Washington. Die jüngste Rede des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers in Washington verheißt für den Westen nichts Gutes. Was Trump vorhat.

Vom Nato-Gipfel im litauischen Vilnius im Juli bis zur Amtseinführung des 47. US-Präsidenten im Januar 2025 sind es gerade mal 18 Monate. Wenig Zeit für das westliche Verteidigungsbündnis, um sich in Zeiten des russischen Ausdehnungskrieges in der Ukraine auf das vorzubereiten, was Militärs und Diplomaten nicht nur in Washington „den Super-Gau“ nennen. Gemeint ist die laut Umfragen mögliche Wiederkehr von Präsident Nr. 45 – Donald J. Trump – ins Weiße Haus.

In seiner ersten größeren Rede seit Bekanntgabe seiner Kandidatur vor über drei Monaten hat der 76-Jährige jetzt erste Akzente gesetzt. Was plant Trump für Europa? Auf welche Eruptionen müssen sich die Europäer einstellen? Nach Bewertung von deutschen Politikern, die gerade die „enge und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit mit der Regierung Biden loben, handelt es sich um „besorgniserregende“ Andeutungen:

Ukraine

Bei der Jahrestagung der stramm rechts-konservativen Vorfeld-Organisation der Republikaner, der „Conservative Political Action Conference“ (CPAC), kündigte Trump unter dem Jubel der Zuschauer an, dass er im Fall seiner Wahl 2024 die Ukraine-Hilfen sofort aussetzen und den Europäern das Management des Konfliktes überantworten würde.

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Wörtlich sagte Trump: „Die Nato soll sich um die Ukraine kümmern – nicht die USA. Wir haben bereits 140 Milliarden Dollar ausgegeben.“ Und setzte nach: „Wir werden niemals mehr unbegrenzt Geld in endlose Kriege pumpen.“ Laut Weißem Haus belaufen sich seit Kriegsbeginn vor einem Jahr die zugesicherten Hilfen – militärisch, humanitär, ökonomisch – der USA auf rund 115 Milliarden Dollar. Abgerufen davon wurde bisher nur ein Teil.

Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, nach seiner Rede  auf der Conservative Political Action Conference „CPAC 2023“.
Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, nach seiner Rede auf der Conservative Political Action Conference „CPAC 2023“. © dpa | Alex Brandon

Trump nahm mit seiner Ansage ein innerhalb der „Grand Old Party“ (GOP) schleichend wachsendes Ressentiment auf, das sich auch latent in Meinungsumfragen der breiten Bevölkerung abbildet. Danach vernachlässige die amtierende Regierung von Präsident Joe Biden, den Trump nach wie vor als illegitimen Wahlbetrüger bezeichnet, inner-amerikanische Problem-Lagen, etwa die ungelöste illegale Einwanderung an der Grenze zu Mexiko.

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Die von Biden forcierte und von einer breiten Allianz des Westens getragene Politik läuft Trumps „America First“-Strategie zuwider. Mit der Ukraine, sagt er, hätten die USA nichts zu schaffen. Gespiegelt werden solche Aussagen von einflussreich gewordenen Kongress-Abgeordneten um die rechtsextreme Trump-Anhängerin Marjorie Taylor Greene.

Nato

Als beunruhigend wurde in Kreisen der Washingtoner EU-Delegation im Vorfeld des für Freitag geplanten Besuches von Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen bei Joe Biden Trumps erneute Breitband-Kritik an der Nato bezeichnet. Dass das Verteidigungsbündnis funktionsfähig sei, liege allein an seiner Forderung von 2017, sagte der Unternehmer. Damals verlangte Trump, dass alle Nato-Mitglieder die vereinbarten zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Militärisches ausgeben müssen.

Nach Trumps Erinnerungen, die bei der Nato in Brüssel nicht bestätigt werden, hätten damals nur acht von 28 Mitgliedsstaaten „ihren Beitrag gezahlt“. Vor allem Deutschland hatte Trump auf dem Kieker. Er bezeichnete Berlin als Trittbrettfahrer, der Amerika gleichzeitig beim Handel über den Tisch ziehe. Allein durch seine unverhohlene Androhung, „säumigen“ Mitgliedern den militärischen Schutzschirm Amerikas im Ernst-Fall zu verweigern, seien 450 Milliarden Dollar zusätzlich aufgebracht worden, behauptet Trump.

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Zwischen den Zeilen lautet nach Experten-Einschätzung in US-Denkfabriken seine Botschaft: Viele Nato-Staaten, allen voran Deutschland, seien nach wie vor Schmarotzer, die sich auf die militärische Kraft der USA verließen, ohne dafür angemessen zu bezahlen. Sollte Trump wieder Präsident werden, könnte er massive finanzielle Mehrforderungen an Europa stellen oder die Drohung von 2016 wahrmachen und den Austritt der USA aus der Nato vollziehen.

Russland

Trumps Äußerungen zur Ukraine werden in Washington als Quasi-Einladung an Kreml-Herrscher Wladimir Putin interpretiert, sich bis Januar 2025 zurückzuhalten und das eigene dezimierte Militär neu aufzubauen. Trump ist kein Freund der Ukraine. Er hält das Land für strukturell korrupt und vernachlässigenswert. Als Putin 2014 die Krim annektierte, sagte Trump voraus, dass auch „der Rest der Ukraine sehr bald fallen wird“.

2019 hielt Trump 400 Millionen Dollar Militärhilfe für Kiew zurück. Er verlangte von Präsident Wolodymyr Selenskyj zunächst kompromittierende Informationen über Joe Biden und dessen damals bei einem ukrainischen Gas-Konzern angestellten Sohn Hunter.

Putins Invasion vor einem Jahr bezeichnete Trump als „genial“ und „ausgebufft“. Heute sieht Trump die US-Strategie in der Ukraine als verhängnisvoll an. „Wenn nicht schnell etwas passiert, werden wir den Dritten Weltkrieg haben“, prophezeit der Rechtspopulist. Er nimmt für sich in Anspruch, der einzige Politiker zu sein, der das verhindern kann. Wäre er heute Präsident, behauptete Trump, würde er den Krieg in der Ukraine binnen eines Tages beenden. Wie, sagt er nicht.

Trump verweist darauf, dass er während seiner Amtszeit mit Russlands Präsident Putin „sehr gut klargekommen“ sei. Trumps Kurzzeit-Regierungssprecher Anthony Scaramucci erklärte dazu: „Wenn Donald Trump während der russischen Invasion in der Ukraine Präsident gewesen wäre, stünden die Truppen Wladimir Putins heute in Polen.“

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