Hannover. Vom kommenden Jahr an müssen europäische Importeure strenge Vorgaben bei der Einfuhr von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold einhalten. Das Ziel: weniger Menschenrechtsverletzungen in den Herkunftsländern. Auch in Deutschland wurde dafür eine neue Kontrollstelle geschaffen.

Über weltweite Lieferketten gelangen sie in Handys und Autos, und schlimmstenfalls tragen sie zur Finanzierung von Bürgerkriegen und Menschenrechtsverletzungen bei - sogenannte Konfliktminerale wie Zinn, Tantal, Wolfram und Gold.

Die Europäische Union will vom Jahr 2021 an mit neuen Pflichten für die Importeure sicherstellen, dass die Herkunft der Rohstoffe, die in Europa verarbeitet werden, sauber ist. Auch in Deutschland wurde dafür eine neue Kontrollstelle geschaffen, genannt Deksor (Deutsche Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten).

"Das Problem der Konfliktminerale ist seit mehr als 20 Jahren bekannt", sagt Deksor-Leiter Matthias Beier. Er erklärt, dass der Abbau von Zinn, Tantal, Wolfram und Gold besonders anfällig sei für Menschenrechtsverletzungen. "Das liegt vor allem daran, dass diese Erze im nicht-industriellen Kleinbergbau abgebaut werden." Auf Tantal treffe das in mehr als 60 Prozent der Fälle zu, auf Zinn in etwa 50 Prozent. Bei Gold und Wolfram seien die Quoten niedriger, dennoch gebe es Risiken wie illegale Abgaben, niedrige Arbeitsstandards, der Abbau in Handarbeit oder sogar Kinderarbeit. Betroffen seien vor allem ärmere Länder in Afrika, Asien sowie Mittel- und Südamerika.

Um den Importeuren eine Orientierung zu bieten, um welche Regionen es genau geht, will die EU Ende dieses Jahres eine nicht verbindliche Liste der Konfliktgebiete bekanntgeben. Zu den Vorgaben für die Unternehmen zählen unter anderem eine Risikobewertung der gesamten Lieferkette sowie Strategien zur Minderung dieser Risiken und eine unabhängige Überprüfung. "Das ist ein kleiner Quantensprung, dass die Unternehmen diesen Pflichten künftig bis ins Ursprungsland nachkommen müssen", sagt Baier.

In Kraft ist die EU-Verordnung für Konfliktminerale schon seit 2017, aktiv nachkommen müssen die Importeure ihr aber erst 2021. "Das ist eine knapp vierjährige Übergangszeit, die die Industrieverbände durchgesetzt haben", sagt Baier. "Das ist teilweise verständlich, weil so ein Risikomanagementsystem nicht in zwei Wochen aufgebaut ist, andererseits ist das schon sehr viel Zeit."

Auf nationaler Ebene dringt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) zudem auf ein Lieferkettengesetz, das deutsche Unternehmen verpflichtet, bei ausländischen Lieferanten die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu garantieren. "Die Menschen wollen, dass Konzerne mehr Verantwortung für Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in ihren Lieferketten übernehmen. Sie wollen nicht länger Produkte kaufen, in denen Kinder- und Zwangsarbeit steckt", sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).

Noch vor Weihnachten müsse es in dieser Sache eine Entscheidung geben, das sei im Koalitionsvertrag festgelegt, sagte Müller. Die Eckpunkte von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und ihm dafür lägen schon seit vier Monaten vor. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) befürchtet jedoch eine zu große Belastung für die Wirtschaft.

Die Einhaltung der EU-Vorgaben will die Deksor derweil anhand risikobasierter Kontrollen unter die Lupe nehmen. Das heißt: "Es ist ein Unterschied, ob man aus Kanada oder aus dem Kongo importiert", erklärt Baier. Praktisch bedeuteten die Kontrollen viel Papierarbeit, erforderten aber auch eine Menge an Wissen.

Baier spricht aus eigener Erfahrung, er beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit der Zertifizierung von Konfliktmineralen. "Ich weiß sehr genau, wie die Bedingungen in Ländern wie dem Kongo sind, wo Sorgfaltspflichten gut eingehalten werden können und wo nicht."

Allerdings werden die Deksor-Vertreter - ein siebenköpfiges Team in Hannover - nicht selbst in die Minen fahren, sondern die Angaben der Unternehmen anhand von Dokumenten und mit Hilfe von Partnern vor Ort überprüfen. Die ersten Kontrollen sind für 2022 geplant.

Gut 150 betroffene Importeure hat die Deksor anhand von Zolldaten in Deutschland ausgemacht. Eine jährliche Bilanz der Kontrollen soll öffentlich vorgestellt werden. "Wir dürfen die Unternehmen nicht nennen, werden aber die Verstöße veröffentlichen", versichert Baier.

Denkbar sei zudem, dass die Liste der kontrollierten Rohstofflieferketten schon bald erweitert wird - etwa um Kobalt, das unter anderem für die Akkus von Elektroautos benötigt wird. "Die EU-Verordnung wird 2023 evaluiert", sagt Baier. "Es könnte gut sein, dass Kobalt dann aufgenommen wird."

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