Berlin . Nach den Andeutungen Putins steigt die Angst vor einem Einsatz von Nuklearwaffen. Doch wie funktionieren eigentlich Atombomben und Co.?

Auch wenn Russlands Präsident Wladimir Putin das Wort Atomwaffe nicht in den Mund genommen hat – die Versetzung der sogenannten Abschreckungswaffen in besondere Alarmbereitschaft, ließ in der restlichen Welt die Alarmglocken schrillen.

Ob Putin im Krieg gegen die Ukraine auch gegen die Nato die Situation weiter ins Extreme eskalieren lässt, ist völlig offen. Dennoch liegt das Szenario auf dem Tisch. Aber wie funktionieren eigentlich Nuklearwaffen und welche Arten gibt es?

Was ist der Unterschied zwischen Atombombe und Wasserstoffbombe

Mit Atom- oder Nuklearwaffe (Nucleus=lateinisch für Kern) werden zwei verschiedene Arten von Bomben bezeichnet. Unter Atombombe versteht man in der Regel eine Kernwaffe. Der Begriff umschreibt, dass die durch die Spaltung von Atomkernen freigesetzte Energie zur Zerstörung genutzt wird. Nicht zu verwechseln mit Wasserstoffbomben. Diese gelten zwar auch als Atomwaffen, aber bei ihnen wird die Energie aus der Verschmelzung der Atomkerne, also aus der Fusion gewonnen. Sie werden daher als Kernfusionswaffen bezeichnet.

Eine weitere Bezeichnung ist die sogenannte „schmutzige Bombe“. Diese ist jedoch weder Wasserstoffbombe noch Atombombe, sondern eine sogenannte radiologische Waffe. Die zerstörerische Wirkung wird bei ihr durch die Explosion konventionellen Sprengstoffs erzeugt, wodurch wiederum in der Bombe verbautes radiologisches Material großflächig verbreitet wird.

Uran, Plutonium, Sprengstoff: Der Inhalt einer konventionellen Atombombe

Im Gegensatz zur Energiegewinnung in einem Atomkraftwerk wird in einer konventionellen Atombombe die Kernspaltung als Kettenreaktion gewollt unkontrolliert in Gang gesetzt.

Für diese Kettenreaktion werden zunächst Uran und/oder Plutonium im Sprengkopf verbaut. Uran findet sich in der Natur. Allerdings nicht als reines Element, sondern immer in Verbindung mit anderen Stoffen. In Atomwaffen kommt aber meist das Isotop U235 zum Einsatz. Dieses Isotop wird mittels der Uran-Anreicherung hergestellt. Bei einem Isotop handelt es sich um einen Atomkern, der eine andere Anzahl von Neutronen aufweist, als das ursprüngliche chemische Element. Auch Plutonium findet sich in der Natur. Für den Bau von Atomwaffen wird jedoch ein Plutonium-Isotop benötigt – in der Regel PU239.

Die Neutronen sind entscheidend für die Kettenreaktion und die zerstörerische Wirkung von Atomwaffen. Einfach ausgedrückt: Wenn sich ein Atomkern spaltet, werden Neutronen frei. Diese werden wiederum von anderen Atomkernen aufgenommen, die sich durch die zusätzliche Energie dann auch wieder spalten. Damit dies auch bei Atomwaffen funktioniert, muss dafür gesorgt werden, dass nicht zu viele Neutronen entweichen und sie damit keine weiteren Spaltungen auslösen.

Gleichzeitig besteht die Schwierigkeit, die Kettenreaktion nicht auszulösen, bevor die Bombe ihr Ziel erreicht. Daher darf die kritische Masse von Uran und/oder Plutonium nicht erreicht werden. Die kritische Masse beschreibt einfach ausgedrückt die Menge des Elements, ab der sich die Kettenreaktion ohne Zutun von außen in Gang setzt.

Daher wird das spaltbare Material in einem Atomsprengkopf in kleinere unkritische Massen unterteilt und räumlich getrennt voneinander eingebaut. Damit die Kettenreaktion zum gewünschten Zeitpunkt und ausreichendem Maß in Gang gesetzt wird, kommt konventioneller Sprengstoff zum Einsatz. Mittels diesem werden die geteilten Massen zur kritischen Masse auf kleinstem Raum im Grunde zusammengesprengt.

Die Explosion einer Atomwaffe setzt die Strahlung des radioaktiven Materials frei. Das kontaminierte Material wird aufgewirbelt. Die verstrahlten Partikel fallen dann wieder zur Erde und bilden das, was als radioaktiver Niederschlag oder Fallout bekannt ist.

Wie funktioniert eine Wasserstoffbombe?

Wasserstoffbomben sind noch einmal eine Stufe komplizierter als Atombomben. In einer Wasserstoffbombe wird die Fusion der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium in Gang gesetzt. Das ist der gleiche Vorgang, wie bei der Fusion in der Sonne. Weil in ihrem Inneren pro Sekunde gut 600 Millionen Tonnen Wasserstoff fusionieren, entsteht Energie. Deswegen scheinen unsere Sonne und andere Sterne.

