Frankfurt/Main. Europas Währungshüter machen Tempo: Nach der Festlegung einer neuen Strategie soll nun der geldpolitische Ausblick überarbeitet werden. EZB-Präsidentin Lagarde verspricht zudem eine klarere Sprache.

Ursprünglich haben Volkswirte von der Juli-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht viel erwartet.

Doch nachdem Europas Währungshüter vor zwei Wochen ihre überarbeitete geldpolitische Strategie inklusive eines flexibleren Inflationsziels festgezurrt haben, hat das Treffen des EZB-Rates heute deutlich an Bedeutung gewonnen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde höchstpersönlich schürte jüngst in einem Interview mit dem Fernsehsender Bloomberg TV die Erwartungen: "Es wird ein wichtiges Treffen." Es werde "einige interessante Variationen und Veränderungen geben", sagte die Französin. Die Ergebnisse der Beratungen gibt die Notenbank in Frankfurt am Nachmittag (13.45 Uhr) bekannt.

Feilen wird die Notenbank mit ziemlicher Sicherheit an ihrem längerfristigen Ausblick. Es werde eine Überprüfung der sogenannten Forward Guidance geben, um sie in Einklang mit der nun formulierten neuen Strategie zu bringen, kündigte Lagarde an.

Kernelement der überarbeiteten Strategie ist der größere Spielraum beim Thema Inflation: Künftig strebt die Notenbank für die 19 Staaten des Euroraums eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent an. Zumindest zeitweise will die EZB dabei auch akzeptieren, wenn diese Marke moderat über- oder unterschritten wird. Bislang lag das Inflationsziel der EZB bei "unter, aber nahe zwei Prozent".

Ökonomen gehen davon aus, dass die Notenbank den Begriff "Beharrlichkeit" in ihrer Forward Guidance prominent platzieren wird. Schon nach der letzten Zinssitzung vor sechs Wochen hatte Lagarde für eine Politik der ruhigen Hand plädiert und Hoffnungen auf einen baldigen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes und den milliardenschweren Nothilfen in der Corona-Krise im Keim erstickt. "Es ist jetzt nicht die Zeit, um über eine Ausstiegsstrategie zu sprechen", bekräftige Lagarde in der vergangenen Woche. "Wir müssen sehr flexibel sein und dürfen nicht die Erwartung wecken, dass der Ausstieg in den nächsten Wochen oder Monaten erfolgt."

Das eigens in der Pandemie aufgelegte, besonders flexible Notkaufprogramm für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen (Pandemic Emergency Purchase Programme/PEPP) soll bis mindestens Ende März 2022 laufen. Danach könnte es "möglicherweise ... in ein neues Format" übergehen, sagte Lagarde.

Einige Notenbanker haben bereits vorgeschlagen, Teile des 1,85 Billionen Euro umfassenden Programms nach dessen Auslaufen in die allgemeinen Wertpapierkäufe (APP) der Notenbank zu überführen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt, "dass das aktuell beschlossene Volumen des PEPP noch nicht das Ende der Fahnenstange ist".

Die Anleihenkäufe der EZB helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben, die es zu finanzieren gilt.

Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist nicht in Sicht. Den Leitzins im Euroraum hält die EZB seit fast fünfeinhalb Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Geschäftsbanken müssen zudem inzwischen 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

Ändern will Lagarde aber noch etwas: die Kommunikation. Es werde "eine etwas andere Präsentation unserer geldpolitischen Entscheidung" geben, sagte die EZB-Präsidentin in dem Bloomberg-Interview. "Und ich hoffe sehr, dass sie klarer, einfacher, knapper, auf den Punkt und so wenig Jargon (...) wie möglich sein wird."

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