Berlin. In dem Buch des “Spiegel“-Bestseller-Autors Lars Haider erfährt man mehr über den Moderator Markus Lanz und seine Kindheit in Südtirol.

Niemand im deutschen Fernsehen ist so verspottet und beschimpft worden wie Markus Lanz. Spätestens nach dem Ende von „Wetten, dass ..?“ schien der Moderator erledigt. „Einer wie er dürfte eigentlich nie eine Talkshow moderieren“, schrieb die Frankfurter Rundschau noch 2019.

Wenige Jahre später hat Markus Lanz aus seiner Talkshow eine der wichtigsten politischen Bühnen des Landes gemacht, ohne ihn wäre Karl Lauterbach wahrscheinlich nie Bundesgesundheitsminister geworden. Was ist da passiert? Wie wurden aus Lanz' viel kritisierten Schwächen („er fällt seinen Gesprächspartnern immer ins Wort“) viel gelobte Stärken („endlich fragt mal einer nach“)?

Lars Haider, Chefredakteur des
Lars Haider, Chefredakteur des "Hamburger Abendblatts" hat ein neues Buch geschrieben: "Das Phänomen Markus Lanz". © Axel Heimken/dpa

Was hat das alles mit den Demütigungen seiner Kindheit und seiner Bewunderung für Deutschland zu tun? Und wieso kommen so viele Politikerinnen und Politiker gern zu Lanz, obwohl sie dort viel härter rangenommen werden als in anderen Talkshows? „Spiegel“-Bestseller-Autor Lars Haider beschreibt in seinem neuen Buch, für das er mit 50 Menschen aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft sowie Weggefährten gesprochen hat, den Fall und Aufstieg von Markus Lanz. Ein Auszug:

„Warum ist Markus Lanz so giftig, hartnäckig, nachfragend? Ich glaube, er fragt nach seinem eigenen Leben. Er war ein Niemand. Durch Zufälle bekam er Jobs. Seine größte Niederlage war 'Wetten, dass..?'. All seine Niederlagen haben Markus Lanz zu dem besten Frager unserer Republik gemacht.“

Die Sätze stammen von dem gefürchteten „Bild“-Kolumnisten Franz Josef Wagner und sie haben den Mann, um den es geht, berührt, weil sie sein Leben in wenigen Worten auf den Punkt bringen. Man sieht es Markus Lanz heute nicht mehr an, man hat es ihm nie angesehen, dass er ein „Niemand“ war, wie Wagner schreibt, aber genau so war es.

Markus Lanz: Moderator schützt sein Privatleben

So sehr der Moderator sein heutiges Privatleben mit Ehefrau Angela und den zwei Töchtern unter Verschluss hält, so konsequent er seine Familie in der neuen Heimat Hamburg vor neugierigen Blicken abschirmt, so selbstverständlich erzählt er von seiner Kindheit und Jugend in Südtirol, insbesondere von den Monaten und Jahren nach dem Tod des Vaters, der starb, als Markus Lanz erst 14 war.

Vielleicht ist das seine Methode, sich vor einer Entblößung zu schützen, vor dem, was andere über ihn sagen könnten. Markus Lanz macht es lieber selbst und behält so die Kontrolle über das, was über sein Leben verbreitet wird. Das ist ihm wichtig, alles, was er erst als Kind und dann als junger Mann und Moderator erlebt hat, vor allem die hämischen und bösen Kommentare nach dem Aus von „Wetten, dass..?“, haben ihn empfindlich und misstrauisch werden lassen. Es gibt, außerhalb seiner Familie, wenige Menschen, denen er bedingungslos vertraut. „Das größte Privileg meines Lebens ist die Selbstbestimmtheit“, sagt Lanz.

ZDF-Moderator: Markus Lanz hat Existenzängste

Und wenn man so will, ist das Unglück seiner Kindheit das Fundament, auf dem das Glück gebaut wurde, das er heute genießen kann und genießt. Die Angst, dass all das wieder weg sein könnte, dass irgendwann einer um die Ecke kommt und den Südtiroler Bauernjungen enttarnt, der ernsthaft glaubt, er könne im deutschen Fernsehen die wichtigsten Politikerinnen und Politiker des Landes in die Enge treiben, diese Angst ist geblieben. Genauso wie die Existenzangst, auch wenn man sich das angesichts der Erfolge und des vielen, vielen Geldes, das Markus Lanz verdient hat, nicht vorstellen kann.

