Berlin/Oslo. Ein Aktivist aus Belarus, eine Organisation aus Russland, eine aus Ukraine: Oslo setzt ein Signal gegen russisches Großmachtstreben.

  • In Oslo wurde am Freitag der Friedensnobelpreis vergeben
  • Der Aktivist Ales Bialiatski, die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties haben Preise erhalten
  • Die russische Justiz entzog Memorial daraufhin die Gebäude in Moskau

Es ist ein Preis für den Frieden. Aber dieses Jahr wird aus dem Friedensnobelpreis auch ein Preis gegen Wladimir Putin. Gegen seine Machtpolitik und seine Verbündeten. Ein Preis gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine – und auf die freie Welt.

In Oslo hat das Nobelkomitee am Freitag den Friedensnobelpreis vergeben: an den politischen Aktivisten Ales Bialiatski aus Belarus, an die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties. Drei Preise, drei Länder: Belarus, Russland, Ukraine. Es zeigt auch, dass das Komitee hier den Widerstand gegen die Einflusssphäre von Putin stärken will. Nicht nur in einem Staat – sondern gleich drei Nachbarländern.

Friedensnobelpreis: Bialiatski kämpft gegen das Lukaschenko-Regime

Ales Bialiatski sitzt derzeit in Belarus in Haft – so wie viele politische Aktivisten, die gegen das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko aufstehen. Bialiatski gründete nach Angaben des Nobelkomitees die Organisation Viasna, die sich gegen die Folter von politischen Gefangenen einsetzt. Er habe sein Leben der Förderung von Demokratie und einer friedlichen Entwicklung gewidmet. Das Nobelkomitee fordert seine Freilassung, ebenso wie die der anderen politischen Gefangenen in Belarus.

Belarus, Minsk: Ales Bjaljatzki während einer Gerichtsverhandlung in Minsk. Noch immer ist der Menschenrechtsaktivist in Haft.
Belarus, Minsk: Ales Bjaljatzki während einer Gerichtsverhandlung in Minsk. Noch immer ist der Menschenrechtsaktivist in Haft. © dpa | Sergei Grits

Bialiatski sei "definitiv der brillanteste Menschenrechtsaktivist in Belarus", sagt der polnische Journalist und Belarus-Experte Michal Potocki unserer Redaktion. Potocki hat Bialiatski selbst einige Male getroffen. "Er hat ein riesiges Charisma, zugleich ist er bescheiden", sagt er. Die Wahl des Nobelkomitees sei richtig und gut.

So unterstützt Russland die Gewalt in Belarus

Zwei Jahre nach den Massendemonstrationen gegen Lukaschenkos Regierung ist ein großer Teil der führenden Köpfe der Protestbewegung inhaftiert oder ins Exil, vor allem nach Polen, geflohen. Die Opposition wurde von den Machthabern in Minsk mit Gewalt niedergeschlagen. Auch mit Hilfe aus Russland, wie Fachleute immer wieder hervorheben.

"Bialiatski ist ein Ritter ohne Angst", sagt Anton Rulou vom unabhängigen Pressclub Belarus. "Wir sollten aber nicht andere Akteure von Viasna vergessen, die ebenfalls in Haft sitzen." Dazu gehören etwa Valiantsin Stefanovich und Marfa Rabkova. Insgesamt sind laut Rulou derzeit weit mehr als 1000 Menschen aus politischen Gründen in Belarus inhaftiert. Auch Rulou lebt heute im Exil in Polen.

Lukaschenkos Regime versuche in vielen Teilen des Alltags in Belarus an Macht und Einfluss zurückzugewinnen, den man während der Protestwelle 2020 verloren hat, sagt er. Medien werden zensiert, politische Gegner ausgeschaltet. Der jüngste Schritt der Repressionen, so Journalist Rulou, sei die Schließung zahlreicher privater Schulen in dem Land. Denn für abweichende Meinungen sei auch in Lukaschenkos "hochideologisierter Bildungspolitik kein Platz".

Friedensnobelpreis: Lukaschenko und Putin sind Verbündete

Lukaschenko gilt vielen als enger Verbündeter Putins. Zugleich steht Lukaschenko immer wieder unter Druck, die Abhängigkeit von Moskau nicht zu groß werden zu lassen. Putins Regime soll auch deshalb bei den Protesten in Belarus interveniert haben, weil Moskau ein Überschlagen der Protestwelle ins eigene Land verhindern wollte.

"Der schärfte Beleg dafür, wie bitter es um die belarussische zivile Gesellschaft bestellt ist, ist die aktuelle Inhaftierung des Nobelpreisträgers Bialiatski", sagt der Journalist Potocki. Der einzige Unterschied zwischen Sowjet-Diktator Stalin und Belarus-Machthaber Lukaschenko sei, dass heute in Belarus keine Todesurteile gegen politische Inhaftierte verhängt würden.

Friedensnobelpreis geht auch nach Russland - mit Konsequenzen

Der Blick des Komitees in Oslo geht aber nicht nur nach Belarus – sondern auch in das Kernland von Putins Einflusssphäre: Russland. Die Organisation Memorial werde für ihr Engagement gegen Militarismus und für ihren Einsatz für Menschenrechte ausgezeichnet. Memorial wurde 1986 mit dem Ziel gegründet, dass die Opfer des kommunistischen Regimes in der Sowjetunion nicht in Vergessenheit geraten. Im vergangenen Jahr wurde die Organisation in Russland verboten.

Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Memorial erhielt die Organisation wieder Gegenwind von der russischen Justiz: Der russische Staat entzog Memorial seine Büros in Moskau. Ein Gericht in der russischen Hauptstadt schlug das Gebäude am Freitag in einem als politisch motiviert kritisierten Verfahren dem russischen Staat zu. Memorial kündigte an, seinen Kampf um die Menschenrechte trotzdem fortzusetzen und den Nobelpreis zu feiern.

Das ebenfalls ausgezeichnete Center for Civil Liberties hat laut Nobelkomitee zur Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft beigetragen. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges hätten die Menschenrechtler Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung dokumentiert.

Unterdrückte Opposition in Moskau: Polizeibeamte halten einen Demonstranten fest, der vor dem Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation ein Plakat mit der Aufschrift
Unterdrückte Opposition in Moskau: Polizeibeamte halten einen Demonstranten fest, der vor dem Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation ein Plakat mit der Aufschrift "Hände weg von Memorial, Freiheit für politische Gefangene" hält. © dpa | Pavel Golovkin

Friedensnobelpreis: Außenministerin Annalena Baerbock gratuliert

Außenministerin Annalena Baerbock gratulierte den Gewinnern: "Ich verneige mich vor dem Mut von Ales #Bialiatski, #Memorial und dem #CentreForCivilLiberties", schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter. "Dieser #Friedensnobelpreis ehrt all jene, die mit enormen Mut und unter hohem Risiko für ihre Rechte und ihre Freiheit kämpfen. Gegen das Unrecht des vermeintlich Stärkeren", so Baerbock.

Der renommierte Preis ist mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (mehr als 920.000 Euro) dotiert. Im vergangenen Jahr wurden die philippinische Journalistin Maria Ressa und ihr russischer Kollege Dmitri Muratow für ihren Einsatz für die Pressefreiheit ausgezeichnet. Schon im vergangenen Jahr hatte das Nobelkomitee mit dem russischen Journalisten und Chefredakteur der kremlkritischen "Nowaya Gazeta" einen jahrelangen scharfen Kritiker des Putin-Regimes ausgezeichnet. (mit dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.