Berlin. Zum Antritt der Regierung türmen sich die Probleme. Das prägt den ersten Auftritt von Scholz, Habeck und Lindner vor den Journalisten.

Als Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner den großen Saal im Haus der Bundespressekonferenz betreten, hat jeder ein Exemplar des Koalitionsvertrags unter dem Arm. Das Vertragswerk hatte die 13-köpfige Spitzenrunde der Ampel-Parteien zuvor in einer straffen Zeremonie unterzeichnet. Die Zeit der großen Reden und der pathetischen Ankündigungen der neuen Regierungspartner ist vorbei. Ab diesem Mittwoch muss die neue Regierung zahlreiche Krisen angehen.

Anstatt der gesamten Ampel-Führungsmannschaft erscheinen zu dem Termin bei den Hauptstadtjournalisten nur der künftige Kanzler, der Vizekanzler und der Finanzminister. Scholz (SPD), Habeck (Grüne) und Linder (FDP) stehen gerne in der ersten Reihe, an diesem Tag üben sie sich jedoch darin, noch keine Schlagzeilen zu liefern, schließlich haben sie ihre neuen Ämter noch nicht angetreten. Entsprechend zäh verläuft der Auftritt.

Scholz sagt zwar zu Beginn, er freue sich auf die Fragen, aber dann beantwortet er viele doch nicht. Angela Merkel war der Einladung, der Hauptstadtpresse im Verein der Bundespressekonferenz Rede und Antwort zu stehen, nur einmal im Jahr in der Sommerzeit gefolgt. Scholz wird direkt zu Beginn seines Auftritts eingeladen, dies künftig öfter zu tun als seine Vorgängerin. Dieses Angebot lässt Scholz freundlich lächelnd unkommentiert.

Die Chefs der Ampel-Regierung (v.l.): Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner.
Die Chefs der Ampel-Regierung (v.l.): Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner. © imago images/Political-Moments | via www.imago-images.de

Scholz ist unkonkret - wird aber bei einem Thema deutlicher

Scholz spricht fast tonlos. Ob sich Deutschland den USA anschließen und ebenfalls die Olympischen Winterspiele in Peking diplomatisch boykottieren solle, will etwa ein Reporter wissen. Scholz antwortet länglich, wird aber nicht konkret. Auf Nachfrage spricht der kommende Regierungschef nochmals fast drei Minuten, ohne sich zu positionieren. Auch beim dritten Nachhaken bleibt der Sozialdemokrat eisern. Die Haltung zu China könnte zu einem Streitpunkt in der Ampel-Regierung werden. Besonders die Grünen fordern einen härteren Kurs als bisher.

Deutlicher wird Scholz beim Thema Ukraine. Die Bundesregierung werde „unmissverständlich“ auf der Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen bestehen, sagt Scholz an Moskau gerichtet. Angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine herrsche eine „sehr, sehr ernste Lage“. Dann verrät Scholz noch, dass er sich am Morgen bereits mit Merkel zu dem Konflikt in der direkten Nachbarschaft der EU abgestimmt habe.

Erste Auslandsreise nach Paris

Die neue Bundesregierung beginnt ihre Arbeit in einer Zeit internationaler Krisen. Als Reaktion auf die globale Instabilität setzt Scholz auf ein starkes und souveränes Europa und bekräftigt seine frühere Ankündigung, seine erste Auslandsreise als Kanzler nach Paris zu unternehmen.

Doch auch zu Hause türmen sich die Herausforderungen. „Während wir mit dem Aufbruch beginnen, haben wir noch eine schwere Aufgabe zu bewältigen, nämlich die Corona-Krise zu bekämpfen“, sagte Scholz bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. „Und das wird unsere ganze Kraft und Energie fordern.“ Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte an, er wolle das verlängerte Kurzarbeitergeld in der Corona-Pandemie stufenweise auf bis zu 87 Prozent erhöhen.

Der Städte- und Gemeindebund forderte von der neuen Bundesregierung mehr Weitsicht in der Corona-Pandemie. „Nachdem der Corona-Start verstolpert wurde, brauchen wir eine langfristige Strategie“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg unserer Redaktion. Die Regierung solle in den Blick nehmen, dass ab März oder April die vierten Impfungen anstehen könnten. Ebenso müsse eine Impfpflicht konsequent umgesetzt werden.

Industrie fordert schnelle Entlastung

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Peter Adrian, forderte die Koalition zur schnellen Entlastung der Unternehmen auf. „Die neue Regierung sollte als erste Schritte die geplanten Sonderabschreibungen und Verlustverrechnungen rasch auf den Weg bringen sowie die EEG-Umlage schnell abschaffen“, sagte Adrian unserer Redaktion. „Diese Entscheidungen entlasten viele Unternehmen und können daher wichtige Investitionsimpulse sein.“ Viele Firmen seien aufgrund der Corona-Beschränkungen, hoher Energie- und Rohstoffpreise und fehlender Fachkräfte in einer schwierigen Situation.

DGB-Chef Reiner Hoffmann ­begrüßte die Pläne der neuen Bundesregierung, Hartz IV durch ein Bürgergeld zu ersetzen. „Dazu müssen aber auch die Regelsätze auf ein Niveau angehoben werden, das vor Armut schützt“, sagte Hoffmann.