Wer nie dort gewesen ist, wo er gewesen ist, kann das nicht nachvollziehen. Das Gefühl von ultimativer Existenzangst sei grauenvoll, sagt Markus Lanz: „Ich habe es so unendlich gehasst, wirklich gehasst, in prekären Verhältnissen aufzuwachsen, in denen man von anderen abhängig war. Meine Mutter musste mich und meine Geschwister allein aufziehen, wir hatten nach dem Tod meines Vaters hohe Schulden und hätten schnell zum Sozialfall werden können, wenn uns sehr großzügige Menschen aus meiner Verwandtschaft nicht geholfen hätten. Das hat mich sehr geprägt und das ist bis heute auch etwas, was mich antreibt. Ich wollte da raus.“

Markus Lanz wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf

Markus Lanz und seine Geschwister hatten kein Geld, um sich „coole Klamotten“ zu kaufen, sie trugen die alte Kleidung von deutschen Touristen auf, fragten Reisende am Ende ihres Urlaubs in den Bergen, ob sie diese Hose oder jenes T-Shirt vielleicht entbehren könnten.

Das sei ein Scheißgefühl gewesen, sagt Lanz, und wenn man sich fragt, woher die Minderwertigkeitskomplexe kommen, die tief in ihm stecken, dann findet man genau hier eine Antwort. Er erzählt, wie er mit 13 Jahren Tellerwäscher in einem Lokal war („das war knallharte Kinderarbeit“) oder mit seinem Bruder in Hotels „bunte Abende“ gegeben hat.

Die beiden spielten Songs von den Pet Shop Boys bis zu den Flippers, um sich Geld zu verdienen. Dreimal in der Woche, Markus am Keyboard, sein Bruder sang. Wenn er auftrat, saßen im Publikum, damals wie heute, übrigens die Deutschen.

Lanz: Großes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Freiheit

„Sein persönliches Leben prägt Markus Lanz sehr“, sagt die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, häufig Gast in seiner Sendung. „Er weiß, was ein bescheidenes Leben bedeutet und was es bedeutet, da rausgekommen zu sein und es geschafft zu haben, das hat er total im Kopf.“

Der Wunsch von Lanz war früh, all das hinter sich zu lassen, nicht nur die Armut, auf die er natürlich „keinen Bock“ hatte, sondern vor allem das Gefühl, fremdbestimmt zu sein: „Ich hatte ein großes Ziel: Selbstbestimmung und damit Freiheit und Unabhängigkeit. Ich hasse es, mir von Leuten sagen lassen zu müssen, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich will die Freiheit haben zu entscheiden, was ich wann mache – dafür ist Geld gut.“ Und: „Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist das Beste, was du als Mensch erreichen kannst. Mehr geht nicht.“

Lanz: Großes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Freiheit
Lanz: Großes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Freiheit © dpa | Markus Hertrich

Der Weg dorthin war hart und das ist Markus Lanz auch. So wenig er den Gästen in seiner Talkshow, insbesondere Politikerinnen und Politikern, Schwächen durchgehen lässt, so wenig gesteht er sie sich selbst zu. Als er sich beim Skifahren im kurzen Urlaub zwischen den Jahren 2021/22 einen Kreuzbandriss zuzog und operiert werden musste, sollte das in der Öffentlichkeit niemand wissen.

Lanz macht seine Talkshow weiter, als wäre nichts geschehen, Bilder eines humpelnden Moderators und entsprechende Schlagzeilen gab es nicht, sie passen nicht zu seinem Selbstverständnis eines Mannes, der niemandem eine Schwäche verzeiht. Am wenigsten sich selbst. (fmg)

„Das Phänomen Markus Lanz. Auf jede Antwort eine Frage“, 320 Seiten, Klartext-Verlag, ist jetzt im Buchhandel erhältlich.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.