Berlin. Macrons Wahlsieg in Frankreich ist eine Chance, die Deutschland nutzen muss – für die Zukunft Europas, für Frieden und für Wohlstand.

Frankreichs alter Präsident ist auch der Neue. Das ist eine gute Nachricht nicht nur für Frankreich, sondern auch für Deutschland und Europa.

Ein Wahlsieg der französischen Rechten hätte den Kontinent zur Unzeit getroffen. Nie war ein starkes, einiges Europa wichtiger als nach dem Überfall Russlands auf den souveränen Nachbarn Ukraine. Dieser Krieg tobt wenige Kilometer vor der Außengrenze der EU und der militärischen Reaktionslinie der Nato. Nicht auszudenken, wie ein durch die Rechten geschwächtes Europa diese historische Krise noch verschlimmert hätte.

Marine Le Pen wollte weniger Europa. Weniger Gemeinsamkeit mit Deutschland. Weniger Kante gegen Russland. Das hat die Mehrheit der Französinnen und Franzosen zum Glück durchschaut. Da hat es der rechten Populistin auch nichts genützt, dass sie Millionen ihrer Wahlkampfbroschüren mit einem peinlichen Werbefoto mit Wladimir Putin einstampfen ließ.

Macron muss sich mühen, Frankreich hinter sich zu bringen

Jörg Quoos empfiehlt Deutschland und Frankreich eine Paartherapie.
Jörg Quoos empfiehlt Deutschland und Frankreich eine Paartherapie. © Dirk Bruniecki

Emmanuel Macrons Wiederwahl ist allerdings kein Triumph, sondern bestenfalls ein anstrengender Arbeitssieg. Es ist ihm sichtlich schwergefallen, Frankreich hinter zu sich zu versammeln.

Zu abgehoben und sozial zu wenig ausbalanciert war seine Politik in den vergangenen fünf Jahren, auch wenn es zu ihr keine wirkliche Alternative gab. Der Präsident muss jetzt dringend ein tief gespaltenes Land versöhnen, denn es ist kein Naturgesetz, dass Frankreichs Rechte immer verliert.

Mit Le Pen und dem islamophoben Eric Zemmour war dieses Lager erschreckend groß und die Macht der Bürgerlichen existenziell gefährdet. Macron muss nach diesem Wahlkrimi die pathetische Bühne, die er so liebt, verlassen und zu den Bürgern herabsteigen. Mit einer Politik, die ihre Bedürfnisse erkennt und auch die heiklen Themen wie die einer in Teilen gescheiterten Integrationspolitik nicht länger ausklammert.

Analyse: Frankreich nach der Wahl – Ein Land gespalten wie nie zuvor

Deutschland sollte an einer besseren Partnerschaft arbeiten

Für Deutschland ist die Wiederwahl Macrons im zweiten Durchgang kein Grund zum Ausruhen, sondern Anlass, noch härter an der gemeinsamen Zukunft Europas und an einer besseren Partnerschaft zu arbeiten. Blickt man auf die politischen Blöcke in Frankreich, weiß man nicht wirklich, wie lange man einen wie Macron noch als Partner in Paris hat.

Die deutsch-französische Beziehung ist wie bei einem alten Ehepaar in die Jahre gekommen. Man kennt sich zwar gut, pflegt aber immer stärker die eigenen Macken und interessiert sich nicht mehr wirklich für den anderen. Das ist leichtfertig in normalen Zeiten. In einer Weltkrise, wie wir sie derzeit erleben, ist es brandgefährlich.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Zwischen Paris und Berlin herrscht zu oft Unverständnis

Viel zu lange musste Emmanuel Macron mit wichtigen Initiativen zur Europapolitik auf eine deutsche Reaktion warten. Auch bei der Krisendiplomatie nach dem Überfall Russlands wirkte das deutsch-französische Vorgehen unabgestimmt. Man verstehe die deutsche Haltung nicht mehr, beklagten französische Diplomaten hinter vorgehaltener Hand. Frankreichs Präsident allein, so schien es, hielt den direkten Kanal zu Putin offen.

Dass die Bundesregierung den zutiefst skeptischen Macron zur Zustimmung der umstrittenen Pipeline Nordstream 2 nötigte, war aus heutiger Sicht eine genauso schlechte Idee wie die Forderung des damaligen Vizekanzler Olaf Scholz, Frankreich möge seinen Sitz im UN-Sicherheitsrat hergeben.

Es gibt also genug Gründe, für eine seriöse Paartherapie, die Deutschland und Frankreich schnell in Angriff nehmen sollten. Dabei geht es nicht darum, wer vom Rest Europas die besseren Haltungsnoten bekommt.

Es geht um nicht weniger als die Zukunft eines freien Europas in Frieden und Wohlstand.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de.