Berlin. Welche Koalition gibt Cannabis frei? Die Chancen auf Legalisierung stehen gut – fast unabhängig davon, wer am Ende mit wem regiert.

Sie ist der Traum vieler Studierenden-WGs und wird von der Restbevölkerung mit einer Mischung aus Argwohn und Neugier betrachtet: die Legalisierung von Cannabis. Positionen zur Freigabe des umstrittenen Rauschmittels standen vor der Bundestagswahl in den Wahlprogrammen aller Parteien. Nach der Wahl stellt sich nun die Frage: Welche Koalition lässt den Joint durch Deutschland kreisen?

Zur Debatte stehen derzeit zwei Parteienbündnisse: eine SPD-geführte Ampel mit den Grünen und der FDP und eine Jamaika-Koalition unter Führung der Union. Die beiden Kanzlermacher-Parteien traten vor der Wahl für eine Freigabe von Cannabis – sowie eine grundsätzliche Reform der Drogen- und Gesundheitspolitik – ein.

Die Liberalen wollen Besitz und Konsum freigeben, rechnen mit Milliarden an Steuereinnahmen und wollen die Kriminalisierung von Konsumierenden beenden. Die Grünen führen zudem gesundheitspolitische Argumente ins Feld und wollen Aufklärung zur Suchtprävention, statt Kriminalisierung. Die Positionen der beiden Parteien sind also relativ nah beieinander.

Da es derzeit so aussieht, als wollten FDP und Grüne ihr gemeinsames Gewicht in die Waagschale werfen, könnten sie ihre Positionen in den Verhandlungen tatsächlich durchsetzen und eine Freigabe in das Regierungsprogramm schreiben. Warum schließlich sollten zwei aufgeben, was einer nicht will?

Jamaika: Legalisierung light

Sollte sich die CDU/CSU wirklich an den Verhandlungstisch setzen dürfen, könnte eine Legalisierung von Cannabis tatsächlich wieder in weite Ferne rücken. Die Union hat sich eine Fortsetzung ihrer Prohibitionspolitik ins Wahlprogramm geschrieben, lehnt eine Legalisierung illegaler Drogen strikt ab. Da CDU/CSU in der Jamaika-Koalition zudem stärkste Kraft wären, könnte sich die Union am Ende durchsetzen. Denn: FDP und Grüne könnten geneigt sein, ihre gemeinsamen Positionen zur Legalisierung aufzugeben, wenn sie dafür in ihren Kernbereichen wie Klimaschutz, Digital- und Steuerpolitik die Richtung wesentlich mitbestimmen dürften.

Auf der anderen Seite waren zumindest aus Teilen der Union zuletzt neue Töne zu einer zumindest teilweisen Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumierenden zu hören. Die drogenpolitische Sprecherin der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), plädierte etwa für eine Sechs-Gramm-Grenze, unter der Besitz von Cannabis keine Straftat mehr sein soll. Die Union könnte sich also auf einen klassischen Kompromiss einlassen: Freigabe nein, aber zumindest weniger restriktives Vorgehen gegen Konsum und Besitz. Eine Legalisierung light sozusagen.

Ampel: Alle würden von der Legalisierung profitieren

Etwas anders sieht die Lage aus, wenn Grüne und FDP in die Verhandlungen zur Ampel gehen. Hier säße ihnen eine der Legalisierung von Cannabis nicht gänzlich abgeneigte SPD gegenüber. Die Sozialdemokraten scheinen von einer echten Freigabe zwar nicht allzu begeistert. Sie können sich aber zumindest vorstellen, eine "regulierte Abgabe von Cannabis (...) in Modellprojekten von Ländern und Kommunen" zu erproben. Auch wollen die Genossen den Besitz kleiner Mengen nicht mehr strafrechtlich verfolgen.

Im Williy-Brandt-Haus hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Cannabis eine "gesellschaftliche Realität" ist und Prohibition einer "effektiven Suchtprävention und Jugendschutz" entgegenstehen. Das sehen die Grünen genauso. Zudem argumentiert die SPD, dass die Durchsetzung einer Verbotspolitik große Ressourcen in Polizei und Justiz bindet. Hier überschneidet sich das Wahlprogramm fast im Wortlaut mit dem der FDP.

Alle drei planen zudem große Ausgaben: Die FDP will gerne Steuererleichterungen, die Grünen wollen massiv in Klimaschutz investieren, die SPD will das Rentenniveau sichern. Die Milliarden dafür könnten zumindest zu einem kleinen Teil aus dem Wegfall von Strafverfolgung bei Cannabis-Konsumierenden kommen, zu einem anderen Teil aus den Steuer-Milliarden, die ein staatlich lizenzierter Cannabis-Verkauf bringen dürfte. Die SPD müsste dazu nur ihre Position etwas anpassen und für echte Legalisierung eintreten.

Wenn sie Sondierungen und Koalitionsverhandlungen als Suche nach Gemeinsamkeiten begreifen, dann werden SPD, Grüne und FDP also schnell feststellen, dass sie in der Drogenpolitik ziemlich nahe beieinander liegen.

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    Bei der Legalisierung von Cannabis wird zudem keine Nebensache diskutiert, sondern ein grundlegender Wandel in der Gesetzgebung – und damit in der Gesellschaft. Eine Freigabe von Cannabis würde Deutschland nachhaltig verändern, alleine schon weil ein ganz neuer Wirtschaftszweig erschlossen würde. Das Kiffen würde über kurz oder lang dem Alkohol- und Tabakkonsum gleichstellt. Die Beratung Suchtkranker würde zudem erleichtert, die Aufklärung über die Gefahren des Drogenkonsums ebenfalls.

    Gleichzeitig stiege der Reinheitsgrad des Stoffes, weil in Apotheken oder lizensierten Coffee-Shops verkauftes Cannabis nicht gestreckt wäre. Damit sänken – von möglichen Suchterkrankungen einmal abgesehen – zumindest die gesundheitlichen Risiken. Die Akzeptanz des Konsums könnte insgesamt steigen und Cannabis würde aus den Parks und Kellern in die Fußgängerzonen und Kneipen wandern.

    Weil sich die Positionen von SPD, Grünen und FDP schon im Vorfeld so ähnlich sind, könnten die Debatten über diesen Paradigmenwechsel schnell geführt werden. Ein Ziel, das sich nach der Wahl alle Parteien auf die Fahnen geschrieben haben. Die Verhandlungen mit der Union über die Freigabe von Cannabis dürften sich hingegen zäher gestalten, weil sich die möglichen Regierungspartner weiter aufeinander zu bewegen müssten.