowie Einmalzahlungen. Zum 1. Dezember 2021 steigen die Bezüge zunächst um 1,5 Prozent, am 1. März 2023 dann um weitere 1,8 Prozent. Zwei Mal erhalten die Beschäftigten eine Corona-Prämie: je nach Entgeltgruppe 300, 400 oder 600 Euro in diesem Jahr sowie einheitlich 400 Euro im nächsten Jahr.

Zur Lösung trugen als Vermittler die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Niedersachsen, Daniel Günther (CDU) und Stephan Weil (SPD), bei. Sie seien vom Deutschen Beamtenbund und dem Deutschen Gewerkschaftsbund angesprochen worden, sagte Weil. Günther sagte: "Das ist für die Mobilitätswende ein sehr, sehr guter Tag für Deutschland."

Die GDL willigte als Teil der Einigung in die geplante Umstrukturierung der betrieblichen Altersvorsorge ein. Sie fußt hauptsächlich auf einem Pensionsfonds. Die Bahn legt daneben Geld für eine Zusatzrente zurück. Wer ab 2022 eingestellt wird, erhält diese Zusatzrente jedoch nicht mehr. "Die Rente ist sicher", sagte Weselsky angesichts des Bestandsschutzes für bisherige Mitarbeiter.

Erstmals schließt die GDL neben dem Zugpersonal auch Tarifverträge für Mitarbeitende in Werkstätten und in der Verwaltung, jedoch nicht für die Infrastruktur. Die Verträge kommen aber nur zur Geltung, wenn die GDL in dem jeweiligen Betrieb auch die meisten Mitglieder hat. Unstrittig ist das nur in 16 der rund 300 Bahn-Betriebe. In 71 weiteren Betrieben soll in einem notariellen Verfahren gezählt werden. Weselsky kündigte an, um weitere Mitglieder zu werben.

Um weitere Streiks zu verhindern, sucht die Bahn nun eine zügige Verständigung mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). "Ich glaube, es ist möglich, dass wir mit der EVG zeitnah zu entsprechenden Regeln kommen", sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler am Donnerstag. Kein EVG-Mitglied solle schlechter gestellt werden.

EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel hatte zuvor erklärt: "Wir bereiten uns auf Verhandlungen vor, aber auch auf Maßnahmen bis hin zum Arbeitskampf." Er kritisierte zudem das Engagement der Ministerpräsidenten. "Das ist ein Schlag ins Kontor der Tarifautonomie", sagte Hommel der Deutschen Presse-Agentur.

Er erklärte zudem das 2020 mit dem Bund und der Bahn geschlossene "Bündnis für unsere Bahn" für gescheitert. Dies habe er Minister Scheuer mitgeteilt. Die EVG sei aber offen für Verhandlungen über eine Neuauflage.

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