Jena. Drei Jahrzehnte Forschungsarbeit werden in der Sonderausstellung „Burgauer Porzellan“ in Jena präsentiert.

Burgauer Porzellan? Selbst mancher Jenenser zuckt die Schultern. Dabei könnte es sein, dass sich Teile mit der einst äußerst erfolgreichen Marke PMB (Porzellanmanufaktur Burgau a.d. Saale Ferdinand Selle) noch in seinem Besitz finden.

Im Örtchen Burgau bei Jena wurde Anfang des 20. Jahrhunderts Gebrauchsgeschirr für den aufstrebenden Mittelstand produziert. Firmeninhaber Selle entwickelte eine geldbeutelfreundliche und kundenorientierte Verkaufsstrategie: erstmals in der Vertriebsgeschichte waren alle Teile eines Services sowie Extras einzeln erwerbbar. Dank seines robusten Scherbens ist das Porzellan strapazierfähig, dank seiner Unterglasurdekore sogar spülmaschinenfest. Für ein Service aus Burgau musste man nur knapp ein Drittel der Summe berappen, die Marken wie Meissen und Nymphenburg kosteten.

Das ist heute anders. Burgauer Porzellan erzielt beim online-Händler und auf Auktionen erstaunliche Preise. Einen Grund dafür sieht Kuratorin Birgitt Hellmann vom Jenaer Stadtmuseum in den nur knapp drei Jahrzehnten der Existenz der Marke.

Die Marke der „Porzellanmanufaktur Burgau a.d. Saale Ferdinand Selle“.
Die Marke der „Porzellanmanufaktur Burgau a.d. Saale Ferdinand Selle“. © Angelika Bohn | Angelika Bohn

1901 wählte der aus einer Familie von Porzellanhändlern stammende Ferdinand Selle für seine Firmengründung Burgau als Standort, perfekt in unmittelbarer Nähe zu Göschwitz gelegen, wo sich Saale- und Weimar-Gera-Bahn kreuzen. Selle war nicht nur ein exzellenter Kaufmann, er war auch sein erster genialer Designer. Bereits 1902 sorgte seine 72 Teile umfassende „Geschweifte Form“ für Furore – mit dem Dekor Anna ein Klassiker reinsten Jugendstils. Ab 1908 arbeiteten namhafte Künstler wie Henry van de Velde, Albin Müller und Fia und Ruldolf Wille für Burgau.

Doch der frühe Tod Selles (1862-1915), der eingeschränkte Entscheidungsspielraum seiner Witwe Adelheid, die bei der Fortführung der Firma als Frau unter Vormundschaft ihrer Schwager stand, brachte die Manufaktur in Schwierigkeiten. Krieg und Inflation taten ein Übriges. 1929 wurde die Fabrik geschlossen, Firmenunterlagen vernichtet, Formen nach Rudolstadt verkauft…

Jenas kurzer Flirt mit dem Weißen Gold geriet in Vergessenheit, bis Anfang der 90er-Jahre die Kuratorin Birgitt Hellmann begann, die Geschichte der in der Jenaer Sammlung befindlichen Stücke mit der markanten Marke zu erforschen. Bereits Ende der 90er-Jahre gab es eine erste Ausstellung.

Die neue Tellervitrine in der Sonderausstellung Burgauer Porzellan.
Die neue Tellervitrine in der Sonderausstellung Burgauer Porzellan. © Angelika Bohn | Angelika Bohn

In der Folge erfuhr die Sammlung Zuwachs durch Spenden und Ankäufe. Die gestern Abend eröffnete Sonderausstellung „Burgauer Porzellan – von Jugendstil bis Art déco“ präsentiert nun das bisher bekannte Wissen über PMB als wahren Augenschmaus. Zauberhafte Mokkatassen, Sammeltassen, flache und tiefe Teller, kleine Senfdosen mit Löffel, winzige Salzschalen, riesige Fischplatten und Suppenterrinen, dickwandiges Geschirr für Studenten und die Marine, Tee-, Kakao- und Kaffeekannen, Vasen, Kerzenständer … 15 verschiedene Formen und 50 unterschiedliche Unterglasurdekore.

Die meisten der bisher aufgefundenen 600 verschiedenen Formteile werden in der opulenten Schau gezeigt. Begleitet wird sie durch Vorträge und Kuratorenführungen. Im Januar erscheint ein von Birgitt Hellmann herausgegebener Werkkatalog (352 Seiten mit über 800 Fotos).

„Burgauer Porzellan“ im Stadtmuseum Jena; geöffnet Di., Mi., Fr. 10-17 Uhr, Do. 15-22 Uhr, Sa./So. 11-18 Uhr