Berlin. Zehn Jahre nach ihrer Gründung ist die AfD weit nach rechts gedriftet. Sie wird erfolgreicher – hat inhaltlich aber wenig anzubieten.

Es ist zehn Jahre her, dass sich 18 Männer im Gemeindesaal der Christuskirche im beschaulichen hessischen Oberursel trafen, um eine neue Partei zu gründen. Unter ihnen langjährige CDU-Mitglieder, ein Wirtschaftsprofessor mit Hang zu bunten Strickpullovern, konservative Journalisten und ehemalige Spitzenmanager, die viel Geld und noch mehr Zeit hatten. Heraus kam die sogenannte „Alternative für Deutschland“. „Alternativ“ deshalb, weil man die Rettung des Euro – anders als Angela Merkel – nicht als „alternativlos“ hinnehmen wollte.

Den ungeliebten Euro gibt es immer noch und die Gründungsväter haben sich längst angewidert abgewendet von den Nachfolgern, aber ihr Geschöpf hat überlebt und sich radikal verändert. Die Partei von heute ist deutlich rechts bis rechtsextrem. Führende Köpfe heißen Höcke und Weidel und sie kämpfen nicht mehr gegen den Euro, sondern gegen „Überfremdung“ und Maskenzwang.

Umgang mit der AfD: Der Wackelkurs der Union hat nicht geholfen

Ihre Argumente sind ziemlich schlecht, aber sie treffen den Bauch vieler Menschen ziemlich gut. Die Partei hat Erfolg. Ihre Fraktion im Bundestag ist fast doppelt so groß wie die Linke, in Sachsen holte sie 2019 über 27 Prozent der Stimmen. Wer alle diese Wählerinnen und Wähler pauschal zu Rechtsextremen oder gar Nazis erklären will, macht es sich nicht nur zu einfach, sondern liegt voll daneben. Lässt man einen kleinen Kern echter rechtsextremer Wähler beiseite, bleiben genug, die man mit demokratischen Mitteln und einem guten politischen Angebot zurückholen kann.

Wer AfD wählt, findet dieses Angebot aber nicht in anderen Parteien. Das ist die große Herausforderung, an der die Konkurrenz bislang gescheitert ist. Auch der Wackelkurs der Union – erst anbiedern, dann total ausgrenzen – hat wenig geholfen, Wähler zurückzugewinnen. Vielleicht war es auch ein Fehler, so sehen es zumindest heute die Gründungsväter, die AfD in ihrer frühen Phase nicht ernst zu nehmen. Oder ihr nicht die Chance zu geben, in regionalen Koalitionen zu beweisen, dass sie politisch gestalten kann. Heute ist dieser Zug längst abgefahren.

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Die AfD bindet Enttäuschte, Unzufriedene, Wütende – agiert aber ideenlos

Obwohl ihr Ruf immer schlechter wurde, hat es die AfD geschafft, immer mehr Enttäuschte, Unzufriedene oder Wütende an sich zu binden. Aber die Partei belohnt diese Zuwendung nicht. Die sogenannte „Alternative für Deutschland“ hat nämlich gar keine Alternativen anzubieten. Es ist frappierend, wie ideenlos die AfD politisch agiert und wie wenig sie inhaltlich zu den Problemen beizusteuern hat, deren Lösung sie lautstark reklamiert. Keine Partei verspricht ihren Wählern so viel und liefert so wenig.

Jörg Quoos, Chefredakteur der Zentralredaktion.
Jörg Quoos, Chefredakteur der Zentralredaktion. © Dirk Bruniecki

Wer die AfD wählt, muss mittlerweile wissen, dass er eine Partei unterstützt, die seit Jahren konsequent nach rechts driftet. Sogar der Verfassungsschutz musste aktiv werden. War Parteigründer Lucke noch tief im demokratischen Spektrum, kann man das von einigen AfD-Spitzenpolitikern nicht behaupten. Nur die Lust auf Protest gegen „die da oben“ sollte daher für niemanden mehr Grund sein, die heutige AfD zu wählen.

Und an die Adresse der etablierten Parteien möchte man raten: Belasst es nicht beim Wehklagen über die Stärke der AfD. Davon wird nichts besser und davon verschwindet die Partei auch nicht. Alle Politiker oder Politikerinnen, die sich über die Existenz der AfD echauffieren, sollten sich besser fragen, was sie in den vergangenen Jahren falsch gemacht haben und ob sie wirklich alle Themen auf dem Radar hatten, die den Bürgerinnen und Bürgern so dringend auf den Nägeln brennen.