Berlin. Der Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider starb am Freitag. Er galt als einer der bekanntesten Medienschaffenden des Landes.

"Mega-Hit", "Super-Show" – unsere Zeit lebt von dieser Eigenart der Übertreibung. Eine Eigenart, die dem Sprachguru Wolf Schneider ein Graus war: Wolf Schneider, Journalistenausbilder und Moderator der NDR-Talkshow, zeigte sich bei allem, was nach Übertreibung roch, geradezu allergisch. Auch Adjektive waren im zuwider.

Nun ist der Verfechter einer, wie er es nannte, klaren Sprache, tot. Wolf Schneider, Autor von Klassikern wie "Deutsch für Profis" starb mit 97 Jahren in der Nacht zu Freitag am Starnberger See.

Schneider galt als der Professor des Sprachstils der Deutschen – und gehörte zu den Kritikern all derer, die die Sprache reformieren wollten. Im Herbst 2005 gründete er zusammen mit dem Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache (VDS), Walter Krämer, und Josef Kraus, dem damaligen Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, die Aktion "Lebendiges Deutsch". Sie sammelten Wörter, die überflüssige, hässliche oder nicht allgemein verständliche englische Wörter ersetzen sollten.

Schneider war gegen Gendern und die Nutzung von Anglizismen

Schneider war nicht nur ein strenger Richter gegen Modewörter, sprachliche Neu-Schöpfungen und Spielereien. Nein, er hatte außerdem ein, so sagte er, "kriegerisches Verhältnis" zur geschlechtergerechten Sprache, da sie zu einer "lächerlichen Verumständlichung" des Deutschen geführt habe. Was auch ein bisschen steif klang, aber sei es drum.

Es sei töricht, so Schneider, das natürliche mit dem grammatikalischen Geschlecht in Verbindung zu bringen. Immer wieder rechnete er – manche sagten "moralinsauer" – mit der "Genderei" ab. Gendern, wie auch Anglizimen – also das Verwenden englischer Begriffe – seien reine "Wichtigtuerei" von Leuten, die von Sprache keine Ahnung hätten, behauptete Schneider.

Und denen verpasste er immer wieder eine rhetorische Kopfnuss im Bastastil: Zwischen dem natürlichen und dem grammatischen Geschlecht bestehe nicht der geringste Zusammenhang, wetterte er gern. "Wie könnte es sonst das Weib heißen? Der Löwe, die Schlange, das Pferd. Obwohl sie alle dieselben zwei Geschlechter haben?" 2019 erschien Schneiders letztes Buch "Denkt endlich an die Enkel!", ein ökologisches Manifest.

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    Schneider brachte zahlreichen Medienschaffenden das Handwerk bei

    Wolf Schneider, gebürtig aus Erfurt, wuchs in Berlin auf. Seine journalistische Laufbahn startete er als Übersetzer bei der "Neuen Zeitung" der US-amerikanischen Militärregierung nach dem Zweiten Weltkrieg in München. Dort wurde er Redakteur – ohne Studium und ohne Volontariat.

    Von 1950 an war er sechs Jahre lang Korrespondent der Nachrichtenagentur AP, später Leiter der Nachrichtenredaktion und Washington-Korrespondent für die "Süddeutsche Zeitung". 1966 wechselte Schneider zum "Stern". 1973 wurde er Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt", damals Hamburg.

    Und dann begann seine Laufbahn als Journalistenerzieher: 1979 wurde Schneider zum Leiter der neu gegründeten Hamburger Journalistenschule, der späteren legendären Henri-Nannen-Schule. Tausenden Journalisten und Journalistinnen aus Deutschland brachte er das Handwerk bei. Er wurde verehrt, aber auch gefürchtet.

    Im Interview mit dem "Spiegel" sagte Schneider einmal, als man ihn darauf hinwies, dass er auch schon mal "Gequirlte Scheiße" neben einen Übungstext angemerkt hatte: "Ich habe stets mit großem Engagement korrigiert. Wenn ich merkte, dass jemand gegen etwas verstößt, das ich schon fünfmal gepredigt hatte, dann habe ich mich zu einem übertriebenen Wort hinreißen lassen. Scheiße war übertrieben." Er sprach vielen Lesenden der alten Schule damit aus dem Herzen.

    Einem größeren Publikum wurde Schneider im Fernsehen bekannt

    Schneider war nicht nur Lehrer, sondern auch ein Fernsehstar. Einem Millionenpublikum wurde Schneider als Moderator der "NDR Talk Show" bekannt: Von 1979 bis 1987 und von 1991 bis 1992 war er einer der Moderatoren der "NDR Talk Show".

    Die ersten 15 Jahre der "NDR Talk Show" moderierte noch ein vor allem später gefeiertes Trio: Dagobert Lindlau, Wolf Schneider und Hermann Schreiber. Sie starteten damals sehr hipp in der linken Musikkneipe "Onkel Pö" in Hamburg-Eppendorf, allerdings nur vier Sendungen lang. Dann zogen sie ins Studio.

    Der Journalist Wolf Schneider 1985 in der
    Der Journalist Wolf Schneider 1985 in der "NDR Talk Show" © IMAGO / teutopress

    Die "Talk Show" war das Flaggschiff des NDR – und ist es auch danach geblieben. Jetzt mit dem beliebten Moderations-Duo Barbara Schöneberger und Hubertus Meyer-Burckhardt, die gemeinsam durch die Sendung führen. Dazu Bettina Tietjen und Johannes Wimmer als zweites Moderatorenpaar.

    Schneider hat drei Kinder, davon zwei mit seiner Ehefrau Elisabeth Charlotte: die Journalistin Susanne Schneider und den im Oktober 2022 bei einem Unfall verstorbenen Juristen und Rätselautoren Curt Schneider. (mit afp)

    Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.