Martin Debes zur Kandidatin für den Landtagsvorsitz.

Der November 1989. Die Mauer ist gefallen, doch die SED-Führung kämpft noch um ihre Macht, mit „Dialog“, „Erneuerung“ und wie die schönen neuen Begriffe alle heißen. Auch „Wende“ ist einer davon.

Birgit Keller arbeitet in der SED-Kreisleitung in Nordhausen, wo sie 1988 anfing. Davor hatte sie mehrere Jahre in der FDJ-Kreisleitung in Sangerhausen zugebracht.

Ganz verloren hat ihre Partei zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Bürgerbewegungen wirken gespalten in Leute, die verhandeln wollen und andere, die den bedingungslosen Machtverzicht der SED einfordern.

Am 26. November 1989 erscheint der Aufruf „Für unser Land“, vorgestellt von Stefan Heym. Die DDR, hieß es, müsse erhalten werden – als „sozialistische Alternative zur Bundesrepublik“. Sonst drohe „ein Ausverkauf unserer materiellen und moralischen Werte“. Auch die SED-Spitze schließt sich an.

Genau 30 Jahre später, am 26. November 2019, soll die frühere SED-Funktionärin Birgit Keller den protokollarisch höchsten Posten im Land bekommen. Die Linke, in der – egal, ob nun historisch, formal oder politisch betrachtet – immer noch die DNA der SED steckt, will sie für das Amt der Landtagspräsidentin nominieren.

Es ist eine Zäsur, wie sie ausgerechnet im kleinen Thüringen des Öfteren vorkommt. Nachdem vor fünf Jahren der linke, aber westdeutsch sozialisierte Ex-Gewerkschafter Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, ist nun auch der Marsch der alten DDR-Genossen durch die hiesigen Institutionen abgeschlossen.

Ist das ein Skandal? Nein. Es hat sich bislang niemand gemeldet, der durch Birgit Keller geschädigt wurde. Sie hat alle Stasi-Überprüfungen ohne Makel absolviert, sie war Abgeordnete, Landrätin, Ministerin. Sie ist, so wie inzwischen der allergrößte Teil ihrer Partei, in der Demokratie angekommen.

Auch dies darf im 30. Jahr des Mauerfalls zur Kenntnis genommen werden, zumal in Hinsicht auf das, was dem Land bevorsteht.

Linke-Ministerin Keller als Thüringer Landtagspräsidentin nominiert