Berlin. In iranischen Gefängnissen sollen Menschen vergewaltigt werden. Die Berichte aus dem Land sind erschütternd. Was ist da dran?

Frau, Leben, Freiheit. Seit dem Tod der 22 Jahre alten Kurdin Mahsa Amini schalt der Ruf durch die Straßen Irans. In den Städten Teheran, Rascht, Karadsch gehen vor allem junge Menschen, junge Frauen, auf die Straßen und riskieren für ihre Menschenrechte ihre Freiheit, ihre Gesundheit – und oftmals auch ihr Leben.

Denn das Regime kennt auf den Protest bislang nur eine Antwort: Gewalt. Selbst die iranischen Revolutionsgarden, der militärische Arm der Mullahs, mussten inzwischen eingestehen, dass Hunderte Menschen, darunter Kinder, ums Leben gekommen sind.

Von 300 Toten spricht das Regime offiziell. Menschenrechtsorganisationen wie Iran Human Rights gehen von mindestens 416 Getöteten aus.

Vergewaltigung in iranischen Gefängnissen

Ein CNN-Bericht legt nun nahe, dass iranische Sicherheitskräfte auch vor Vergewaltigung nicht zurückschrecken. Der US-Nachrichtensender veröffentlichte vergangene Woche eine Reportage, in der eine Frau zu Wort kommt, die detailliert schildert, wie Polizisten in einer Wache in Urmia, im Nordwesten des Landes, festgenommenen Frauen sexualisierte Gewalt antun.

Sie selbst sei von einem Polizisten bedrängt worden, berichtet sie dem Sender. Aus Verhörzimmern auf der Wache seien die Schreie anderer Frauen zu hören gewesen.

Manche der Gefangenen seien sehr jung gewesen, "13- oder 14-Jährige, die bei Demos gefangen genommen wurden". Von rund 40 Frauen berichtet sie bei CNN und einigen Jungen. "Sie hatten alle brutale Verletzungen. Den Mädchen haben sie noch mehr angetan."

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Sexualisierte Gewalt im Iran: Nicht nur Frauen betroffen

Protest in der iranischen Hauptstadt nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini (Archivbild aus dem Oktober).
Protest in der iranischen Hauptstadt nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini (Archivbild aus dem Oktober). © Uncredited/AP/dpa

Der Polizist habe schließlich von ihr abgelassen, weil ein Kampf in der Wache ausgebrochen sei. Zuvor soll er ihr die Freiheit versprochen haben, gegen sexuelle Gefälligkeiten. Mitgefangene hätten ihr von ihren Vergewaltigungen berichtet. Ihr Vater sei schließlich gekommen und habe sie gegen eine Kaution freibekommen. Andere Frauen hätten weniger Glück gehabt.

Insgesamt elf solche und ähnliche Fälle lägen CNN vor, heißt es in der Reportage, teils gehe es um mehrere Opfer gleichzeitig. Für etwa die Hälfte lägen dem Sender belastbare Hinweise vor, Aussagen von Zeugen oder Medizinern.

In manchen Fällen geht es auch um junge Männer, die von Vergewaltigung und anderer schwerer Gewalt berichten, die sie seitens iranischer Sicherheitskräfte erfahren haben wollen. Fast alle davon geschahen demnach in den kurdischen Gebieten des Irans.

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Iranisches Regime: Alles Lüge

Iranische Frauen gehen ohne das vorgeschriebene islamische Kopftuch durch Teheran.
Iranische Frauen gehen ohne das vorgeschriebene islamische Kopftuch durch Teheran. © Vahid Salemi/AP/dpa

Die iranischen Behörden wollten die Berichte nicht kommentieren. Das englischsprachige iranische Staatsfernsehen aber veröffentlichte am Sonntag einen Artikel, der auf die CNN-Reportage Bezug nimmt.

Der Artikel sei eine Lüge, so wie andere derartige Berichte in der Vergangenheit auch, heißt es da. Alles Propaganda im Stile der Nationalsozialisten, fabriziert vom US-Geheimdienst CIA, gemacht, die Regierung zu diskreditieren. Wie zuvor Russland, dessen Soldaten im Ukraine-Krieg bestialisches Verhalten angedichtet werde, treffe es nun den Iran.

