Neustadt. Wer keine Raucherpausen macht, wird mit Urlaubstagen belohnt – diese Regelung eines Gastwirts aus der Pfalz sorgt für Diskussionen.

Die Wiege der deutschen Demokratie thront oben auf dem Hügel. Das Hambacher Schloss ist vor fast 190 Jahren in die Geschichte eingegangen, als dort 25.000 Festteilnehmer mehr Rechte einforderten. Unten im Tal, wenige Hundert Meter entfernt, hält Helmut Glas in seinem Landgasthof Jägerstübchen wenig von Mitbestimmung – der 44-Jährige ist ein Freund klarer Ansagen. Er hat eine Regel aufgestellt, über die in der Gastronomieszene engagiert diskutiert wird: „Nichtraucher bekommen von mir als Ausgleich für die Rauchpausen ihrer Kollegen fünf Tage mehr Urlaub.“

Der Gastwirt aus Neustadt in Rheinland-Pfalz hatte genug davon, dass die fünf Raucher unter seinen zwölf Mitarbeitern einen Teil ihres Arbeitstages vor der Tür verbrachten. „Wer die Rauchpausen nicht hochrechnet, glaubt nicht, wie viel Zeit da zusammenkommt“, stellt Glas klar. Früher sei es in der Belegschaft immer wieder zum Streit gekommen – nach dem Motto: „Der geht schon wieder eine paffen.“ Die Fluppen-oder-Freizeit-Regel sichert in seinen Augen den Betriebsfrieden. Von Gängelung könne keine Rede sein.

Das sehen jedoch längst nicht alle so. Glas berichtet von anonymen Beschimpfungen im Internet: „Da wird behauptet, ich würde Raucher diskriminieren oder sei ein Spinner, den man verklagen sollte.“ Tatsächlich trifft die kreative Maßnahme einen Nerv. Zigarettenpausen sind in vielen Betrieben ein Thema. „Wer nicht dauernd rausläuft, ist schlicht effektiver“, glaubt Glas.

Einer Studie der Universität Hamburg zufolge kosten die Rauchunterbrechungen deutsche Unternehmen im Jahr mehr als 28 Milliarden Euro. Auch Glas beteuert, dass es ihm um die Arbeitsleistung gehe, nicht darum, dass er eine empfindliche Nase habe: „Ich bin ein Gastrokind und mache das nicht, weil Rauch mich stört.“

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Helmut Glas, Inhaber des Landgasthofs „Jägerstübchen
Helmut Glas, Inhaber des Landgasthofs „Jägerstübchen" in Neustadt an der Weinstraße gibt seinen Angestellten extra Urlaubstage, wenn sie während der Arbeit nicht rauchen. © dpa | Uwe Anspach

Extra-Urlaub für angestellte Nichtraucher ist zulässig

Rechtlich steht der Wirt auf der sicheren Seite. Denn „anders als etwa der Gang zur Toilette stellt die Raucherpause keine zulässige Arbeitsunterbrechung dar“, sagt der DGB-Gewerkschaftsjurist Till Bender. Laut Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln, ist Mehrurlaub für Nichtraucher grundsätzlich zulässig. „Die rauchenden Mitarbeiter erhalten durch zusätzliche Pausen einen Freizeitvorteil, der bei den nicht rauchenden Mitarbeitern durch die Urlaubstage angeglichen wird.“

Allerdings dürfe die Unterscheidung nicht allein danach erfolgen, ob jemand rauche oder nicht, sondern ob er unbezahlte Raucherpausen in Anspruch nehme. „Wer nur während der offiziellen Pause raucht, müsste die Urlaubstage eigentlich auch erhalten“, betont Oberthür.

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Im Jägerstübchen, einem rustikalen Lokal mit traditioneller Pfälzer Küche, ist genau das eine Schwierigkeit: Wie soll Helmut Glas zuverlässig feststellen, wer den Mehrurlaub verdient – und wer nicht? Einen seiner Angestellten, der beteuert hatte aufzuhören, hat er neulich rauchend im Keller erwischt. Die fünf Extratage konnte sich der Mitarbeiter abschminken, wie Glas kommentiert: „Da war das Gentlemen’s Agreement natürlich erledigt.“ Trotzdem ist er froh, dass seine Mitarbeiter die Spezialregel mitmachen. „Die hätten mich ja auch zum Teufel jagen können.“