Berlin. Merz, Scholz, Baerbock: Bei „Anne Will“ trafen drei mögliche Kanzlerkandidaten aufeinander. Es wurde eine harte, interessante Debatte.

  • Bei „Anne Will“ diskutierten am Sonntag gleich drei potenzielle Kandidaten für das Kanzleramt über die Frage: „Wie wollen wir in Zukunft leben?“
  • Friedrich Merz (CDU) provozierte bei dem ARD-Talk mit streitbaren Ansichten
  • Besonders beim Thema Gleichstellung von Frau und Mann regte sich Merz auf

Die Parteipolitik ist im Vergleich zu normalen Zeiten hinter der Corona-Pandemie verschwunden. Dabei wird sie bald wieder sehr relevant werden: Im kommenden Jahr ist Bundestagswahl, es geht darum, wer die Ära nach Angela Merkel mit welchen Bündnissen gestalten wird.

Anne Will wagte am Sonntagabend einen Ausblick darauf, indem sie eine kleine Runde potenzieller Kanzlerkandidaten aufeinandertreffen ließ. „Wie wollen wir in Zukunft leben?“ , lautete die große Leitfrage. Es diskutierten:

  • Grünen-Chefin Annalena Baerbock
  • Finanzminister Olaf Scholz (SPD)
  • Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz

Muntere Debatte bei Anne Will nach dem Motto „alle gegen Merz“

Es wurde eine muntere Debatte , die im Großen und Ganzen unter dem Motto „alle gegen Merz“ lief. Das lag an den kontroversen Positionen des CDU-Politikers. Bloß nur wenig neue Schulden machen, Unternehmen stärken, Steuern bloß nicht erhöhen, gendergerechte Sprache nicht so wichtig nehmen: Merz blieb dem Kurs treu, für den ihn viele in seiner Partei schätzen – und der ihm unter Progressiveren das Image eines unverbesserlichen Gestrigen eingebracht hat.

Auf der anderen Seite Olaf Scholz und Annalena Baerbock, die in Abstufungen für einen weitreichenden Wandel warben. Der SPD-Finanzminister eher behutsam, die Grünen-Chefin mit einer zumindest schärferen Rhetorik: „Es muss sich radikal etwas ändern“, forderte Baerbock. Und erneuerte die grüne Forderung nach einer Lockerung der Schuldenbremse , um die Wirtschaft in den kommenden Jahren ökologisch transformieren zu können.

Friedrich Merz (CDU), Olaf Scholz (SPD), Anne Will und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) debattierten am Sonntagabend über mögliche Zukunftspläne für die Bundesrepublik.
Friedrich Merz (CDU), Olaf Scholz (SPD), Anne Will und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) debattierten am Sonntagabend über mögliche Zukunftspläne für die Bundesrepublik. © NDR/Wolfgang Borrs | Wolfgang Borrs

Scholz nimmt Merz beim Thema Kurzarbeit auseinander

Wie sehr die politischen Welten bei diesem Treffen aufeinanderkrachten, wurde auch anhand von zwei konkreten Themen deutlich. Stichwort Kurzarbeitergeld : Das Instrument scheint für Merz zu viel staatliche Unterstützung zu sein. Zwar versuchte er, sich von einer früheren Äußerung zu distanzieren, wonach die Maßnahme die Menschen an „ein Leben ohne Arbeit“ gewöhne. Allerdings machte Merz auch klar, dass er das Instrument nicht gleich bis Ende 2021 verlängert hätte. „Ich hätte das quartalsweise entschieden“, befand er. Lesen Sie auch: CDU-Parteitag im Januar: Wer profitiert davon?

Dieser Ansatz wurde von Scholz auseinandergenommen. „Die halbe Welt kopiert das deutsche Kurzarbeitergeldmodell“, stellte der SPD-Finanzminister klar. Dass es nun noch länger weitergehe, liege daran, dass die Unternehmen Planungssicherheit bräuchten. Das klang so plausibel, dass Merz eigentlich nichts entgegenzusetzen hatte.

Friedrich Merz (CDU, links) machte beim Schlagabtausch zum Thema Kurzarbeit gegen Olaf Scholz (SPD) keine gute Figur.
Friedrich Merz (CDU, links) machte beim Schlagabtausch zum Thema Kurzarbeit gegen Olaf Scholz (SPD) keine gute Figur. © NDR/Wolfgang Borrs | Wolfgang Borrs

Eskalation beim Thema Gendergerechtigkeit

Überraschend brachte die Gastgeberin danach anhand des unlängst gescheiterten Gesetzentwurfs in weiblicher Form das Thema Gleichstellung von Frau und Mann auf den Plan. Als Anne Will an Scholz gewandt sagte, dass sich dieser ja als Feminist sehe, musste Merz schon lachen.

Doch es wurde noch bunter. Als Merz dann dran war, regte er sich merklich auf: Er sei in die Sendung gekommen, um über die Zukunft und die großen Herausforderungen zu sprechen. Stattdessen werde hier über „Gläubigerin und Gläubiger“ diskutiert, ärgerte er sich.

Für einen Moment konnte man seine Aufregung nachvollziehen. Tatsächlich ging es in der Runde jenseits von Wirtschaftsfragen kaum um die Zukunft, trotz des großen Titels der Sendung. Allerdings hatte Baerbock auch einen Punkt, als sie deutlich machte, dass Gendergerechtigkeit und die Sichtbarkeit von Minderheiten sehr wohl relevant sind: „Die Frage ist doch, sieht der Gesetzgeber alle Menschen im Land, diese Vielfalt?“, fragte die Grünen-Chefin. Das sei auch entscheidend, um in die Zukunft gehen zu können.

Zeigte erneut, dass er von der Diskussion um Gendergerechtigkeit nicht viel hält: CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz.
Zeigte erneut, dass er von der Diskussion um Gendergerechtigkeit nicht viel hält: CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz. © NDR/Wolfgang Borrs | Wolfgang Borrs

Das Fazit

Diese Ausgabe von „Anne Will“ gab einen Ausblick darauf, wie der Wahlkampf ablaufen könnte. Sollte Merz den CDU-Vorsitz und die Kandidatur der Union holen, würden wir wohl ein Remake von einem klassischen Links gegen Rechts mit all seinen Facetten erleben.

Das dürfte die Erzkonservativen im Land freuen – profitieren würden aber auch die Progressiven, die sich von einem wie Friedrich Merz wunderbar absetzen können. Wie gut das funktionieren kann, zeigte diese Talkshow: Annalena Baerbock und sogar Olaf Scholz liefen zur Höchstform auf.

• Sehen Sie die aktuelle Ausgabe vor „Anne Will“ in der ARD-Mediathek

So lief der letzte Talk bei „Anne Will“: Anne Will: Warum Donald Trump Joe Bidens Sieg einräumen sollte