Iran: Stummer Protest von Schauspielerinnen ohne Kopftuch

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    UN fordern Untersuchung

    Dabei ist Vergewaltigung als Waffe im Krieg oder zur Unterdrückung gut dokumentiert, nicht nur im Iran. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) führte ausdrücklich systematische Vergewaltigungen im Jugoslawienkrieg an, um die Notwendigkeit für feministische Außenpolitik zu betonen. CDU-Chef Merz hatte das Konzept tags zuvor als "Gedöns" abgetan, Baerbock wischte seinen Kommentar in einer Bundestagsrede beiseite.

    Im Falle des Iran machte sich Baerbock zuletzt für eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen stark; Verantwortliche für Gewalt gegen Demonstrierende müssten zur Verantwortung gezogen werden, forderte die Außenministerin im UN-Menschenrechtsrat in Genf – prompt bestellte Teheran den deutschen Botschafter ein. Eine von Deutschland initiierte UN-Resolution lehne man "vollständig" ab und werde nicht kooperieren.

    Das ist wenig überraschend, nimmt doch der Resolutionsentwurf ausdrücklich Bezug auf Vorwürfe, Frauen und Mädchen würden im Iran "willkürlich verhaftet und festgehalten, geschlagen und sexualisierter Gewalt ausgesetzt, weil sie ihre Menschen- und fundamentale Grundrechte wahrnehmen".

    Amnesty International berichtete mehrfach

    Momentaufnahme vom September: Demonstrierende haben in Teheran ein Polizeimotorrad und einen Mülleimer angezündet.
    Momentaufnahme vom September: Demonstrierende haben in Teheran ein Polizeimotorrad und einen Mülleimer angezündet. © Uncredited/AP/dpa

    Zwar liegen für das von CNN Berichtete keine juristischen Beweise vor. Doch einerseits könnte der Iran einer UN-Untersuchung bedenkenlos zustimmen, wenn nicht etwas dran wäre an diesen und ähnlichen Vorwürfen. Andererseits wird iranischen Sicherheitskräften nicht zum ersten Mal vorgeworfen, sie misshandelten und vergewaltigten Gefangene.

    In einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International von 2020, der Massenverhaftungen und Gewalt gegen Regimegegner dokumentiert, heißt es im Kapitel "Folter und andere Misshandlungen", der Organisation lägen Aussagen von Betroffenen, ihren Angehörigen und aus den Gefängnissen selbst vor, die "belegen, dass Verhörende und Gefängnispersonal sexualisierte Gewalt gegen männliche Gefangene ausüben".

    Schilderungen über sexualisierte Gewalt decken sich

    Die Schilderungen in dem Bericht ähneln denen aus der CNN-Reportage stark, bis hin zu Aussagen, nach denen Gefangene in Geheimgefängnissen verschwänden und dort vergewaltigt würden, mit Methoden, die auch in der CNN-Reportage angedeutet werden. Das Ziel solchen Vorgehens sei, die Betroffenen zu erniedrigen und, aus Angst vor gesellschaftlicher Verurteilung, zum Schweigen zu bringen.

    Ein Jahr nach diesem Bericht, im Mai 2021, erhob die Menschrechtlerin Narges Mohammadi Anschuldigungen gegen das Regime: Seine Gefängnisbeamte würden sexualisierte Gewalt systematisch einsetzen, um weibliche Gefangene zu brechen. Ihr sei selbst mit Vergewaltigung und Tod gedroht worden. Die 50-Jährige sitzt aktuell in Haft in einem iranischen Gefängnis.

    Zu den aktuellen Vorwürfen teilte Amnesty Deutschland unserer Redaktion mit: "Da schon in der Vergangenheit die iranischen Behörden vor keiner Grausamkeit zurückschreckten, ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch jetzt sexualisierte Gewalt als Mittel benutzt wird, um den Willen der Gefangenen zu brechen."

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    Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.