Berlin. Die Inflation ist 2021 auf den höchsten Stand seit 1993 gestiegen. Die Politik sollte handeln – aber nicht mit Geschenken für alle.

Lieferkettenprobleme, Chipmangel, explodierende Energiepreise, teurere Lebenshaltungskosten: Viele Faktoren haben die Inflation in Deutschland im vergangenen Jahr angeheizt. Nun steht nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes fest: Mit einer Teuerungsrate von 3,1 Prozent ist die Inflation 2021 auf den höchsten Stand seit 1993 gestiegen.

Damit endet ein Stochern im Nebel. Die Europäische Zentralbank (EZB) berief sich bei den Gründen für die hohe Inflation stoisch auf temporäre Effekte, beispielsweise den zeitweise negativen Ölpreis zu Beginn der Pandemie oder auch staatliche Hilfen wie die 2020 abgesenkte Mehrwertsteuer in Deutschland. Welche Effekte wirklich temporär sind und welche von Dauer, wird sich in den kommenden Monaten viel klarer herauskristallisieren.

Inflation: Die Verbraucherpreise dürften weiter zulegen

Wer auf einen schnellen Rückgang der Inflation hofft, droht enttäuscht zu werden. Der klimagerechte Umbau der Wirtschaft, der Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft und nicht zuletzt der Versuch ganzer Branchen, die durch die Pandemie entstandenen Schäden zu kompensieren, werden die Preise weiter treiben. Ob der technologische Fortschritt wie im vergangenen Jahrzehnt auch in den 20er Jahren ähnlich dämpfend wirkend kann, bleibt eine Spekulation.

Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent.
Tobias Kisling, Wirtschaftskorrespondent. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Die Bundesregierung sollte aber nicht in Aktionismus verfallen. So werden aus den Reihen der Ampel-Koalition nun Forderungen laut, als Gegenzug zur Belastung durch die CO2-Steuer ein Klimageld für jeden Haushalt zurückzuzahlen. Das stellt nicht nur die von der Regierung angestrebte Lenkungswirkung zum Umstieg auf sauberere Technologien in Frage. Es löst auch keine Verteilungsprobleme, die die Inflation mit sich bringt.

Die Ampel sollte zielgerichtet helfen

Mit einem Geldvermögen von 7,7 Billionen Euro haben die Deutschen laut einer aktuellen Auswertung der DZ-Bank so viel Geld auf der hohen Kante wie nie zuvor. Es ist aber extrem ungleich verteilt. Die Inflation frisst vor allem die Ersparnisse derer auf, die nichts zur Seite legen, nicht in Sachwerte als Inflationsschutz flüchten können.

Die EZB wird das Problem so schnell nicht lösen, sie sitzt angesichts klammer Haushaltskassen in den südeuropäischen Euro-Ländern in der Zinsfalle. Es liegt an der Ampel, zu entlasten – zielgerichtet. Eine Entlastung bei den Energiekosten wäre schnell erforderlich, Zuschüsse beim Heizen für Wohngeldempfänger könnten zumindest kurzfristig helfen.

Inflation ist auch ein psychologisches Phänomen

Die Inflation ist immer auch ein psychologisches Phänomen: Sie speist sich neben realen Effekten wie etwa den derzeitigen Lieferkettenproblemen auch aus Erwartungen. Rechnen Gewerkschaften mit höheren Preisen, versuchen sie, höhere Löhne durchzusetzen, die wiederum höhere Preise nach sich ziehen können – eine sich selbsterfüllende Prophezeiung und der Beginn einer Lohn-Preis-Spirale.

Ähnlich kann es sich mit breit gestreuten Steuergeschenken verhalten. Geld wie mit der Gießkanne an alle zu verteilen, würde die Inflation im schlimmsten Fall nur weiter nähren. Angesichts einer auch in Deutschland durch die Pandemie stark gestiegenen Schuldenquote sollte der Staat dieses Steuergeld sorgsam einsetzen – mit finanziellen Entlastungen für diejenigen, die hart von der Inflation getroffen sind. Der Rest sollte strukturell entlastet werden – etwa mit einem Abbau der Bürokratie.

Die Digitalisierung der Verwaltung, eine moderne Infrastruktur für einen attraktiven Wirtschaftsstandort – all das wird in den kommenden Jahren viel Geld kosten. Die Bundesregierung sollte sich überlegen, ob sie dieses Geld denen geben möchte, die trotz Inflation keinen Kaufkraftverlust in der Pandemie hatten – oder ob sie es zielgerichtet in eine moderne und nachhaltige Gesellschaft investieren möchte.