Erfurt. In Thüringen melden sich immer weniger Menschen für den Bundesfreiwilligendienst. Die Zahl nehme bereits seit einigen Jahren ab.

Derzeit gebe es etwa 1600 Bundesfreiwillige im Freistaat, sagte Peter Schloßmacher vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln. 2013 waren es noch rund 1000 Frauen und Männer mehr. Der Rückgang könnte mit dem Auslaufen von Angeboten im Bereich der Flüchtlingshilfe zusammenhängen. Dabei ist der Bedarf in Thüringen hoch.

"Die Lücken, die durch den Wegfall des Zivildiensts entstanden sind, konnte durch den Bundesfreiwilligendienst und das freiwillige soziale Jahr nicht ausgeglichen werden", sagte Dirk Gersdorf von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Thüringen. Im vergangenen Jahr beschäftigte die AWO nach eigenen Angaben 120 freiwillige Helfer, der Bedarf liege aber höher.

Bundesweit ging die Zahl der Bundesfreiwilligen von durchschnittlich 41.190 im Jahr 2018 auf rund 39.200 im vergangenen Jahr zurück. Die Freiwilligen unterstützen in Krankenhäusern und Altenheimen, aber auch bei Umweltschutz, Sport und Kultur.

"Wir spüren den Rückgang durchaus – und dieser Trend setzt sich leider fort", sagte Gersdorf. Einen zentralen Grund für die Abnahme sieht er vor allem in der Wirtschaftslage Thüringens: "Umso besser es am Arbeitsmarkt aussieht, umso weniger Interesse besteht offenbar an einem Freiwilligendienst."

Auch der Paritätische Thüringen beobachtet das. In den Vorjahren hätten vor allem Erwerbslose mit dem freiwilligen Dienst einen Wiedereinstieg ins Berufsleben gesucht, sagte die Sprecherin der Paritätischen Buntstiftung Thüringen, Isabel Schlote. Inzwischen engagierten sich eher Menschen, die nach einem langen Arbeitsleben eine "sinnhaftere" Tätigkeit suchten. Der Wohlfahrtsverband vermittelte im vergangenen Jahr 67 Bundesfreiwillige. Die Nachfrage sei aber deutlich größer.

Mehr ältere Menschen suchen sinnvolle Beschäftigung nach dem Berufsleben

Auf die Qualität der eigentlichen Pflege wirke sich die rückläufige Zahl der Bundesfreiwilligen aber nicht aus. Häufige Tätigkeiten der Freiwilligen im sozialen Bereich seien Dinge wie Vorlesen oder die Begleitung bei Spaziergängen, erklärte Schlote. "Also alles, was Zeit braucht." Die sei im eng getakteten Arbeitsalltag von Pflegepersonal oft knapp.

Angesichts der großen Nachfrage hoffen Experten auf eine Trendwende und werben mit den Vorteilen eines Freiwilligendienstes: "Neben den positiven Effekten von gesellschaftlichem Engagement können Freiwilligendienste auch eine wichtige Orientierungsphase für den weiteren Lebensweg sein", sagte Schloßmacher. Auch von Arbeitgebern werde der Dienst positiv gesehen; für viele ältere Menschen sei er eine sinnvolle Beschäftigung nach dem Berufsleben.

Der Bundesfreiwilligendienst war nach dem Aussetzen der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 auf den Zivildienst gefolgt. Seither haben sich mehr als 390.000 junge wie ältere Menschen für die Arbeit in sozialen und ökologischen Einrichtungen entschieden. Derzeit verrichten deutschlandweit rund 40.600 Männer und Frauen einen Bundesfreiwilligendienst. In der Regel liegt die Dienstzeit bei einem Jahr - eine Verlängerung auf 18 oder maximal 24 Monate ist möglich. Der größte Einsatzbereich ist der soziale Sektor. Abhängig von der Stundenanzahl wird den Freiwilligen ein Taschengeld gezahlt.