Berlin. Die Ideen des Gesundheitsministers für eine Klinikreform haben Wucht. Jetzt muss die Radikalkur schnell kommen, mahnt unsere Autorin.

Ob Karl Lauterbach manchmal von der Zukunft träumt? Man weiß es nicht. Sollte er das aber tun, und sollten in diesem Traum Krankenhäuser vorkommen, was bei einem wie ihm durchaus vorkommen kann, dann sähe dieser Traum ungefähr so aus: Wer ins Krankenhaus muss, darf sich sicher sein, dass er dort nicht nur die bestmögliche Behandlung bekommt, sondern auch die angemessene.

Im Krankenhaus der Zukunft wird kein Patient nur deshalb operiert, weil jeder Fall in der Jahresbilanz zählt. In Lauterbachs Traum kommt zudem jeder Patient gezielt in diejenige Klinik, die etwas von seiner Krankheit versteht. Nicht ins nächstbeste Haus, das weder die richtige Ausstattung noch die nötige Erfahrung hat. In diesem Traum ist medizinische Qualität wichtiger als Fallzahlen. Und kein Kind muss hunderte Kilometer durch die Republik transportiert werden, weil die Kinderkliniken vor lauter Kostendruck unter die Räder gekommen sind.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Komplett anders. Das aktuelle System der stationären Versorgung belohnt es, möglichst viele Fälle möglichst billig zu behandeln. Bereiche, mit denen Kliniken keinen Gewinn machen können, fahren vor die Wand. Die Kinderheilkunde, zum Beispiel. Das soll sich jetzt ändern. Richtung Lauterbach-Traum.

Klinikreform: Lauterbach hat wichtige Akteure erstmal ausgebootet

Der Gesundheitsminister nennt die Reform, die seine Regierungskommission jetzt vorgestellt hat, eine "Revolution". Lauterbach meint damit vor allem die Wucht des Unterfangens. Ehrlicherweise müsste er sagen: Es ist eine Revolution von oben. Anders als bei den endlosen Reformversuchen der Vergangenheit hat der SPD-Mann wichtige Akteure erstmal ausgebootet: die Länder, aber auch die Krankenkassen, die Krankenhausgesellschaft, die Ärzteverbände.

Die starken Interessengruppen, die sich oft mit großem Elan gegenseitig blockieren, saßen diesmal gar nicht mit am Tisch. "Ohne Störung durch Lobbygruppen" habe die Kommission aus unabhängigen Experten die Reform ausgedacht, sagt der Minister. Dass in der Auswahl solcher Experten immer auch schon eine Tendenz liegt, ist eine Binsenweisheit. Die Kommissionsmitglieder immerhin gehören zu den renommiertesten Köpfen der Republik, wenn es um juristische, ökonomische, medizinische Fragen geht.

Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin
Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Reformidee: Krankenhäuser sollen funktionieren wie die Feuerwehr

Der Vorschlag, den die Kommission gemacht hat, lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Die Krankenhäuser sollen in Zukunft funktionieren wie die Feuerwehr. Sie sollen da sein, wenn sie gebraucht werden. Sie sollen Geld dafür bekommen, dass sie bereitstehen und zu jedem Zeitpunkt solide Versorgung liefern. Und: Es soll künftig drei Sorten von Krankenhäusern geben – lokale für die einfachen Routinesachen, regionale und große Maximalversorger wie Universitätskliniken. Spätestens hier müssen die Länder mitspielen – denn sie sind es, die für die Krankenhausplanung zuständig sind.

Dass sich etwas ändern muss – darin sind sich alle Akteure einig. Doch schon Minuten, nachdem die konkreten Pläne am Dienstag bekannt wurden, ging es los: Die Kassen wittern eine "Teilverstaatlichung" des Gesundheitssystems, Ärztevertreter fordern weitreichendere Schritte. Während aus den Ampel-Fraktionen Rückenwind für Lauterbach kam, meldete Bayern bereits Kritik an.

Anfang Januar will sich Lauterbach mit sämtlichen Akteuren an einen Tisch setzen und für seine Pläne werben, in fünf Jahren sollen sie verwirklicht sein. Bis dahin wird der Druck noch deutlich wachsen – mit jedem Kind, das keine Klinikplatz findet, mit jeder Pflegekraft, die erschöpft aufgibt. Geht das wirklich nicht schneller? Revolution jedenfalls geht anders.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.