Washington. Bei den US-Midterms stehen Präsident Joe Biden und Vorgänger Donald Trump nicht auf dem Wahlzettel. Trotzdem geht es für sie um viel.

Sie stehen nicht auf dem Wahlzettel. Und doch geht es genau betrachtet vor allem um sie: Für den demokratischen Amtsinhaber Joe Biden und seinen Vorgänger im Weißen Haus, Donald Trump (Republikaner), steht bei den Midterms, den Zwischenwahlen, am Dienstag viel auf dem Spiel.

Beide haben sich offiziell noch nicht erklärt, ob sie in zwei Jahren erneut antreten werden. Biden wird am 20. November 80, Trump ist 76. Vier von zehn Amerikanern sähen es lieber, wenn die Polit-Senioren das Feld für frisches Blut freimachten. Aber dafür spricht im Moment noch nichts. Das Wahlergebnis könnte neue Dynamik erzeugen:

Joe Biden: Verliert er die Mehrheit, wird die Präsidentschaft zur Qual

Verlieren die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit, bleiben aber im Senat die Nr. 1, wird das Regieren für Biden schwerer – aber nicht unmöglich. Gehen beide Kammern an die „Grand Old Party”, werden die verbleibenden zwei Jahre seiner Präsidentschaft vor allem auf dem Feld der Innenpolitik zur Qual.

Die Konservativen würden sich als Abrissbirne betätigen und jede demokratische Initiative kaputtstimmen. Sie werden notfalls den Hebel des „government shutdown” (Staats-Pleite) benutzen. Biden könnte draußen in der Welt noch ein paar Akzente setzen. Zuhause wäre er die berüchtigte „lahme Ente” (lame duck). Seine ohnehin schmale Popularität (knapp 40 Prozent Zustimmung) würde weiter sinken.

56 Prozent der Amerikaner sind unzufrieden mit der Leistung von US-Präsident Joe Biden.
56 Prozent der Amerikaner sind unzufrieden mit der Leistung von US-Präsident Joe Biden. © AFP | JIM WATSON

Schon heute sind 56 Prozent der Amerikaner unzufrieden damit, wie er seinen Job macht – trotz rekordverdächtig niedriger Arbeitslosenquote, gewaltiger Investitionen in Klimaschutz und marode Infrastruktur und satter Unternehmensgewinne. 80 Prozent sehen ihr Land generell auf dem falschen Weg – wegen der hohen Inflation, der Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko und einer bedenklich hohen Kriminalitätsrate.

Bei einer krachenden Niederlage am Dienstag wird der parteiinterne Ruf an die Adresse Bidens lauter, endlich abzutreten und einen Generationenwechsel einzuleiten. Namen wie die des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom oder der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, kämen ins Spiel für die Präsidentschaftswahl 2024.

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Auch der junge Transport-Minister Pete Buttigieg, die links-progressive Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die Senatorinnen Elizabeth Warren und Amy Klobuchar sowie die Gouverneure J. B. Pritzker (Illinois) und Phil Murphy (New Jersey), der bis 2013 US-Botschafter in Berlin war, wären als potenzielle Kandidaten/-innen für die nächste Präsidentschaftswahl in der Verlosung.

Vizepräsidentin Kamala Harris werden kaum mehr Chancen eingeräumt, selbst wenn Biden sich für sie starkmachen würde. Zu farblos. Aber: Niemand der Genannten könnte wie Biden behaupten: „Ich habe Donald Trump einmal geschlagen, ich könnte es wieder schaffen.”

Donald Trump: Ex-Präsident könnte sich zweite Präsidentschaftskandidatur sichern

Obwohl Donald Trump seit fast zwei Jahren offiziell aus dem Geschäft ist, fährt er eine beispiellose Schatten-Präsidentschaft. Ungeachtet etlicher strafrechtlicher Ermittlungen, die seine Privat-Unternehmen, ihn als Person wie auch seine Amtsführung von 2017 bis 2021 betreffen, tingelt er wie ein rachsüchtige Privatier durchs Land, lockt in unregelmäßigen Abständen Zehntausende zu Kundgebungen an, sammelt Spenden in dreistelliger Millionenhöhe und grätscht mit der Standard-Bemerkung in die Tagespolitik, Amerika stehe am Abgrund und könne nur unter seiner Führung genesen.

Nebenbei betätigt er sich als inoffizieller Personal-Vorstand der republikanischen Partei. Dutzende Kandidaten/-innen für den Kongress und für die Top-Posten in den Bundesstaaten tragen seinen persönlichen Qualitätsstempel. Darunter sind Seiteneinsteiger wie ein ehemaliger Football-Spieler, ein früherer Roman-Autor, ein Fernseh-Arzt und eine Ex-TV-Moderatorin. Wichtigster Punkt im Anforderungsprofil: Sie müssen sich Trumps Lüge von der angeblich gestohlenen Wahl 2020 zu eigen machen.

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Kommen diese radikal-populistischen „Trumpianer” beim Wähler durch, wird seine Position als Pate und Königsmacher der „Grand Old Party” und sein zweifelhaftes Demokratie-Verständnis gefestigt. Ihm die Kandidatur für 2024 streitig zu machen, würde schwer. Es sei denn, in einem der vielen Verfahren gegen den Trump fällt der Hammer und es wird Anklage erhoben; inklusive zeitigem Prozessbeginn.

Können die Demokraten morgen (Dienstag) ihre knappen Kongress-Mehrheiten halten, würden allerdings die Messer gewetzt. Trump wäre plötzlich Klotz am Bein seiner Partei. Der von Trump „scheinheilig” genannte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, würde sich als „Trump ohne Drama-Queen-Allüren” empfehlen.

Auch Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota mit Drang nach Höherem, und Kari Lake, die morgen zur Gouverneurin von Arizona gewählt werden könnte, würden dann mit einer Kandidatur liebäugeln.

Ähnliche Motive haben Senator Ted Cruz, Ex-Vizepräsident Mike Pence, Ex-UN-Botschafterin Nikki Haley, Senator Tom Cotton und Ex-Außenminister Mike Pompeo. Zu den Wortführern der „Never-again-Trumper” (Nie wieder Trump) würde sich Mitch McConnell aufschwingen. Der Senator aus Kentucky, Macht-Magier über viele Jahre, und Trump hassen sich bis auf Blut.

Verlorene Midterms würden nicht automatisch das Ende Bidens bedeuten

Eine Klatsche bei den Midterms muss aber nicht automatisch das Ende Bidens bedeuten. Zwei andere Demokraten, Bill Clinton und Barack Obama, wurden 1994 und 2010 vom Wähler (O-Ton Obama) „vermöbelt”. Die Demokraten mussten herbe Verluste hinnehmen. Trotzdem gewannen Clinton und Obama jeweils zwei Jahre später die Präsidentschaft.