Berlin. Nach dem Wahlschock der FDP in Niedersachsen ist die Ampel ernsthaft gefährdet. Reißt euch jetzt bloß zusammen, mahnt unsere Autorin.

Ob Christian Lindner manchmal Janis Joplin hört? Nach der vergeigten Niedersachsenwahl könnte die berühmte Liedzeile sein Ohrwurm werden: „Freedom is just another word for nothin’ left to lose”. Freiheit ist ein anderes Wort für „nichts mehr zu verlieren haben“. So mag es sich für viele in der FDP gerade anfühlen. Die selbst ernannte Freiheitspartei hat bei den vergangenen vier Landtagswahlen so viel verloren, dass die alte Angst vor dem parlamentarischen Nichts wieder im Raum steht.

Nach einem Jahr Ampel-Koalition ist für die Liberalen schmerzhaft klar, wer profitiert und wer nicht: Die Grünen wachsen, die FDP schrumpft. Für die Koalition ist das eine extrem gefährliche Lage. Die FDP hatte von Beginn an die größten Bauchschmerzen mit dem Dreierbündnis. Jetzt werden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr. In einer solchen Lage können Partner schnell unberechenbar werden.

Die Brocken hinwerfen? Das geht vielleicht in Friedenszeiten

Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin  
Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin   © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Sicher, man könnte der FDP jetzt zurufen: Dann werft doch die Brocken hin! Nicht regieren ist doch besser als zum Schaden der eigenen Partei regieren, oder? Doch solche Ratschläge sind allenfalls Ratschläge für Friedenszeiten.

In der aktuellen Krisenlage geht es um etwas anderes. Und das weiß auch Lindner. Er betont nicht umsonst gebetsmühlenhaft die staatspolitische Verantwortung, die die FDP mit dem Eintritt in das Regierungsbündnis übernommen hat.

Lindners Wort hat Gewicht - vorerst

Noch hat sein Wort Gewicht. Wenn auch die Umfragen im Bund in den Keller gehen sollten, kann das anders werden. SPD und Grüne werden sich daher schon aus eigenem Interesse noch stärker als bislang die Frage stellen müssen, wie sie mit der krisengeschüttelten Seele der FDP umgehen. Einen Bruch der Koalition in einer der massivsten Krisen der Nachkriegszeit wäre eine weitere, eine innenpolitische Krise obendrauf – und würde das Land destabilisieren.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de