Berlin/Brüssel. Annalena Baerbock setzt als Außenministerin auf Europa. Die Grünen-Chefin will aber auch klare Kante gegen Russland und China zeigen.

Ende Juni wurde Annalena Baerbock gefragt, wohin sie ihre erste Auslandsreise als Bundeskanzlerin machen würde. Die Grünen-Chefin antwortete auf einer Debatte der Münchner Sicherheitskonferenz wie aus der Pistole geschossen: „Nach Brüssel.“

Deutsche Außenpolitik müsse „immer“ eine europäische sein. Es brauche eine „europäische Antwort“ auf „America is back“. Der Kanzler-Job hat nicht geklappt. Demnächst leitet die 40-Jährige aber das Außenministerium. Ihr politischer Schwerpunkt bleibt Europa.

Annalena Baerbock: Europa ist ihr ein Herzensanliegen

Es ist ihr ein Herzensanliegen. Im zurückliegenden Bundestagswahlkampf erzählte die damalige Kanzlerkandidatin gern die Geschichte vom polnischen EU-Beitritt am 1. Mai 2004, den sie um Mitternacht auf der Oderbrücke in Frankfurt/Oder erlebte. Dort feierte der damalige Außenminister Joschka Fischer mit seinem polnischen Amtskollegen. „Da blieb kein Auge trocken. Solche Momente prägen“, sagte sie.

Außenpolitische Regierungserfahrung bringt Baerbock nicht mit. Aber sie kann einige internationale Stationen aufweisen. Nach ihrem Diplomabschluss der Politikwissenschaft in Hamburg 2004 wechselte sie an die renommierte London School of Economics. Dort graduierte sie 2005 mit einem Master in „Public International Law“, also Völkerrecht.

Lächelnd und mit klarer Kante: die künftige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Lächelnd und mit klarer Kante: die künftige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). © Reto Klar | Reto Klar

Der Ehemann kümmert sich um die beiden Kinder

Von 2005 bis 2008 war sie als Mitarbeiterin der Grünen-Europaabgeordneten Elisabeth Schroeder tätig, erst im Potsdamer Wahlkreisbüro und später im Brüsseler Parlamentsbüro. Als Schülerin absolvierte sie ein Austauschjahr im US-Bundesstaat Florida.

In ihrer Wahlheimat Potsdam wird die designierte deutsche Chef-Diplomatin künftig seltener anzutreffen sein. Um die Erziehung der beiden gemeinsamen Töchter – 9 und 15 Jahre alt – kümmert sich Ehemann Daniel Holefleisch, ein ehemaliger Lobbyist der Deutschen Post DHL Group.

Baerbock legt sich auch mit Wladimir Putin an

Furcht vor Fürstenthronen ist der ehemaligen Trampolinturnerin fremd. Auch mit den hartgesottenen Autokraten dieser Welt will sie Tacheles reden. Zum Beispiel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dessen Pipeline-Projekt Nord Stream 2 bezeichnete sie als „heimtückischen Plan“.

Der Kremlchef wolle die Ukraine vom Gastransit abklemmen und die EU im Notfall erpressen. Europa dürfe nicht durch zu hohe Gasimporte von Russland abhängig und zum politischen Spielball werden, fordert sie.

Rhetorisch wählt die Grünen-Chefin eher den Boxhandschuh

Auch bei der Kritik an der Knebelung der russischen Opposition wählt Baerbock den rhetorischen Boxhandschuh, nicht den Samthandschuh. Egal, ob in der Brüsseler oder der Moskauer Arena. Beim designierten Kanzler Olaf Scholz (SPD), der sich als pragmatischer Realpolitiker begreift, dürfte dies öfter Stirnrunzeln auslösen.

Auch mit Blick auf China scheut Baerbock vor harscher Rhetorik nicht zurück. „Dialog und Härte“ nennt sie ihren Ansatz und plädiert für eine schärfere Handelspolitik gegenüber der aufsteigenden Weltmacht: „Wir müssen auf die Einhaltung von Standards achten, wenn es in anderen Weltregionen Dumping gibt“, betont sie.

5 Fakten über Annalena Baerbock

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    Auch gegenüber China wird der Ton nun rauer

    Sie schlägt einen entsprechenden Aufschlag für Unternehmen vor, die auf dem chinesischen Markt subventioniert worden sind oder bei denen es keine Umweltstandards gibt. Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Kritik an China allenfalls hinter verschlossenen Türen geübt. Mit Baerbock zieht in der deutschen Außenpolitik eine neue, rauere Tonlage ein. Auf ihren ersten Besuch in Peking darf man gespannt sein.

    Auch innerhalb Europas versteht sich Baerbock als Bannerträgerin für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die polnische und die ungarische Regierung werden das zu spüren bekommen, wenn es um deren Zugriffe auf das eigene Justizsystem oder die Medienlandschaft geht.

    Klimapolitik will Baerbock nicht nur Robert Habeck überlassen

    Das Feld der Klimapolitik will Baerbock nicht nur Robert Habeck, dem Chef des Superressorts Wirtschaft, überlassen. „Die großen innenpolitischen Fragen wie Klimaneutralität können wir nur gemeinsam mit einer globalisierten Welt schaffen“, unterstreicht sie. Für eine starke Klimapolitik brauche es eine „aktive europäische und vor allem eine deutsche internationale Außenpolitik“.

    In Washington hört man solche Töne gern. Im Frühjahr hatte sich der US-Klimabeauftragte John Kerry bei seinem Berlin-Besuch mit Baerbock getroffen. Amerikanische Diplomaten äußern sich zudem lobend über die klaren Worte der Grünen-Politikerin Richtung Russland und China.

    Die Zurückhaltung bei den deutschen Rüstungsausgaben trifft hingegen auf Skepsis. Über allem hängt jedoch ein Fragezeichen: „Mal schauen, wie viel Spielraum Kanzler Scholz der Außenministerin Baerbock überhaupt lässt“, meint ein US-Diplomat.