Berlin. Steht bald der Gesamtpreis für pfandpflichtige Flaschen auf dem Preisschild? Vor dem EuGH streiten Verbraucherschützer und Händler.

Wer sich schon immer darüber geärgert hat, beim Getränkekauf nicht ohne Kopfrechnen den endgültigen Preis auf dem Etikett erkennen zu können, darf Hoffnung schöpfen. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) könnte bald vorgeben, dass die Kosten fürs Flaschenpfand im angezeigten Preis eingerechnet werden. Eine Tendenz, wie das Urteil ausfallen könnte, ist laut Prozessbeteiligten noch nicht zu erkennen.

Erwartet wird ein Grundsatzurteil im Zuge des Rechtsstreits zwischen dem Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) und der Supermarkt-Kette Famila. Aufgabe des VSW ist es als Abmahnverein auf Geschäftspraktiken hinzuweisen, die dem fairen Wettbewerb schaden oder Verbraucherrechte gefährden.

Standpunkt der Verbraucherschutzorganisation ist, dass durch die separate Pfandauszeichnung auf Preisschildern die real zu zahlenden Kosten für ein Produkt verschleiert werden. Famila, das wie andere Händler abgemahnt wurde, hält sich dabei an gültiges Bundesrecht.

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Verhandelt wurde der Streitpunkt zunächst am Landgericht Kiel, das im Juli 2019 dem VSW Recht gab. Danach kassierte das Oberlandesgericht Schleswig die Entscheidung. Im August 2021 verwies der Bundesgerichtshof die Angelegenheit schließlich dem EuGH in Luxemburg vor. Im Kern geht es also um einen Konflikt zwischen EU-Recht und Bundesgesetzen.

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In zweieinhalb Stunden mündlicher Verhandlung blieb es am Mittwoch "offen, zu welcher Ansicht das Gericht kommt", wie Famila-Anwalt Nils-Christian Tamm der "Lebensmittel Zeitung" mitteilte. Weil der EuGH auf eine Historie verbraucherfreundlicher Urteile zurückblicken kann, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass beim Kauf pfandpflichtiger Getränkegebinden bald der Pfandpreis auf dem Etikett eingerechnet ist.

Im Zentrum des Rechtsstreits steht eine Klausel der Preisangabenverordnung. Diese regelt eindeutig, dass ein Pfand nicht in den Grundpreis einfließen darf, sondern auf dem Preisschild explizit separat ausgezeichnet werden muss. Famila und andere abgemahnte Handelsketten betreiben ihre Preispolitik also ausdrücklich im Geiste deutscher Gesetze. Wer in Supermärkten wie Rewe, Aldi, Lidl und Co. Getränke einkauft, sieht nach aktueller Gesetzeslage Produktpreis und Pfandgebühr separat auf dem Preisschild.

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Verbraucherschutz vs. Umweltschutz – Bricht EU-Recht deutsche Gesetze?

Herausfordern will der Verband Sozialer Wettbewerb die deutsche Preisangabenverordnung, die mit EU-Richtlinien zur Preisangabe in Konflikt stehen, und nicht die beklagten Händler. Für Kundinnen und Kunden soll nach Ansicht des Konsumentenschutzvereins auf einen Blick ersichtlich sein, wie viel Geld sie für ein Produkt an der Kasse bezahlen müssen. Dem entgegen stehen ökologische Erwägungen. Nicht die Produktkosten sollen demnach im Vordergrund stehen, sondern ob ein Gebinde im Sinne der Nachhaltigkeit mehrfach wiederverwendet werden kann.

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Bis sich erweist, in welche Richtung sich die Praxis mit den Pfandpreisen entwickelt, steht der Causa aber noch eine juristische Odyssee bevor: Am 12. Januar nächsten Jahres soll der Generalstaatsanwalt des EuGH seine Entscheidung verkünden. Anschließend können noch einige Monate ins Land ziehen, ehe der Gerichtshof eine Entscheidung fällt. Erst danach wandert der Fall wieder vor den Bundesgerichtshof, der abschließend urteilen muss, inwiefern die Entscheidung auf europäischer Ebene deutsches Recht beeinträchtig.

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