Berlin. Mehrere Staaten wollen Tiger-Bestand verdoppeln. Doch Wilderer sind den Raubkatzen auf den Versen – tote Tiere bringen ein Vermögen.

Die Ranger erwischten die Wilderer auf blutiger Tat. Es war Anfang Januar, fünf Männer schlichen durch den abgelegenen Khao-Laem-Nationalpark in Thailand, bei sich hatten sie die Kadaver zweier Tiger. Die Aufseher nahmen die Männer fest – und haben damit womöglich weitere Tötungen verhindert.

Wenig später veröffentlichten thailändische Behörden Bilder eines durch den Wald streifenden dreibeinigen Tigerweibchens, aufgenommen von einer Fotofalle. Wahrscheinlich wurde das Tier von Wilderern verletzt und konnte gerade so entkommen.

Es ist für Wilddiebe ein riskantes, aber lukratives Geschäft, in asiatischen Wäldern Tiger zu jagen. Ein totes Exemplar ist bis zu 20.000 Euro wert. Vor allem in China ist der Bedarf groß, denn Körperteile von Tigern gelten dort als medizinische Allheilmittel: Die Pfoten helfen angeblich gegen Arthritis, der Penis fördert die Potenz, die Zähne sind gut gegen Asthma.

Wilde Tiger vom Aussterben bedroht

Schätzungen der UN zufolge setzt der illegale Artenhandel jährlich bis zu 23 Milliarden Dollar um. Die Nachfrage steigt seit Jahren, frei lebende Tiger sind vielerorts vom Aussterben bedroht.

Kathrin Samson kämpft ums Überleben der Großkatzen. Die 42-Jährige ist Tiger-Expertin bei der Umweltschutzorganisation WWF, sie sagt: „Ich rate deutschen Touristen dringend davon ab, im Urlaub Tigerzoos in Thailand, Laos oder Vietnam zu besuchen.“ Denn die seien häufig in illegalen Wildtierhandel verstrickt: „Die Tigerbabys werden den Besuchern als Touristenattraktion präsentiert, aber sobald die Tiere älter sind, werden sie getötet und ihre Teile auf dem Schwarzmarkt verkauft.“

Begehrtes Tier: Wilderer verkaufen Tiger auf dem Schwarzmarkt für umgerechnet Zehntausende Euro.
Begehrtes Tier: Wilderer verkaufen Tiger auf dem Schwarzmarkt für umgerechnet Zehntausende Euro. © Istock / THEPALMER

Wie viele wilde Tiger es auf dem asiatischen Kontinent und einigen Inseln Südostasiens gibt, weiß niemand genau. 2009 wurden 3200 gezählt – obwohl Anfang des 20. Jahrhunderts noch rund 100.000 existierten. Jährlich verringert sich ihr natürlicher Lebensraum durch die Zerstörung der Wälder. Erst ein Gipfeltreffen in St. Petersburg mit Vertretern der 13 Länder, in denen noch Tiger leben oder vermutet werden, brachte im Jahr 2010 eine Wende. Auch interessant: Peta-Vorwurf – Affen in Thailand für Kokosmilch gequält?

Damals verpflichteten sich die Staaten, die Zahl der frei lebenden Tiger mittels Schutzmaßnahmen bis 2022 zu verdoppeln. Samson spricht von der „größten Rettungsaktion“ für Tiger überhaupt. Seitdem steigt der Bestand langsam an, jedoch nicht überall: „In Indien, Nepal und Russland haben sich die Populationen seit dem Tigergipfel 2010 erholt“, so Samson, dort sei der politische Wille groß. „Viet­nam, Kambodscha und Laos dagegen konnten in den letzten Jahren gar keine Tiger nachweisen.“

Qualvoller Tod in selbst gebauter Schlingfalle

Ob sich die Zahl mittlerweile wirklich auf mehr als 6000 Tiere verdoppelt hat, wird im September beim nächsten Tigergipfel in Wladiwostok verkündet. Einige Länder sind noch dabei, Daten etwa aus Kamerafallen auszuwerten.

Gehandelt werden nicht nur Wildtiere, sondern auch Exemplare aus den Beständen dubioser Züchter. Im Oktober 2019 beschlagnahmten Zöllner an der polnisch-belarussischen Grenze einen Lastwagen mit zehn ausgehungerten Tigern. Die Tiere sollten angeblich an einen Zoo in der Kaukasusrepublik Dagestan gehen. Der Zoo, stellte sich heraus, existiert gar nicht. Wahrscheinlich waren die Tiger für asiatische Suppentöpfe bestimmt.

In diesem Tigerzoo in Thailand darf gestreichelt werden.
In diesem Tigerzoo in Thailand darf gestreichelt werden. © EPA-EFE | ungroj Yongrit

Der WWF gibt sich skeptisch, ob die angestrebte Verdoppelung erreicht wird. Die Entwicklung sei zwar insgesamt positiv. Jedoch, sagt Kathrin Samson, habe eine Zählung jüngst ergeben: „Vor allem in Malaysia leben viel weniger Tiger als gedacht.“

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Im Grenzgebiet zu Thailand legten Wilderer häufig selbst gebaute Schlingfallen aus Draht im Wald aus. „Tritt ein Tiger hinein, zieht sich die Falle zu und das Tier verendet meist auf jämmerliche Art und Weise.“

Manchmal bissen sie sich sogar die eigene Pfote ab, um sich zu befreien – so wie der dreibeinige Tiger aus dem Khao-Laem-Nationalpark. Die Behörden wollen das Weibchen nun unbedingt einfangen und an einen sicheren Ort bringen. Bevor es von Wilderern gefunden wird.