Damit bei der Wasserstoffbombe die Fusion in Gang gebracht wird, braucht es wiederum Energie, die in ausreichendem Maße durch einen Atomsprengkopf erzeugt wird. Heißt: Wasserstoffbomben zünden im Vergleich zu Atombomben dreistufig. Der konventionelle Sprengstoff zündet den Atomsprengkopf, der wiederum die Wasserstoffbombe zündet. Die Energie, die durch die Kernfusion freigesetzt wird, ist nochmal um ein vielfaches höher, als die von „klassischen“ Atomsprengköpfen.

Wie zerstörerisch sind Atomwaffen?

Kernwaffen sind die mit Abstand zerstörerischsten Kriegsinstrumente, die die Menschheit entwickelt hat. Mit dem noch heute vorhandenen Arsenal der Atommächte ließe sich die Welt gleich mehrfach zerstören.

Im Kalten Krieg entwickelten die Sowjetunion und die USA Wasserstoffbomben mit der Sprengkraft von mehreren Millionen Tonnen (Megatonnen) TNT. Als die Bombe mit der stärksten Explosion in der Geschichte der Menschheit gilt die von der Sowjetunion 1961 gezündete AN-602 „Zar“ mit mehr als 50 Megatonnen Sprengkraft. Abgeworfen wurde sie über einem Testgelände auf der russischen Insel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer. Die Sprengkraft der AN-602 "Zar" wurde sogar noch „gebremst“, da die Bombe mit einem Bleimantel statt Uranmantel versehen war. Ein Uranmantel hätte die Sprengkraft auf mindestens 100 Megatonnen verdoppelt.

Zum Vergleich: Die über Hiroshima in Japan abgeworfene Atombombe hatte eine Sprengkraft zwischen 13.000 und 14.000 Tonnen TNT.

Was sind die Folgen einer Atomexplosion?

Die Zerstörung von Atomwaffen wird durch die freigesetzte Druckwelle, Hitze und natürlich Strahlung ausgelöst. Diese drei Faktoren kumulieren sich in dem Feuerball, der auch als Atompilz bekannt ist. In seinem Inneren herrschen Temperaturen, die heißer sind als die Sonne.

Die Hitze nach einer Explosion ist so gewaltig, dass in der Nähe des Epizentrums so gut wie alles verdampft. Daraufhin folgen gewaltige Feuerstürme in einem kilometerweiten Umkreis des Epizentrums. Die Druckwelle einer Atomwaffe erreicht Geschwindigkeiten von vielen Hundert km/h und reißt noch in mehreren Kilometern Entfernung vom Epizentrum Gebäude und Menschen in Stücke. Selbst wenn sie vorbeigezogen ist, folgen von der Druckwelle verursachte orkanartige Winde, die weitere Zerstörung anrichten und die Feuerstürme anheizen.

Bei der Strahlung unterscheidet man zwischen der Sofort- und der Reststrahlung. Die Sofortstrahlung tritt bis zu einer Minute nach der Explosion auf und besteht hauptsächlich aus Gammastrahlung. In hohen Dosen zerstört Strahlung Zellen, Organe. Das ist auch als Strahlenkrankheit bekannt und in relativ kurzer Zeit tödlich. Die Reststrahlung besteht hauptsächlich aus dem auf die Explosion folgenden Fallout. Diese niedrigeren Dosen an Strahlung erzeugen bei Menschen, Leukämie, Mutationen und genetischen Schäden. Selbst das Risiko für Schäden nachfolgender Generationen wird erhöht.

Atomexplosion: Was passiert in welchem Radius um den Einschlag?

Was diese drei Faktoren an unmenschlichen Leid auslösen können, hat das Bündnis „Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“ anhand einer 100-Megatonnen-Bombe nach Detonationsradius aufgeschlüsselt.

  • In einem 3-km-Radius um das Epizentrum entsteht der radioaktive Feuerball. Alles Leben in diesem Bereich stirbt.
  • In einem 5-km-Radius um das Epizentrum stirbt der Großteil der Menschen unmittelbar durch die Druckwelle und Hitze oder innerhalb der folgenden Wochen anhand der Strahlenkrankheit.
  • In einem 10-km-Radius sterben gut 50 Prozent der Menschen sofort an Verletzungen und Verbrennungen. Nachfolgend fordern die Brände und die Strahlenkrankheit viele weitere Todesopfer.
  • In einem 80-km-Radius verbreitet sich der Fallout. In diesem Radius sterben Menschen im Laufe der Zeit an der Strahlenkrankheit und Krebs.

Nuklearwaffen, die eine derartige Sprengkraft aufweisen können, wurden noch nie in einem Krieg eingesetzt. Bei den einzigen Malen, bei denen Sie abgeschossen wurden, handelte es sich um Tests. Nachweislich haben die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China Wasserstoffbomben getestet. In den vergangenen Jahrzehnten rückte jedoch vermehrt die Entwicklung sogenannter „Mini-Nukes“ in den Fokus. Diese Nuklearwaffen haben eine deutlich geringere Sprengkraft und sollen laut offiziellen Angaben viel gezielter in Kriegsgebieten einsetzbar sein. Mit mehreren tausend Tonnen Sprengkraft übersteigen sie aber immer noch das Zerstörungspotential von konventiellen Bomben um ein vielfaches.

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