Berlin. Das 49-Euro-Ticket soll kommen. Doch was ist mit Hartz-IV-Empfängern? Im Regelsatz ist gar nicht so viel Geld für den ÖPNV vorgesehen.

  • Ab Mai soll es in Deutschland ein 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr geben
  • Viele Menschen dürften sich über das günstige Angebot freuen – doch für Bürgergeld-Empfänger ist es zu teuer
  • Werden die Kosten eventuell vom Jobcenter übernommen?

Nach dem Erfolg des 9-Euro-Tickets haben sich Bund und Länder auf das 49-Euro-Ticket geeinigt. "Papierlos, deutschlandweit und monatlich kündbar", so lauten die Konditionen des neuen Umwelt-Tickets laut Bundesregierung.

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Das Deutschlandticket "hat das Zeug, die Geschichte des öffentlichen Personen-Nahverkehrs neu zu schreiben", sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) während der Beschlussdebatte im Deutschen Bundestag. Beschlossen ist die Einführung zum 1. Mai 2023. Der Verkauf beginnt bereits Anfang April. Nach zwei Jahren soll geprüft werden, ob sich das Umwelt-Ticket bewähren konnte.

Das 49-Euro-Ticket soll die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs attraktiver machen und möglichst viele Fahrgäste anziehen. Doch bei der Kalkulation des Preises und der Organisation hat die Bundesregierung bisher für bestimmte Personen Fragen offen gelassen.

Bürgergeld deckt das 49-Euro-Ticket nicht ab

49 Euro klingt nach einem günstigen Preis im Vergleich zu den regulären Angeboten, die sich meist nur auf ein Bundesland oder einen Verkehrsverbund und nicht ganz Deutschland beschränken. Doch für Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV und dem geplanten Bürgergeld ist das Klima-Ticket nur schwer bezahlbar. Der aktuelle Hartz-IV-Regelsatz sieht für einen alleinstehenden Erwachsenen, der öffentliche Verkehrsmittel benutzen möchte, nur 40,27 Euro im Monat vor. Die Differenz müsste an anderer Stelle eingespart werden.

Das 49-Euro-Ticket ist also rund 22 Prozent teurer, als der Regelbedarf hergibt. Ebenso schwierig sieht es zukünftig für Bürgergeld-Empfänger aus. Sie sollen vom Jobcenter 45,02 Euro im Monat für die Nutzung des ÖPNV erhalten. Die restlichen 3,98 Euro (knapp neun Prozent) müssten an anderer Stelle kompensiert werden. Mit den aktuell steigenden Energie- und Lebensmittelkosten ist Sparen jedoch eine Herausforderung.

29-Euro-Ticket kostet den Staat nicht mehr als 49-Euro-Ticket

Einige Bundesländer wollen das Ticket deshalb für junge Leute oder Bedürftige günstiger machen, andere bieten landesweit gültige Sozialtickets an, und ein Teil belässt es bei den Ermäßigungen, die Kommunen oder Verkehrsverbünde ohnehin für bestimmte Gruppen vorsehen.

Derzeit können Berlinerinnen und Berliner monatlich noch für 29 Euro mit dem ÖPNV im Tarif-Bereich AB der Hauptstadt fahren. Bis 31. Dezember gilt das Angebot, dann werden die Kosten mit dem neuen Ticket auf 49 Euro erhöht.

Im Saarland und in Bayern soll das Deutschlandticket für junge Leute 30,40 Euro beziehungsweise 29 Euro kosten. Thüringen will es jungen Menschen mit Ausbildungs- und Wohnort im Freistaat für 28 Euro anbieten, hat aber noch keinen Beschluss gefasst. Die Kosten für Vergünstigungen beim 49-Euro-Ticket müssen die Länder allein tragen. Niedersachsen will ein 29-Euro-Ticket für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Freiwilligendienstleistende anbieten. Auch in Nordrhein-Westfalen und im Rheinland-Pfalz prüfen die Landesregierungen derzeit, ob sie verbilligte Versionen des Tickets anbieten können. Sachsen lehnt solche Vorhaben ab. Eine Finanzierung allein aus dem Landeshaushalt sei nicht möglich. Mecklenburg-Vorpommern wünscht sich ein vergünstigtes Deutschland-Ticket für Senioren.

Umwelt- und Sozialverbände fordern bundesweites Sozialticket

Eine Verlängerung und bundesweite Ausweitung des 29-Euro-Tickets wäre für den Verbraucher auch günstiger und für den Staat nicht teurer als das 49-Euro-Ticket. Zu diesem Ergebnis ist zumindest Greenpeace in einer Kalkulation zum Klimaticket mit dem Titel "Billig ist besser" gekommen.

"Ein Klimaticket für 29 Euro würde von etwa doppelt so vielen Menschen gekauft werden, wie eines für 49 Euro. Über fünf Befragungen hinweg liegt die durchschnittliche Kaufbereitschaft für das günstigere Ticket um 104 Prozent höher", so die Umweltorganisation. Aufgrund der deutlich höheren Kaufbereitschaft für ein 29-Euro-Ticket fielen laut Greenpeace für den Staat maximal die gleichen Kosten wie für ein 49-Euro-Ticket an.

In Deutschland soll im Nahverkehr das sogenannte 49-Euro-Ticket eingeführt werden.
In Deutschland soll im Nahverkehr das sogenannte 49-Euro-Ticket eingeführt werden. © Sebastian Kahnert/dpa

Kritik: 49-Euro-Ticket sei ein Klima-, aber kein Sozialticket

Das jetzt beschlossene bundesweite Anschlussticket sei für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger in Deutschland nicht bezahlbar und somit "keine Alternative für arme Menschen", sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, und fügte hinzu: "Das 49-Euro-Ticket leistet einen Beitrag zur Mobilitätswende, aber nicht zur sozialen Teilhabe."

Der Sozialverband VdK kritisierte zudem, dass das neue Ticket nur digital erhältlich sei. "Da hilft es auch nichts, dass es laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing barrierefrei sein soll. Alle, die kein Smartphone besitzen, werden es nicht nutzen können", sagte Bentele. Dazu zählen Menschen mit Behinderung, Seniorinnen und Senioren sowie Menschen, die sich kein Smartphone leisten können. "Sie werden ausgeschlossen", so die Präsidentin.

Hartz-IV- und Bürgergeld-Empfänger können Sozialticket ihrer Stadt nutzen

Ganz ohne Fahrschein werden die meisten Bürgergeld-Empfänger aber nicht bleiben. Sie können häufig mit einem Sozialticket vergünstigt in ihrer Stadt den öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Reisen außerhalb der Stadt oder des Bundeslands sind mit einem Sozialticket aber nicht möglich.

Das Deutschlandticket wird anders als Sozialtickets von Bund und Ländern gemeinsam finanziert. Der Bund zahlt den Ländern von 2023 bis 2025 jährlich 1,5 Milliarden Euro, um die Hälfte der Einnahmeverluste bei den Verkehrsunternehmen auszugleichen. Die andere Hälfte tragen die Länder. Im Einführungsjahr teilen sich Bund und Länder darüber hinaus mögliche Mehrkosten. 2025 soll über die Finanzierung neu entschieden werden. (mit dpa/epd)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.