Berlin. Die Omikron-Variante beunruhigt Karl Lauterbach zunehmend. Ob er Gesundheitsminister wird, wollte er bei „Anne Will“ nicht verraten.

Karl Lauterbach (SPD) wollte nichts versprechen. Zwar glaubte er bei "Anne Will" aktuell, "dass wir einen harten Lockdown nicht brauchen werden." Aber das hing von der weiteren Entwicklung der Omikron-Variante ab: Konnten die am vergangenen Donnerstag von Bund und den Ländern beschlossenen Corona-Maßnahmen verhindern, dass sich die neue Covid-19-Mutation ungebremst ausbreitete?

Das war, leicht abgewandelt, sowieso die Frage des Abends. Und so hartnäckig Anne Will auch nachfragte, so skeptisch blieb sie bis zum Schluss: Sind Sie eigentlich zufrieden mit den Beschlüssen, fragte sie jede und jeden ihrer fünf Gäste. Die Frauen in der Runde wenigstens bezweifelten, dass 2G und 2G+ in Restaurants und Geschäften ausreichend kontrolliert werden konnten. Würde eine Impfpflicht und der Defacto-Lockdown für Ungeimpfte also reichen, um die Kontrolle zurückzugewinnen?

Anne Will – Das waren die Gäste:

  • Markus Söder (CSU): Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern
  • Karl Lauterbach (SPD): Mitglied des Deutschen Bundestages, Gesundheitsökonom und Epidemiologe
  • Konstantin Kuhle (FDP): Mitglied im Bundesvorstand und Innenpolitischer Sprecher der Fraktion
  • Carola Holzner: Fachärztin für Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin; auch bekannt als Medizinbloggerin "Doc Caro"
  • Cerstin Gammelin: Stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin

Omikron-Studien geben "Grund zur Sorge"

Auch dazu hatte Karl Lauterbach klare Vorstellungen. Für ihn waren die nächsten vier Wochen, in denen "Kontrolldefizite kollektiv" angegangen werden mussten, entscheidend: "Ordnungsämter und Polizei müssen die Corona-Maßnahmen jetzt kontrollieren und nicht Parktickets verteilen", forderte er. Dazu empfahl er eine Booster-Impfung "schon nach fünf Monaten".

Denn die Omikron-Studien, die aus den beiden, am besten untersuchten Ländern Israel und Großbritannien hereinkamen, und die er "im Stundentakt" las, zeigten, dass "Grund zur Sorge" bestand: Vor allem Genesene, aber auch doppelt Geimpfte seien gefährdet, sich mit der neuen Mutante zu infizieren. Allein der Booster könne den Schutz vor einer Ansteckung erneuern.

Karl Lauterbach: Wird er Gesundheitsminister?

Seine Analyse der Lage kam – auf Nachfrage von Anne Will – ausdrücklich von dem Wissenschaftler und Arzt Lauterbach: Ob er auch der neue Bundesgesundheitsminister werden würde, mochte er immer noch nicht sagen. Die Personalie wäre noch nicht entschieden. Erst am heutigen Montag wollte Olaf Scholz den Namen bekannt geben, erklärte der SPD-Gesundheitsexperte, schon mal froh, dass seine Partei "das wichtige Ressort gezogen hat".

Selbst Markus Söder, zugeschaltet per Video aus München, war dafür, dass Karl Lauterbach das Amt bekäme: "Wir brauchen in der Situation keinen Minister, der 100 Tage braucht, um sich einzuarbeiten, höchstens zehn Minuten", charmierte er und hoffte juxig, dass seine Empfehlung dabei nicht noch schadete.

Gewohnt energisch verteidigte er bei "Anne Will" die MPK-Beschlüsse als notwendig und zielführend: Die Schließungen von Bars, Clubs und Diskotheken sowie die Absage von Weihnachtsmärkten hätten die Inzidenz in einigen Landkreisen innerhalb nur einer Woche um 100 reduziert.

Impfquote: Bayern auf Platz 11 im Ländervergleich

Dennoch waren die Zahlen immer noch hoch: Nach Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg stand Bayern an Platz vier beim R-Wert, an Platz 5 bei der Hospitalisierungsrate. Und mit 67,4 Prozent bei der Impfquote erst auf Platz 11 (von 16). Das musste besser werden. Ohne eine Impfpflicht würde es auf Dauer nicht gehen, um die Bürger zu schützen und die "größte Krise seit Ende des Krieges angemessen zu beantworten".

In seinem Bundesland hatte die Impfskepsis leider eine "gewisse Tradition", musste der MP eingestehen: "Schon im letzten Jahrhundert" (1967) hatten viele Bayern "die Pocken-Impfung verweigert, weil sie fürchteten, von der Impfung mit Kuh-Viren Kuh-Ohren zu bekommen".

Cerstin Gammelin fand die Erklärung nicht so witzig. Die stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der "Süddeutschen Zeitung" in Berlin, fragte sich stattdessen, "warum es in einem der reichsten Bundesländer nicht gelingt, die Menschen zu erreichen". In den abgelegenen Bergdörfern könnte doch zum Beispiel die katholische Kirche mit impfen, schlug sie vor.

Auch gegen Olaf Scholz teilte sie aus, indem sie sein "Hin und Her bei der Bundesnotbremse" kritisierte: Als Mitglied der Großen Koalition hatte er sie erst mitverhandelt, sich dann bei den Ampel-Verhandlungen zugunsten der FDP davon distanziert und war nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag wieder bereit, nachzubessern. "Das ist für die Leute unverständlich."

Einrichtungsbezogene Impfpflicht noch diese Woche

Da fühlte sich Konstantin Kuhle, Innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, vor allem die Klage seiner Partei gegen das Infektionsschutzgesetz von 2020 zu verteidigen. Es war richtig, sich gerichtlich zu wehren, rechtfertigte er: Die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht waren durch Ausgehsperren oder Parkbank-Verbote doch massiv.

Auch die allgemeine Impfpflichte sollte erst noch sorgfältig geprüft werden, bevor sie beschlossen wurde, glaubte er. Er selbst wusste noch nicht, wie er abstimmen würde. Dazu seien noch zu viele Detailfragen offen. Immerhin, "die einrichtungsbezogene Impfpflicht wird kommen", bestätigte er. Diese Woche schon wird ein Gesetz dazu im Bundestag debattiert.

Carola Holzner, die als Notfallärztin am Universitätsklinikums Essen arbeitet, hatte kein Problem mit einer Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitsbereich: "Ich bin es gewohnt, meinen Impfstatus vorzulegen, zum Beispiel bei Masern, wenn ich in einem so empfindlichen Bereich arbeite." Ein Akzeptanzproblem sah sie vor allem darin, dass eine allgemeine Impfpflicht vorher so kategorisch ausgeschlossen wurde.

Sie setzte ohnehin mehr auf Überzeugungsarbeit: "Neun von zehn kann ich in einem Vier-Augen-Gespräch überzeugen, sich impfen zu lassen“, behauptete sie. Dann berichtete sie erfrischend locker, wie das ging: Durch So-oder-so-Fragen und "laminierte Wissenschaftsstudien", die bei der Risikoeinschätzung halfen. "Du hast die Wahl: Du hast durch eine Impfung ein minimales Risiko an einer Herzmuskelentzündung zu erkranken. Oder du infizierst dich mit Corona und hast ein vielfach höheres Risiko, eine Herzmuskelentzündung zu kriegen."

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