Berlin. Im Januar wird international dem Holocaust gedacht. Im Bundestag soll erstmals eine bisher vernachlässigte Opfergruppe im Fokus stehen.

Zum diesjährigen Holocaust-Gedenktag erinnert der Bundestag erstmals an verfolgte sexuelle Minderheiten, die bisher nicht Teil des offiziellen Gedenkens waren. Welche Veranstaltungen in Deutschland geplant sind und wie der Tag international begangen wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Holocaust-Gedenktag.

An was soll der Holocaust-Gedenktag erinnern?

Der Holocaust-Gedenktag erinnert an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Vor 78 Jahren wurde Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit. Dort waren etwa 1,1 Millionen Menschen von den Nationalsozialisten ermordet worden.

Seit wann gibt es den Holocaust-Gedenktag?

Der Holocaust-Gedenktag wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführt. Am 27. Januar 2023 wird zum 27. Mal in einer Gedenkstunde im Bundestag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

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Wird der Holocaust-Gedenktag nur in Deutschland begangen?

Nein. Weltweit wird seit 2006 am 27. Januar, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, mit Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen, Konferenzen und Gebeten an die Opfer der nationalsozialistischen Judenvernichtung erinnert.

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    In New York wird in der UN-Generalversammlung am 27. Januar den Opfern des Holocaust gedacht. Die Veranstaltung, bei der unter anderem UN-Generalsekretär Guterres eine Rede halten wird, will an die Verantwortung der Menschen erinnern, sich jeglichem Hass entgegenzustellen.

    Was ist 2023 das Programm für den Holocaust-Gedenktag?

    Im Bundestag wird auch dieses Jahr in einer Gedenkstunde der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Um 10 Uhr wird Bundestagspräsidentin Bärbel Bas den Gedenktag mit einer Ansprache im Plenarsaal einleiten. Mehrere Rednerinnen und Redner der Opfergruppen werden im Verlauf das Wort ergreifen.

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    An der Veranstaltung nehmen Vertreter aller Verfassungsorgane teil. Auch in diesem Jahr werden Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Außerdem eingeladen sind junge Menschen, die an der diesjährigen Jugendbegegnung des Bundestags teilgenommen haben.

    Zum Gedenken an die 500.000 vom Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma lädt unter anderem der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ein. Am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma sprechen Überlebende, Opfervertreter und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau.

    Was ist an dem Programm 2023 besonders?

    2023 steht vor allem die nationalsozialistische Verfolgung von sexuellen Minderheiten im Fokus. Denn bisher gab es kein offizielles Bundestagsgedenken an queere Menschen, die von den Nazis verfolgt und ermordert wurden. Eine Petition von Vertretern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Opferverbänden fordert das bereits seit Jahren.

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    Nach einer Rede der Holocaust-Überlebenden Rozetta Katz werden im Bundestag Schauspieler zwei Lebensgeschichten im Nationalsozialismus sexuell Verfolgter vorstellen: Karl Gorath wurde nach mehrmaliger Internierung in nationalsozialistischen Konzentrationslagern in der Bundesrepublik wieder für seine Homosexualität verurteilt.

    Mary Pünje wurde 1940 als "Lesbierin" verhaftet. Im Frühjahr 1942 wurde sie in einer als Gasmordanstalt genutzten "Pflegeeinrichtung" ermordet. Im Anschluss an die Biographien wird Klaus Schirdewahn als Vertreter der queeren Community das Wort ergreifen.

    Wie kann ich selbst an dem Holocaust-Gedenktag teilnehmen?

    Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, an die Opfer des Holocaust zu erinnern. In Deutschland finden zahlreiche öffentliche Gedenkveranstaltungen statt, die jedem zugänglich sind.

    Am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin wird beispielsweise allen der nationalsozialistischen Willkürherrschaft zum Opfer gefallenen Menschen gedacht. Außerdem sind in vielen Gedenkstätten wie dem Konzentrationslager Buchenwald kleinere und größere Gedenkzeremonien geplant.

    Wie wird in Israel der Holocaust-Gedenktag begangen?

    In Israel wird der sogenannte "Holocaust-Märtyrer-und-Helden-Gedenktag" erst am 18. April begangen. Dieses Jahr soll der im Zeichen des 80. Jahrestages des jüdischen Aufstands im Warschauer Ghetto 1943 stehen. Die zentralen Veranstaltungen finden in der Gedenkstätte Yad Vashem statt. Kinos, Theater und andere Unterhaltungsstätten bleiben geschlossen.

    Ein alter Güterwaggon aus Deutschland, in dem jüdische Bürger in Konzentrationslager verbracht wurden, steht im Nebel in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem (Israel).
    Ein alter Güterwaggon aus Deutschland, in dem jüdische Bürger in Konzentrationslager verbracht wurden, steht im Nebel in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem (Israel). © dpa | Abir Sultan

    Am Vorabend des Gedenktages versammeln sich in Yad Vashem der israelische Präsident und Premierminister sowie Überlebende und Nachkommen, um an den Terror gegen das jüdische Volk zu erinnern. Dazu werden sechs Fackeln angezündet, die stellvertretend für die sechs Millionen ermordeten Juden stehen.

    Am folgenden Morgen beginnt der Gedenktag mit Sirenen, die zwei Minuten lang alles Leben stoppen lassen. Die Arbeit wird unterbrochen, Autos halten an und alle Einwohner stehen still.

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    Wie geht es nach dem 27. Januar weiter?

    Anlässlich des Gedenktages wird in Berlin erstmals der Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dajan, erwartet. Am 24. Februar wird er gemeinsam mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Bundestag die Ausstellung "Sechzehn Objekte – Siebzig Jahre Yad Vashem" eröffnen.

    Die 16 Objekte sind eine Leihgabe der Gedenkstätte Yad Vashem und wurden einst von aus Deutschland fliehenden Juden und Jüdinnen nach Isreal gebracht. Die persönlichen Gegenstände gehörten Mitgliedern jüdischer Gemeinden in Deutschland und stehen stellvertretend für die 16 deutsche Bundesländer.

    Diese Symbole verlorenen jüdischen Lebens in Deutschland können von dem 25. Januar bis 18. Februar im Paul-Löbe-Haus besichtigt werden. (os)