Davos. Zum 50. Mal trifft sich die globale Wirtschaftselite in Davos. Die Weltkonjunktur steht wieder etwas besser da als im vergangenen Jahr. Doch es werden harte Diskussionen um Klima und soziale Gerechtigkeit erwartet.

Etwas Hoffnung für die globale Konjunktur: Die zuletzt ausgebremste Weltwirtschaft gewinnt nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im laufenden Jahr wieder etwas an Tempo.

Die Experten bleiben zwar grundsätzlich optimistisch, aber Entwarnung gibt es nicht. "Wir sehen ein gemäßigt beschleunigtes Wachstum", sagte IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa am Montag in Davos bei der Vorlage der aktuellen Konjunkturprognose. "Aber wir haben noch keinen Wendepunkt erreicht", so die Bulgarin.

Die lockere Geldpolitik rund um den Globus, eine teilweise Einigung im Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie nachlassende Sorgen vor einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU gäben etwas Schub, sagte IWF-Chefökonomin Gita Gopinath. Es gebe Zeichen, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft stabilisiere und in Industrie und Handel die Talsohle erreicht sei.

Deutsche Topmanager sind allerdings deutlich skeptischer. Grund sind vor allem globale Handelskonflikte sowie Cyberattacken. Einer Umfrage der Beratungsgesellschaft PwC zufolge rechnen gut zwei Drittel (68 Prozent) der Führungskräfte mit einem Rückgang des Weltwirtschaftswachstums. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr: Damals gingen 29 Prozent von einer nachlassenden Konjunktur aus.

Nach Einschätzung der IWF-Experten dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,3 Prozent wachsen, während das Wachstum für das vergangene Jahr nur auf 2,9 Prozent beziffert wird. Allerdings senkten die Konjunkturexperten ihre Erwartungen gegenüber der vorangegangenen Prognose im Oktober leicht. Damals hatte der IWF für 2020 ein Wachstum von 3,4 Prozent erwartet. Für 2021 revidierte der Währungsfonds die Prognose auf 3,4 Prozent, nach zuvor 3,6 Prozent.

Die leicht gesenkten Schätzungen seien vor allem der schwächeren Entwicklung in Indien geschuldet, sagte Gopinath. Das große Schwellenland leidet derzeit unter heftigen politischen Unruhen. "Es gibt für die Weltwirtschaft weiter Abwärtsrisiken", sagte Gopinath. Neue Spannungen im Handel könnten aufkommen zwischen den USA und der Europäischen Union.

Für Deutschland rechnen die IWF-Experten ebenfalls mit einem Anziehen der Wirtschaftsleistung. Nach magerem Wachstum von geschätzten 0,5 Prozent im vergangenen Jahr erwartet der IWF dieses Jahr eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 1,1 und für 2021 um 1,4 Prozent. Exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland dürften wieder etwas profitieren, sagte Gopinath. Einige Länder hätten wegen strikter Ausgabenpolitik finanziellen Spielraum, die Wirtschaft zu stützen. Zu diesen Ländern gehört auch Deutschland.

Die Weltarbeitsorganisation (ILO) warnte, ein geringes Wachstum der Weltwirtschaft dürfte die Zahl der Arbeitslosen nach neun Jahren Stabilität erstmals wieder in die Höhe treiben. Die ILO rechnet in diesem Jahr weltweit mit 2,5 Millionen mehr Arbeitslosen als 2019. Das entspreche der Zahl der jungen Menschen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen. Es würden nicht genügend Arbeitsplätze geschaffen, um die zusätzlichen Menschen zu beschäftigen.

Bei dem viertägigen Treffen in den Schweizer Alpen diskutieren von diesem Dienstag an 3000 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über Lösungen für internationale Probleme. Im Fokus stehen vor allem der Klimawandel sowie geopolitische Probleme wie die Krisen im Nahen Osten und in Libyen. Erwartet werden unter anderem US-Präsident Donald Trump und Kanzlerin Angela Merkel.

Auch Ungleichheit soll ein großes Thema werden. Deutschland hinkt nach Ansicht einer WEF-Studie hinterher, wenn es um soziale Aufstiegschancen geht. Größte Hürden sind demnach ungleiche Bildungschancen, mangelnder Zugang zu Technologie sowie Schwächen in der Lohngerechtigkeit. Vor allem die großen Volkswirtschaften China, USA, Indien, Japan und Deutschland könnten nach Einschätzung des WEF enorm von größeren Aufstiegschancen profitieren. Die globale Wirtschaft könnte jedes Jahr deutlich stärker wachsen, wenn die Probleme angegangen würden.

"Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Ungleichheit sind tiefgreifend und weitreichend", sagte WEF-Gründer Klaus Schwab. Er nannte unter anderem ein wachsendes Gefühl der Ungerechtigkeit und sinkendes Vertrauen in Institutionen.

Auf die großen Unterschiede zwischen Arm und Reich in der Welt wies die Hilfsorganisation Oxfam hin. Die Vermögenskonzentration habe an der Spitze im letzten Jahr weiter zugenommen, betonte Oxfam bei der Vorstellung ihres Ungleichheitsberichts. Vor allem auch zwischen Frauen und Männern sei der Wohlstand ungleich verteilt. Demnach besitzen Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Oxfam forderte von der Bundesregierung, mehr in öffentliche Kinderbetreuung und soziale Absicherung in armen Ländern zu investieren, sowie weltweit Frauenrechte und -organisationen zu stärken.

Kritisch ging die Naturschutzorganisation BUND mit dem Treffen in Davos ins Gericht. Die Bekenntnisse des WEF zu mehr Klimaschutz sowie zu Menschenrechts- und Umweltstandards in globalen Lieferketten seien Augenwischerei. "Schluss mit dem Märchen vom unendlichen Wachstum auf einem endlichen Planeten", sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.

Klimaforscher forderten alle Politiker und Wirtschaftsbosse auf, wissenschaftliche Fakten zum Klimawandel in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen. "Wir riskieren eine Destabilisierung des Planeten", sagte Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. "Die Wissenschaft zeigt, dass wir vor einem planetaren Notstand stehen." Der Experte rief gemeinsam mit anderen Klimaforschern und Aktivisten ín Davos die Initiative "Versammelt Euch hinter der Wissenschaft" ("Unite Behind The Science") ins Leben. Im Fokus steht die Forderung, dass jede Politik-, Wirtschafts- und Investitionsentscheidung weltweit den Klimazielen folgen muss. Zu den Unterstützern gehört die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.