Berlin. Biontech, Mercedes, Steigenberger, Gorillas. China ist an vielen deutschen Unternehmen beteiligt. Wie abhängig ist unsere Wirtschaft?

Nach der Minderheitsbeteiligung des chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen ist die Debatte über den Einfluss Chinas auf die deutsche Wirtschaft neu entfacht. Politiker beurteilen Beteiligungen nach den Erfahrungen mit Russland und dem Ukraine-Krieg als mögliche Gefahr für die innere Sicherheit. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält sogar eine Veränderung des Außenwirtschaftsgesetzes für notwendig, um den Einfluss Chinas auf Deutschland zu begrenzen.

Gefahr: Wie groß ist die Beteiligung Chinas an deutschen Unternehmen?

Seit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) im Dezember 2001 ist die Volksrepublik nicht mehr nur Fabrik der Welt, sondern auch weltweiter Investor. Zwischen 2006 und 2021 haben sich chinesische Investoren an 442 Unternehmen in Deutschland beteiligt oder diese komplett übernommen, berichtete die Unternehmensberatung EY in einer Studie.

Mit der Corona-Pandemie fielen die Beteiligungen auf den niedrigsten Stand seit Jahren. 2021 erfolgten dann wieder 35 Übernahmen im Wert von 2 Milliarden Dollar – ein Drittel davon im Industrie-Sektor. Die größten Deals waren der Einstieg bei der Smartphone-Bank N26 und die Beteiligung an dem Essenslieferanten Gorillas. Zuletzt kaufte sich Cosco bei dem Hafenterminal Tollerort ein.

Die meisten Investitionen von Chinesen in Europa fanden 2021 laut EY in Großbritannien und Deutschland statt, gefolgt mit Abstand von den Niederlanden, Frankreich und Italien. Bei den Investitionen in Deutschland rangierte 2021 China auf Platz 8 – die wichtigsten ausländischen Investoren waren die USA, Großbritannien und Frankreich.

In welche Branchen investieren Chinesen?

Chinesen investieren in Deutschland vor allem in Maschinenbauunternehmen (68 Beteiligungen), wie eine Auswertung des Informationsnetzwerks der deutschen Wirtschaft (DDW) ergeben hat. Danach folgen die Branchen Konsumgüter (43), Autoindustrie (38) und Elektrotechnik (33).

Chinesische Unternehmen sind aktuell laut EY vor allem an Startups, Industrieunternehmen, High-Tech- und Software-Firmen, Gesundheitsunternehmen – wie Pharma, Biotech oder Medizintechnik – und an Finanzinstituten interessiert.

Auch chinesische Unternehmen haben in den Lieferdienst Gorillas investiert.
Auch chinesische Unternehmen haben in den Lieferdienst Gorillas investiert. © dpa | Wolfgang Kumm

Welche ehemals deutsche Firmen gehören Chinesen?

Bei den Übernahmen handelt es sich teilweise um bekannte Marken und Industrieunternehmen. So befinden sich der Robotik-Spezialist Kuka, der Autozulieferer Grammer, der Maschinenbauer KraussMaffei Group, der Gabelstaplerhersteller Still oder die Modekonzerne Tom Tailor und Esprit in chinesischer Hand.

Aber auch die Hotelgruppe Steigenberger oder Matratzen Concord sind unter der Ägide chinesischer Eigentümer. Ebenso der Computerhersteller Medion, Sharp Electronics, Motorola Solutions oder der Energiedienstleister Ista – vielen bekannt als Heizungsableser. An dem Impfstoffentwickler Biontech oder dem Autobauer Daimler haben Chinesen eine Minderheitsbeteiligung.

Chinesische Firmen investieren in deutsche Firmen, um einen Marktzugang zu erhalten und um Knowhow zu erwerben. So sind auch ein Prozent der deutschen Weltmarktführer laut DDW-Auswertung – wie die Putzmeister Holding, Kiekert oder Biotest, in chinesischer Hand.

Nummer 1: Wie stark ist der Außenhandel mit China?

