Berlin. Im Heizungs-Krach in der Ampel-Koalition zeichnet sich keine Lösung ab. Wirtschaftsminister Habeck schaltet jetzt in den Angriffsmodus.

Wenn es in den vergangenen Monaten knackte und knirschte innerhalb der Ampel-Koalition, was so selten nicht vorkam, dann reagierten die Grünen lange Zeit bewusst sanft. Angesichts der schlechten bis katastrophalen Landtagswahl-Ergebnisse vor allem der Liberalen bissen sich Parteispitze und Kabinettsmitglieder ein ums andere Mal auf die Zunge, ließen Provokationen verstreichen. Öffentlicher Streit, so das interne Verständnis, schade am Ende allen und vor allem dem Erfolg der Koalition.

Doch mit diesem Kurs ist es nun offenkundig erst einmal vorbei. Schon bei der Eröffnung der grünen Fraktionsklausur in Weimar am Dienstagnachmittag hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck seinem Frust über die aktuelle Lage der Koalition nicht verborgen. „Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt“, sagte er da.

Habeck beklagt Sabotage vom Koalitionspartner

Noch am selben Abend legte er in den ARD-Tagesthemen nach: Die Koalition komme ihrem Auftrag, für die Menschen etwas zu leisten, im Moment „nicht ausreichend genug nach“, sagte Habeck. Vor allem eine Sache ärgert den Minister erkennbar: Dass der Gesetzentwurf für eine Novelle des Gebäude-Energiegesetzes in der Öffentlichkeit landete, lang bevor er es hätte tun sollen.

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Der Entwurf sei „bewusst geleakt worden, um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden“, schimpfte der Vize-Kanzler. Gespräche innerhalb der Koalition seien damit „wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen“. Der implizite Vorwurf: Sabotage, und das von den eigenen Partnern.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schoss im „Spiegel“ zurück: Er könne nicht erkennen, dass die Grünen den Fortschritt beschleunigen, „sie blockieren ihn an vielen Stellen“. Vor dem Koalitionsausschuss am Sonntagabend, bei dem eigentlich wieder Bewegung in die ins Stocken geratene Koalitionsarbeit kommen soll, streitet die Koalition damit auf offener Bühne.

Habecks Pläne für eine Wärmewende sind der größte Krach unter den zahlreichen Unstimmigkeiten, die es innerhalb der Koalition im Moment gibt. Nach entsprechenden Beschlüssen erst im Koalitionsvertrag und dann im Rahmen eines Entlastungspakets im vergangenen Frühjahr hatte das Wirtschaftsministerium einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, nachdem neu eingebaute Heizungen ab 2024 zu mindestens 65 Prozent erneuerbar betrieben werden sollen – jenseits von Ausnahmeregelungen faktisch ein Verbot neuer Gas- und Ölheizungen.

SPD fordert einen „anderen Arbeitsmodus“

Die Pläne des Grünen waren nicht nur bei Opposition und Verbänden, sondern auch bei den eigenen Koalitionspartnern auf heftigen Widerstand gestoßen. Die FDP sprach von einer „Verschrottungsorgie“, SPD-Ministerpräsidenten kritisierten das Vorhaben als unrealistisch.

Dabei versuchen gerade die Sozialdemokraten eigentlich sich mit öffentlichen Mahnungen an die beiden Koalitionspartner zurückzuhalten. Prallen Grüne und FDP öffentlich aufeinander, geben die Sozialdemokraten sich oft fast mütterlich. In Gesprächen wird Verständnis für FDP und Grüne geäußert, schließlich verliert der eine Partner bei Landtagswahlen, der andere in Umfragen. Vor wenigen Tagen lagen die Grünen in einer Erhebung von Insa sogar knapp hinter der AfD.

Doch der nun öffentlich ausgebrochene Missmut der Grünen über die Koalition sorgt aber auch in der SPD für Verwunderung und auch Verärgerung. Es helfe schließlich gar nichts, sich öffentlich zu kritisieren, heißt es bei der SPD. Parteichef Lars Klingbeil meldet sich am Mittwoch nach Habecks Ausbruch in den Abendnachrichten sogar von einer Reise aus der Türkei zu Wort. Die Koalition müsse in einen „anderen Arbeitsmodus“ kommen, um ihre Ziele zu erreichen, mahnt Klingbeil. „Der öffentliche Streit der letzten Tage, das gegenseitige Vorhalten, das ist nicht das, was wir gerade brauchen, um das Land voranzubringen.“ Das gelte für alle drei Regierungsparteien.

Heizungspläne: Lösung doch einfach zu erreichen?

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert räumte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio ein, dass Habeck unter Druck stehe. „Aber ich glaube, man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert“.

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In Berlin ist nun aus der SPD zu hören, dass die Lösung im Streit um den Austausch alter Öl- und Gasheizungen einfacher zu erreichen sei als es das öffentliche Bild der Koalition vermuten lasse. SPD-Generalsekretär Kühnert verspricht: „Die SPD wird im weiteren Verfahren sicherstellen, dass keine lebensfremden und unsozialen Regelungen entstehen.“

Man werde die Reform der „konsequent an den Leitplanken ausrichten, die uns die Wirklichkeit vorgibt“, sagte er dieser Redaktion. Dazu würden die Anzahl klimafreundlicher gebäudetechnischer Anlagen gehören, die ab 2024 überhaupt bereitstehen, und auch der Engpass bei den Arbeitskräften, die Heizungsanlagen egal welcher Art installieren könnten. Es sei außerdem „unstrittig“, dass es ausreichende Übergangs- und Härtefallregelungen geben müsse und Förderung, die die jeweilige soziale Lage angepasst ist.

Heizungsverbot: Förderung soll kommen

Über Übergangsfristen, Härtefallregelungen und ähnliches, die über die aktuellen Vorschläge hinaus gehen, könne man reden, das signalisierte in den vergangenen Tagen auch Habeck. Und auch eine Förderung, die sich in der Höhe am Einkommen der Betroffenen orientiert, soll kommen, auch wenn die Details noch unklar sind. Auf der Sachebene scheint eine Lösung also machbar.

Doch der Frust der Grünen geht längst tiefer – und richtet sich auch gegen die SPD. Immer wieder war in Weimar in Gesprächen mit grünen Abgeordneten zu hören, dass es in einer solchen Konstellation mit vielen Konflikten auch Aufgabe des Kanzlers sei, Entscheidungen zu treffen und den Streit nicht endlos weiterlaufen zu lassen. Dabei geht es nicht nur um die Heizungen.

Vor Kameras sagten das schließlich die beiden Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann am Mittwoch: Es sei „dringend geboten, dass Olaf Scholz für uns dort Klarheit schafft“, sagte Haßelmann im Hinblick auf den Streit um ein Verbrenner-Aus auf europäischer Ebene. Und Dröge erklärte, die Bundesregierung sei nicht nur durch Koalitionsvertrag gebunden, sondern auch durch das Klimaschutzgesetz, dass im Übrigen CDU und SPD beschlossen hätten, „und da hat ein Bundeskanzler dann auch die Verantwortung dafür zu sorgen, dass wir Gesetze in Deutschland auch einhalten“. Der allerdings schweigt öffentlich beharrlich.

Heizungen, Verbrenner-Aus, das riesige Knäuel aus aneinanderhängenden Streitpunkten zu Klimaschutz und Verkehr, und den Streit um den Haushalt gibt es auch noch: Die Liste der Themen, die es zu lösen gibt in der Koalition, ist vor dem Treffen am Sonntag lang – und die Gräben scheinen tief.