Essen. Der Verkauf der profitablen Aufzugssparte sollte für Thyssenkrupp zum Befreiungsschlag werden. Doch in der Corona-Krise verbrennt der angeschlagene Konzern so viel Geld, dass er wohl manche Hoffnung begraben muss.

Aus den vielen schlechten Zahlen, die Thyssenkrupp am in seinem Halbjahresbericht veröffentlicht hat, ragt eine positive heraus:

Ingesamt 402 Millionen Euro hat das Geschäft mit Aufzügen und Rolltreppen dem Stahl- und Industriekonzern in den ersten sechs Monaten des bis Ende September laufenden Geschäftsjahres in die leeren Kassen gespült. Doch eine wirklich gute Nachricht ist das für Thyssenkrupp nicht. Denn der einzige sichere Gewinnbringer wird dem tief in der Krise steckenden Traditionskonzern nicht mehr lange gehören.

Für 17,2 Milliarden Euro haben die Essener ihre Aufzugssparte an ein Investorenkonsortium verkauft. Die Einnahmen sollten Thyssenkrupp eigentlich zum großen Befreiungsschlag verhelfen, Schuldenabbau und Konzernumbau wollte Vorstandschefin Martina Merz mit den Einnahmen finanzieren. Ob aber viel Geld für Investitionen bleibt, ist ungewisser denn je. Es sei jetzt schon klar, "dass Corona unseren Spielraum deutlich einschränken wird", räumte Merz in einer schriftlichen Stellungnahme zu den Halbjahreszahlen ein. Die Mitarbeiter hatte sie kürzlich bereits per Brief angesichts der ernsten Lage gewarnt, es dürfe "nichts mehr ausgeschlossen werden".

Thyssenkrupp gehört zu den besonders schwer von der Pandemie gebeutelten Unternehmen in Deutschland, denn es war schon vor der Krise stark angeschlagen. Seine wichtigsten Produkte Stahl und Autoteile finden derzeit kaum Abnehmer. Die Folge: Werke wurden runtergefahren oder geschlossen. Der Konzern schickte weltweit mehr als 30 000 seiner rund 160 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Das Loch in der Firmenkasse ist noch weiter aufgerissen. In der ersten Hälfte des Geschäftsjahres fiel ein Verlust von 1,3 Milliarden Euro an.

Für das zweite Halbjahr ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Thyssenkrupp dürfte noch mehr Geld verbrennen. Im bis Ende Juni laufenden dritten Quartal sei ein Verlust im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich "wahrscheinlich" und "bis zu gut 1 Milliarde Euro nicht auszuschließen", sagte Finanzchef Klaus Keysberg in einer Telefon-Pressekonferenz.

Um finanziell über die Runden zu kommen, hat sich Thyssenkrupp einen Kredit über 1 Milliarde Euro aus dem Sonderprogramm der Förderbank KfW gesichert. Die Geldspritze soll reichen, bis das Geld aus dem Verkauf der Aufzugssparte fließt, und dann zurückgezahlt werden. Keysberg versuchte, den Kapitalmarkt mit zwei Botschaften zu beruhigen. "Wir haben kein Problem mit der Liquidität", versicherte er. Der Verkauf der Aufzugssparte sei nicht in Gefahr. Inzwischen habe man 8 der erforderlichen 13 kartellrechtlichen Freigaben ohne Auflagen erhalten.

An der Börse verfingen die Beteuerungen aber nicht. Am Vormittag stürzte der Aktienkurs von Thyssenkrupp zeitweise um mehr als 12 Prozent auf 4,24 Euro ab. Später erholte sich der Kurs wieder. An der Börse wird auf das Konzept für den Konzernumbau gewartet, über das der Aufsichtsrat am kommenden Montag beraten will. Doch Keysberg dämpfte Erwartungen an konkrete Schritte. Vor dem Hintergrund von Corona könne das "nur ein Blick in die Werkstatt sein".

Im Ungewissen bleiben damit auch die Mitarbeiter von Thyssenkrupp. Vereinbart ist bereits, dass bis zum Geschäftsjahr 2021/22 konzernweit 6000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Davon seien 2400 Stellen in der Umsetzung oder bereits abgebaut, sagte Keysberg. Ob mehr Stellen wegfallen müssten, sei "im Moment nicht zu konkretisieren". Wenn die wirtschaftliche Lage in einem Jahr noch immer um 20 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau sei, "werden wir uns natürlich darüber zu unterhalten haben", betonte Keysberg.