China ist seit sechs Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner. 2021 wurden zwischen beiden Ländern laut Statistischem Bundesamt Waren im Wert von 246 Milliarden Euro gehandelt. Danach folgen die Niederlande (206 Milliarden Euro) und die USA (194 Milliarden Euro). Unterm Strich importiert Deutschland mehr Waren aus China als es dorthin exportiert.

Deutschland hat 2021 die meisten Waren aus China (142 Milliarden Euro) importiert, vor den Niederlanden und den USA. Bei den deutschen Exporten liegt China (104 Milliarden Euro) wertmäßig nach den USA (122 Milliarden Euro) auf Platz zwei.

Wie abhängig ist Deutschland von China?

Die Pandemie mit geschlossenen Häfen in China hat auch Deutschland durch Lieferengpässe seine Abhängigkeit von China deutlich gezeigt. China liefert nicht nur fertige Produkte in die Bundesrepublik, sondern auch Komponenten für viele Industrien – von der Autobauern bis zu Fahrradherstellern. Gleichzeitig bezieht Deutschland von dort unverzichtbare Rohstoffe wie seltene Erden.

Deutschland exportiert nach China vor allem Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile (29 Prozent der Exporte) sowie Maschinen (25 Prozent). Wichtig ist auch die Lieferung von Datenverarbeitungsgeräten, elektrischen Ausrüstungen und Chemischen Erzeugnissen. Umgekehrt importiert Deutschland vor allem Datenverarbeitungsgeräte und elektrische und optische Erzeugnisse (35,6 Prozent der Importe) aus China. Danach folgen Bekleidung, elektrische Ausrüstungen, Maschinen und Metallerzeugnisse.

Der Erfolg manches Unternehmens hängt bereits stark am chinesischen Markt. So verkaufen die Autohersteller VW, Mercedes und BMW in China etwa jedes dritte Fahrzeug. Bei der Nobelmarke Maybach sind es sogar mehr als zwei Drittel der Fahrzeuge.

Der Chemiekonzern BASF investiert gerade 10 Milliarden Euro in einen neuen Standort in Guangdong und erzielt in China längst einen Großteil seiner Gewinne. Für China ist Deutschland wiederum der sechstwichtigste Handelspartner, nach den USA, Hongkong, Japan, Südkorea und Taiwan.

Nicht nur die Bundesregierung, auch der Maschinenbauverband VDMA empfiehlt deutschen Unternehmen, ihre Engagements stärker auf weitere asiatische Länder zu verteilen und mit Investitionen in China eher abzuwarten, um eine zu große Abhängigkeit zu vermeiden.

Das Huawei-Risiko im Mobilfunknetz

Die USA haben als erstes Land das chinesische Unternehmen Huawei boykottiert, das ein wichtiger Lieferant für Komponenten für den 5G-Mobilfunkstandard ist. Präsident Donald Trump setzte 2019 Huawei auf die schwarze Liste für den US-Handel. Nicht so in Deutschland.

Hierzulande muss der Einsatz „kritischer Komponenten“ dem Bundesministerium für Inneres gemeldet und genehmigt werden. Doch im Mobilfunk sind die Deutsche Telekom neben Vodafone und Telefonica (O2) weiter Abnehmer von Huawei-Produkten für das Antennen-Zugangsnetz.

Allerdings verzichten die drei Netzbetreiber auf den Einsatz von Huawei-Produkten in ihren Kernnetzen und im sensiblen 5G-Netz, berichtet das „Handelsblatt“.

Auch die Deutsche Bahn setzt auf Hightech aus China. So wurden bei der Erneuerung des Zugfunksystems auf Basis der GSM-R-Technik, das jüngst bei einem Ausfall zu einem Stillstand des Zugverkehrs führte, nach Zulassung des Eisenbahn-Bundesamtes auch Komponenten von Nokia und Huawei verbaut.

Doch der Bundesnachrichtendienst und Cybersicherheitsexperten warnen weiter: „Natürlich sehen wir die Beteiligung Chinas an kritischen Infrastrukturen sehr, sehr kritisch“, sagte BND-Präsident Bruno Kahl. Huawei gibt zwar vor, ein privater unabhängiger Konzern zu sein. Doch was nützt das, wenn chinesische Gesetze von allen Unternehmen verlangen, mit dem Geheimdienst zusammen zu arbeiten?

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.