Berlin. Die Regierungsträume eines rot-grün-roten Regierungsbündnisses auf Bundesebene könnte geplatzt sein. Wo die Linke ihre Fehler sieht.

Der Schock ist den Anwesenden im Festsaal Kreuzberg ins Gesicht geschrieben. Eigentlich wollte die Linke hier ein rauschendes Fest feiern, ihre erste Regierungsbeteiligung auf Bundesebene in einem Bündnis mit SPD und Grünen bewerben. Doch zum Feiern ist niemandem zu Mute. Im Gegenteil. Bis zum Abend ist unklar, ob die Partei überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde genommen hat und in den nächsten Bundestag einziehen kann.

„Das ist ein schwerer Schlag für die Linke“, sagte die Linken-Parteichefin und Spitzenkandidatin Janine Wissler. Von einem „Schlag in die Magengrube“ sprach Wisslers Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wesslow.

Die Linke: Keine Hoffnung mehr auf eine Regierungsbeteiligung

Mit der Niederlage dürften auch die Pläne eines Regierungsbündnisses mit SPD und Grünen geplatzt sein. Die Linke hatte vor der Wahl massiv für ein solches Bündnis geworben – möglicherweise ein Fehler, wie Fraktionschef Dietmar Bartsch in der ARD analysierte: „Wir müssen uns fragen, ob das progressive Bündnis für uns der richtige Ansatz war oder ob wir klarer unsere Bereiche hätten deutlicher machen sollen.“

SPDCDU/CSUGrüneFDPAfDDie LinkeSonstige
25,724,114,811,510,34,98,7

299 von 299 Wahlkreisen sind ausgezählt. Die Daten stammen vom Bundeswahlleiter (Stand 4.30 Uhr) und sind in Prozent angegeben.

Seinen Parteifreundinnen und -freunden wollte der Fraktionschef keine Hoffnung mehr auf eine Regierungsbeteiligung machen. „Unser Platz im Deutschen Bundestag wird die Opposition sein“, sagte Bartsch im Festsaal Kreuzberg.

Für die Partei ist es das schlechteste Abschneiden auf Bundesebene seit dem Zusammenschluss der WASG und PDS zur Linken im Jahr 2007. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern konnte die Linke bei den vergangenen Bundestagswahlen auf eine stabile Wählerschaft zählen. Dies ist in diesem Jahr offenbar anders. „Die Zahlen sprechen eine ganz klare Sprache“, sagte Bartsch. „Fakt ist, dass wir im Osten nicht mehr die Interessenvertretung sind.“

Grundmandatsklausel: Linke ist womöglich auf Direktmandate angewiesen

Hoffnung macht der Bundespartei eine Besonderheit im deutschen Wahlrecht: die Grundmandatsklausel. Gewinnt eine Partei mindestens drei Direktmandate, zieht sie in den Bundestag ein. Die Zweitstimmen werden in einem solchen Fall auch dann gewertet, wenn die Fünf-Prozent-Hürde gerissen wurde. Die Linke hat mit dieser Regelung bereits Erfahrung. 1994 holte ihre Vorgängerpartei PDS bundesweit nur 4,4 Prozent. Da sie aber vier Wahlkreise direkt gewann, zog sie in den Bundestag ein. Zuvor war dies nur der rechtspopulistischen Deutsche Partei (DP) 1953 und 1957 gelungen.

Die Linke darf sich in diesem Jahr berechtigte Hoffnungen machen, mindestens drei Direktmandate zu gewinnen. Ein Grund dafür liegt im stabilen Abschneiden der Linken bei den parallel stattfindenden Senatswahlen in Berlin. Vor vier Jahren, als sich die Linke im Bund mit 9,2 Prozent an die Fersen von AfD und FDP geheftet und sich noch vor den Grünen platziert hatte, holte sie fünf Direktmandate – vier davon in der Hauptstadt. Haben die Berliner Linken-Wähler auch bei der Bundestagswahl ihr Kreuzchen bei der Linken gemacht, sollten mindestens drei Direktmandate wieder drin sein, so das Kalkül.

Dass es solche Rechenspiele überhaupt braucht, zeigt die Lage der Partei. Die erst im Februar neu gewählte Parteispitze um die hessische Fraktionsvorsitzende Janine Wissler und die Thüringer Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow konnte die Linke nicht aus den mauen Umfragewerten herausholen.

„Die Fehler lagen nicht im Wahlkampf. Und sie lagen auch nicht in der Zeit, in der Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow Parteivorsitzende wurden“, sagte Bartsch. Zum Elefanten im Raum wurde so die frühere Fraktionschefin und jetzige Spitzenkandidatin der Linken in Nordrhein-Westfalen, Sahra Wagenknecht. Die 52-Jährige ist für viele Wähler noch immer das Gesicht der Linken, in den eigenen Reihen für ihre realpolitischen Positionen aber unbeliebt.

Wagenknecht sieht sich bestätigt

Als Wagenknecht im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes in einem von ihr geschriebenen Buch ihrer Partei vorwarf, sich zu weit von den Belangen der einfachen Leute entfernt zu haben, musste sie ein Parteiausschlussverfahren über sich ergehen lassen, das scheiterte.

Am Wahlabend untermauerte Wagenknecht ihre Kritik: „Wir haben jetzt seit mehreren Jahren maue Wahlergebnisse gehabt. Das hat etwas damit zu tun, dass sich die Linke in den letzten Jahren immer weiter davon entfernt hat, wofür sie gegründet wurde“, sagte Wagenknecht. „Als Vertreterin der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Rentnerinnen und Rentner.“