Berlin. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Ex-Audi-Chef Rupert Stadler erhoben. Ihm wird unter anderem Betrug vorgeworfen.

Auch er zählte zu den Autobossen, mit denen sich die Politik gern schmückte. Am 18. September 2015 war Rupert Stadler als Redner bei einer Veranstaltung des Bundeswirtschaftsministeriums geladen.

Es ging um den digitalen Wandel in der Wirtschaft, und der damalige Audi-Chef wusste viel beizutragen: Szenarien über selbstfahrende Autos, garniert mit Silicon-Valley-Analogien.

Wer Stadler damals zuhörte, der hatte unweigerlich das Gefühl, mit der deutschen Autoindustrie kann es nur bergauf gehen – eben auch wegen derart telegener Managerfiguren wie Stadler.

Rupert Stadler soll am Betrugsskandal mitgewirkt haben

Es kam anders, und es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet an dem Tag, an dem Stadler der Politik die Zukunft der Mobilität erklärte, in den USA der Abgasbetrug durch VW bekannt wurde. Nun, fast vier Jahre später, geht die Staatsanwaltschaft München II davon aus, dass Rupert Stadler an dem größten Betrugsskandal der Automobilgeschichte mitgewirkt haben soll.

Nach monatelangen Ermittlungen hat sie am Mittwoch Anklage gegen den Ex-Manager erhoben. Mit ihm sind drei weitere Beschuldigte angeklagt: das frühere Audi-Vorstandsmitglied Wolfgang Hatz, der Audi-Ingenieur Giovanni P. und dessen Mitarbeiter.

Sieben Aktenordner füllt die 400 Seiten starke Anklageschrift samt ihrer beigefügten Anlagen. In den Worten der Behörde geht es in dem Fall um „Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung“. Die Vorwürfe im Einzelnen unterscheiden sich: Den drei Angeschuldigten legt die Behörde zur Last, die Motoren der Marken Audi, VW und Porsche entwickelt zu haben, deren „Steuerung mit einer unzulässigen Softwarefunktion ausgestattet war“.

Angeklagten drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis

Stadler hingegen wird nur für einen Teil der mutmaßlich manipulierten Fahrzeuge verantwortlich gemacht. Der 56-Jährige soll ab September 2015 von den Abgasmanipulationen gewusst, aber den Verkauf betroffener Fahrzeugen nicht gestoppt haben. Insgesamt gehe es um mehr als 430.000 Fahrzeuge der Marken Audi, VW und Porsche, die in den USA und in Europa verkauft worden seien.

Die Dieselmotoren der Fahrzeuge stießen auf dem Prüfstand weniger Abgas aus als im alltäglichen Betrieb auf der Straße. Audi erklärte am Mittwoch, es sei „im Interesse der Mitarbeiter, der Anteilseigner und des ganzen Unternehmens, die Sachverhalte, die zur Dieselkrise geführt haben, juristisch restlos aufzuklären.“ Der Skandal hat Audi seit 2015 rund 3,4 Milliarden Euro gekostet.

Ob es nun wirklich zu einem Prozess kommt, hängt davon ab, ob das Landgericht München II die Anklage zulässt. Das kann dauern – alle Beteiligten müssen sich einarbeiten, danach bekommen sie Zeit für Stellungnahmen. Bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu 15 Jahre Gefängnis. Juristen gehen selbst bei einem Schuldspruch von einem geringeren Strafmaß aus.

Anklage gegen den früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn

Schon jetzt ist Stadlers Sturz tief. Mehr als ein Jahrzehnt stand er an der Spitze von Audi. Dann liefen auch gegen ihn Ermittlungen, die Staatsanwaltschaft führte Razzien in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm durch, durchsuchte Stadlers Privathaus in Ingolstadt, hörte sein Telefon ab.

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Schließlich ließ sie ihn wegen Verdunkelungsgefahr im Juni 2018 verhaften. Vier Monate lang saß Stadler in Augsburg in Untersuchungshaft. Erst Ende Oktober wurde er unter Auflagen aus der U-Haft entlassen. Nun wird wohl das Gericht in einem wahrscheinlich langwierigen Prozess auseinanderdividieren, wer im Volkswagenkonzern zu welchem Zeitpunkt über die Manipulationen Bescheid wusste.

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Unausweichlich fällt da auch der Blick auf Ex-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und den früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn.

Gegen Winterkorn hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig im April Anklage erhoben. Beiden Managern wird nachgesagt, sehr gut über die Vorgänge im Wolfsburger Konzern Bescheid gewusst zu haben. Und Stadler wiederum stand über Jahre hinweg VW-Patriarch Piëch nahe.

Mit Audi die Premiummarken Mercedes und BMW überholen

„Stadler war einer der wenigen Menschen auf der Welt, die Piëch gut kannten“, beobachtet der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Stadler war Piëchs Büroleiter, als dieser noch VW-Konzernchef war.

Mit 43 Jahren machte er ihn zum Chef von Audi. Stadler sollte mit Audi die Premiummarken Mercedes und BMW überholen. Zumindest im direkten Vergleich mit Mercedes hat das zeitweise sogar geklappt. Unter Stadlers Führung hat Audi zudem seinen Umsatz verdoppelt.

Auffallend ist, dass die VW-Eigentümerfamilien Piëch und Porsche – die über die Stuttgarter Porsche SE am Volkswagenkonzern mehrheitlich beteiligt sind – lange an Stadler festhielten, selbst als Stadler schon in U-Haft saß.

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Noch im Mai 2017 wurde sein Vertrag um fünf Jahre verlängert. Diese Verbindung zwischen den Managern könnte noch für Überraschungen sorgen. „Wenn es zum Prozess kommt, könnte das auch für Martin Winterkorn und die Eigentümerfamilie Piëch brisant sein“, schätzt Dudenhöffer.

Stadler wehrte sich von Beginn an gegen den Vorwurf, von dem Betrug gewusst zu haben. „Er wird sich gegen die Anklagevorwürfe verteidigen“, kündigte sein Anwalt Thilo Pfordte an. Die Verteidigung müsse jetzt erst einmal die Anklage studieren.