Berlin . Ein Bundesland nach dem anderen lockert die Corona-Auflagen, vor allem die 2G-Regel im Handel. Warum der “dänische Weg“ Schule macht.

Pandemie paradox: Die Inzidenzen steigen, erste Bundesländer lockern gleichwohl die Corona-Auflagen. Den Anfang machen Schleswig-Holstein, Sachsen und Hessen. An der Spitze der Bewegung: Markus Söder (CSU), Bayerns Ministerpräsident; seit Wochen mahnt er einen Kurswechsel an.

Ab Sonntag fällt die 2G-Regel im Einzelhandel in Sachsen, ab Mittwoch in Schleswig-Holstein, im Laufe der Woche auch in Hessen. Großteils sind die Länder in Zugzwang geraten, weil der Einzelhandel vielfach erfolgreich gegen die Regel geklagt hatte, etwa in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Die Länderchefs sind mehr Getriebene als Taktgeber.

Lockerungen der Corona-Regeln: Bundesländer preschen vor

Der Wegfall bedeutet, dass die Kunden nicht geimpft oder genesen sein müssen. In Sachsen genügt ein negativer Test, in Schleswig-Holstein nicht mal das. Es reicht, eine Maske zu tragen.

Regierungschef Daniel Günther (CDU) begründet die Lockerung nicht zuletzt damit, dass die Lage in den Krankenhäusern "beherrschbar" sei. Im hohen Norden kommt hinzu, dass im bebachbarten Dänemark alle Coronaregeln aufgehoben wurden. In Sachsen und in Schleswig-Holstein entfiel auch die Sperrstunde in der Gastronomie. Mecklenburg-Vorpommern hat alle Regeln für den Freizeit- und Kindersport sowie für Musikschulen gelockert.

Alle Länder haben gemeinsam beschlossen, mehr Zuschauer in Stadien und Hallen zuzulassen. Im Freien: maximal 50 Prozent, gedeckelt bei 10.000 Besuchern. Faktisch kaman sie den Gerichten zuvor, wo schon mehrere Klagen anhängig waren.

Söder plädiert dartüber hinaus dafür, die Testpflicht in Restaurants zu streichen. Eine ähnliche Forderung vertritt die FDP in Nordrhein-Westfalen. Alle blicklen auf den 16. Februar. Dann treffen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Bis dahin soll eine Exit-Strategie vorbereitet werden.

Die allgemeine Annahme ist, dass die Omikron-Welle Mitte Februar ihren Scheitelpunkt erreichen wird und die Zahl der Neuinfizierungen danach zurückgeht. Scholz wartet ab. Zu den Lockerungen sagte er, "die Lage ist nicht danach."

Bundeskanzler Scholz will nicht zu früh lockern

In der letzten Bund-Länder-Runde am 24. Januar hatten sich die Ministerpräsidenten und der Kanzler darauf verständigt, "Öffnungsperspektiven" zu entwickeln "für den Moment, zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann".

Scholz sieht den Zeitpunkt für Lockerungen angesichts hoher Infektionszahlen noch nicht gekommen. Der Sozialdemokrat sprach sich am Mittwochabend im ZDF dafür aus, die bestehenden Maßnahmen vorerst beizubehalten. Diese seien die Voraussetzung dafür, nach dem "Höhepunkt der Infektionen" über Lockerungsschritte zu beraten und zu entscheiden, sagte Scholz.

Drosten warnt vor Lockerungen

Im Prinzip ist allen klar, dass der 16. Februar das entscheidende Datum ist und die Lockerungen vorbetreitet werden müssen, also welche Maßnahmen in welcher Reihenfolge aufgehoben werden können, wenn die Gefahrenlage sich entspannt, wie Bundesjustizminister Marco Buschmann erläuterte. Die Politik müsse "raus aus dem Modus des Improvisierens" und "der spontanen Mitternachtsentscheidungen".

Der Virologe Christian Drosten hält es verfrüht, Entwarnung zu geben. "Es gibt eine Sache, die sich erstmal nicht verändert hat. Das ist die Impflücke in Deutschland. Da kommen wir nicht so richtig vorwärts“, sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité im Podcast "Coronavirus-Update" bei NDR-Info. Das ist auch der wesentliche Unteschied zu Dänemark.

Intensivmediziner warnen vor einer „Achterbahnfahrt“ der Infektionszahlen

Mit einem Rückgang der Infektionszahlen wird frühestens im Verlauf des Februars gerechnet. Angesichts des Omikron-Subtyps BA.2 hatte Lauterbach letzte Woche eine "Lockerungsperspektive" sogar erst für die zweite Februarhälfte oder Anfang März in Aussicht gestellt.

Intensivmediziner warnten bei vorschnellen Lockerungen vor einer „Achterbahnfahrt“ der Infektionszahlen: "Lockerungen der Corona-Maßnahmen, wie sie jetzt einige Bundesländer angekündigt haben, kommen zu früh", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, unserer Redaktion.

Die aktuellen Maßnahmen hätten dazu geführt, dass sich die Omikron-Welle in Deutschland langsamer und nicht so steil entwickle wie in anderen Ländern. Diesen Erfolg dürfe man nicht aufs Spiel setzen.

Es sei zwar vernünftig, vorausschauend über Lockerungsschritte zu diskutieren, so Marx. Konkrete Lockerungen dürften aber erst beschlossen werden, wenn der Höhepunkt der Omikron-Welle überschritten sei. "Bund und Länder sollten damit warten, bis die Infektionszahlen stabil über mehrere Tage zurückgehen. Es wäre fatal, wenn wir durch zu frühe Lockerungen in eine Achterbahnfahrt mit erneut steigenden Infektionszahlen gerieten", warnte er.