Berlin . Inflation trifft alle, Arme am härtesten. Eine Linken-Politikerin rechnete die Folgen für Hartz-IV-Empfänger aus: Sechs Tage hungern.

Am siebten Tag des Monats sollst Du essen – das ist das Gebot für Hartz-IV-Empfänger in Zeiten von Inflation. So drastisch kann man die Linken-Abgeordnete Jessica Tatti auf Twitter interpretieren. Sie rechnet vor, dass sechs Tage lang Geld für das Essen fehlt. Muss man den Tweet für bare Münze nehmen? Ist es eine Milchmädchenrechnung?

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Über 100 Mal würde Tattis Rechnung retweetet, und auch Hartz-IV-Foren im Internet griffen sie auf. Viel Wirbel: Zustimmung, aber auch ätzende Kritik. Ein User hielt der Politikerin aus Reutlingen "Jammern auf hohem Niveau" vor. Haferschleim koste nur zehn Cent, dazu einen Apfel, "einmal in der Woche 100 Gramm Fleisch reicht doch". Ein anderer riet, "geh arbeiten würde ich sagen dann hat man mehr Geld."

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Tattis Rechnung ist simpel. Vorneweg: Mathematisch geht sie auf. Sie ging von einem Hartz-IV-Satz für Singles von monatlich 449 Euro und einer Inflation von 7,4 Prozent aus (tatsächlich betrug sie im Juli bereits 7,5 Prozent) und kam so auf 33 Euro an verlorener Kaufkraft.

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Nun muss man wissen, dass der Hartz-IV-Satz sich aus vielen Komponenten zusammensetzt, zum Beispiel 40,15 Euro für Post und Kommunikation oder 40,27 Euro für den Verkehr. Und eben 155,82 Euro für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak.

Hartz IV: Die Rechnung ist simpel und geht auch auf

Teilt man den Ausgabeposten durch 30/31 Tage, kommt man immer auf einen Wert von fünf Euro. Da der Kaufkraft-Verlust 33 Euro beträgt, fehlt rein rechnerisch das Geld zum Essen für sechs Tage. "Sechs Tage hungern dank Hartz IV und Inflation", titelt ein Hartz-IV-Portal.

Tattis Rechnung ist in Wahrheit eine politische Warnung: Armut durch Inflation. Schätzungsweise droht dieses Schicksal 13 Millionen Menschen droht in Deutschland droht Armut. Nicht zufällig kündigten zwei Sozialverbände an, für eine stärkere Erhöhung von Hartz IV sowie der Grundsicherung im Alter zu klagen – zur Not ziehen sie bis vor das Bundesverfassungsgericht.

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Im "echten Leben" stellen sich die Folgen etwas anders dar. Einerseits ist die Inflation ein statistischer Wert, der sich auf einen bestimmten Warenkorb bezieht. In Wahrheit sind die Nahrungsmittel-Preise überdurchschnittlich gestiegen, nicht bei jedem Lebensmittel indes gleich stark. Es kommt auch darauf an, was gekocht wird.

Hartz IV: 9-Euro-Ticket hilft beim Sparen

Andererseits teilt ein Hartz-IV-Empfänger sein Einkommen nicht portionsweise auf, die Haushaltskasse ist eine Quersubventionierung. Und es gibt Lebensbereiche, in denen alle Bürger entlastet wurden.

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So werden Hartz-IV-Empfänger die für den Verkehr vorgesehenen 40,27 Euro schwerlich ausgeben, weil im Juni, Juli und August mit dem 9-Euro-Ticket diese Kosten meist abdeckt werden. Die Differenz beträgt 31,90 Euro. Wenn man Tattis Rechnung – wir erinnern uns: 33 Euro Kaufkraftverlust – für bare Münze nimmt, dann können Hilfsempfänger hier Geld sparen und müssen (noch) nicht hungern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.