Berlin. Der Bundeswirtschaftsminister plant eine Verschärfung des Kartellrechts. Auch eine Zerschlagung der Ölkonzerne schließt er nicht aus.

Knapp zwei Wochen nach Einführung des Tankrabatts macht sich in Deutschland große Ernüchterung breit. Denn der Steuernachlass auf Diesel und Benzin, der zur Abmilderung von hohen Energiekosten und Inflationsfolgen eingeführt wurde, hat nicht dauerhaft zu niedrigeren Spritpreisen an der Zapfsäule geführt.

Als Hauptverantwortliche dafür gelten die Mineralölkonzerne. Ihnen wird vorgeworfen, die Preise künstlich hoch zu halten und den Steuerrabatt nicht an die Kunden an den Tankstellen weiterzureichen. Die Branche selbst verweist auf steigende Beschaffungskosten. Das fresse die Steuerentlastung quasi auf. Ohne den Tankrabatt würden die Preise noch höher liegen.

Der Ärger über die geringe Wirkung der Spritpreisbremse ist groß. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schaltete sich am Wochenende ein. „Ich verstehe den Unmut der Bürger, wenn sich viele einschränken müssen und manche Extragewinne einfahren“, sagte Steinmeier der „Bild am Sonntag“.

Tankrabatt: Steinmeier hat Verständnis für „den Unmut der Bürger“

„Den Ärger müssen wir ernst nehmen. So wichtig es ist, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern sagen, dass der Staat nicht jede Teuerung wird ausgleichen können, so wichtig ist es auch, dass wir dafür sorgen, dass nicht einige ungerechtfertigt Vorteile aus der Situation ziehen können“, sagte das Staatsoberhaupt. Die Frage nach dem richtigen Instrument müsse aber die Regierung beantworten.

Aus der Ampel-Koalition mehren sich inzwischen Rufe nach einem Einschreiten des Kartellamts. Die Aufsichtsbehörde ist dafür zuständig, wettbewerbswidrige Marktabsprachen zu verfolgen. Ob das im konkreten Fall des Tankrabatts der Fall ist, ist offen. Jedoch macht Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen nun einen Vorschlag, der ein Eingreifen der Kartellbehörde grundsätzlich erleichtern und notfalls auch eine Zerschlagung der Unternehmen ermöglichen würde.

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Unrechtmäßige Gewinne sollen zudem leichter abgeschöpft werden können, wie aus einem Positionspapier seines Ministeriums hervorgeht, über das am Sonntag zunächst der „Spiegel“ berichtet hatte. „Die ersten Datensätze des Bundeskartellamts zum Tankrabatt zeigen, dass die Abstände zwischen Rohöl- und Tankstellenpreisen seit Monatsbeginn stark gestiegen sind“, sagte Robert Habeck dem Magazin.

Habeck zum Tankrabatt: Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung

Offenkundig sei „das eingetreten, wovor viele Experten gewarnt hatten: Die Mineralölkonzerne streichen den Profit ein, die Verbraucherinnen und Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung“. Laut dem Ministeriumskonzept könne die für dieses Jahr angestrebte Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zwar „nicht kurzfristig in der aktuellen Situation wirken“.

Der Staat könne dadurch aber „zukünftig besser“ eingreifen. So soll es einfacher für das Kartellamt werden, Gewinne einzuziehen, die aus wettbewerbswidrigem Verhalten resultieren. In dem Papier wird betont, dass es sich „nicht um ein steuerrechtliches Instrument“ handele. Dies kann als implizite Absage an die sogenannte Übergewinnsteuer verstanden werden, die besonders von Grünen-Politikern gefordert wird.

FDP: Habeck in der Pflicht, dass Tankrabatt bei den Menschen ankommt

Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, warnte eindringlich vor einer solchen Zusatzsteuer. „Der Vorschlag einer Übergewinnsteuer ist populistisch und gefährlich“, sagte er unserer Redaktion. Niemand könne sauber definieren, wo die „normalen“ Gewinne aufhörten und die „Übergewinne“ anfingen.

„Keine Branche in Deutschland wäre vor willkürlichen Besteuerungsmaßnahmen mehr sicher.“ Djir-Sarai sieht Minister Habeck in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Tankrabatt bei den Menschen ankommt. Es sei Aufgabe des Wirtschaftsministers, über das Kartellamt sehr genau hinzuschauen, „wie die Mineralölkonzerne mit dem Tankrabatt umgehen“.

Zugleich läuft in der Ampel-Koalition eine Debatte über weitere Maßnahmen, um die Preis- und Energiekrise zu bewältigen. Wenn die Spritpreise so hoch blieben, seien neben einer Einschaltung des Kartellamts schärfere Maßnahmen nicht ausgeschlossen, sagte SPD-Chefin Saskia Esken.

SPD-Chefin Esken für Sonntagsfahrverbote und befristetes Tempolimit

Sie verwies auf das Energiesicherungsgesetz aus dem Jahr 1975, das damals als Reaktion auf die Ölkrise beschlossen und von der Ampel-Koalition im Mai novelliert wurde. Es erlaube der Regierung, „befristete Maßnahmen anzuordnen wie Sonntagsfahrverbote - die Älteren erinnern sich - oder ein befristetes Tempolimit“, sagte die Vorsitzende der SPD. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki wies Eskens Vorstöße prompt zurück.

Zwar teile er Eskens Auffassung, dass das Kartellamt bei den Benzinpreisen genau hinschauen müsse, sagte Kubicki unserer Redaktion, „sie überdreht aber, wenn sie weitergehende Maßnahmen, wie etwa Fahrverbote, ins Spiel bringt“.

Kubicki betonte: „Wer meint, einfach aus Gründen der politischen Opportunität in dieser ökonomisch schwierigen Phase weitere Beeinträchtigungen unserer Wirtschaftskraft in Kauf zu nehmen, sollte sich fragen, ob er noch die Interessen der Arbeitnehmer vertritt, die unter solchen Maßnahmen zu leiden hätten.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.