Martin Gehlen zur Eskalation im Nahen Osten.

Als wäre der Nahe Osten nicht schon aufgewühlt genug. An den Kriegsschauplätzen Libyen, Syrien und Jemen wird weiter erbittert gekämpft. Hunderttausende Menschen sind bereits gestorben, Abermillionen auf der Flucht.

In dieses regionale Desaster hinein droht nun die nächste große Konfrontation – diesmal zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran.

Mit der einseitigen Annullierung des Atomvertrags fachte US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 den Konflikt wieder an. Jetzt, mit dem von ihm autorisierten Drohnenattentat auf Ghassem Soleimani, einen der mächtigsten Männer der Islamischen Republik, ist er nun vollends entflammt. Teheran wird diese einzigartige Provokation nicht stillschweigend hinnehmen. Die Rache wird nicht lange auf sich warten lassen.

Zusammen mit ihren regionalen Waffenbrüdern werden sich Irans Revolutionäre Garden auf eine langfristige Strategie blutiger Nadelstiche verlegen – neue Zwischenfälle in der Straße von Hormus, durch die ein Drittel der weltweiten Öltransporte laufen, weitere Sabotage-Angriffe auf Ölanlagen am Golf oder Terroraktionen gegen amerikanische Einrichtungen in aller Welt.

Noch vor wenigen Tagen hatte Donald Trump beteuert, er wolle keinen Krieg mit dem Iran. Gleichzeitig jedoch tut der US-Präsident alles, um genau diesen Waffengang auszulösen. Denn Ghassem Soleimani war nicht irgendein von seinen Leuten verehrter Vorzeigesoldat. Er war Irans Chefstratege für die neue pan-schiitische Machtachse quer durch die arabische Kernregion.

Im Nahen Osten wird der vom Weißen Haus befohlene Raketentod dieser militärischen Schlüsselfigur noch sehr lange nachhallen – länger als die Kommandoaktionen im Jahr 2011 gegen Osama bin Laden und 2019 gegen A­bu Bakr al-Bagh­dadi.