Berlin. Ukraine-Konflikt: Russland erklärt Unabhängigkeit der selbsternannten “Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk. Wer sind die Separatisten?

Die Lage im Russland-Ukraine-Konflikt ist endgültig eskaliert. In der Nacht zum Donnerstag startete Putin einen Angriff auf mehrere ukrainische Städte.

Zuvor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin am Montagabend in Moskau ostukrainischen Provinzen Donezk und Luhansk als "Volksrepubliken" anerkannt. Separatisten hatten 2014 dort ihre Unabhängigkeit von der Ukraine erklärt. Putin drohte mit Gewalt, sollte die ukrainische Armee die Kampfhandlungen entlang der über 400 Kilometer langen Frontlinie nicht einstellen. Worum geht es bei dem Konflikt um die Separatistengebiete?

Was sind die sogenannten "Separatistengebiete" in der Ostukraine?

2014 demonstrierten Tausende Menschen in der Ukraine, vor allem in Kiew, gegen den damaligen pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Der Machthaber stürzte. Und floh nach Russland. Die Kreml-Führung in Moskau annektierte als Reaktion zuerst die Halbinsel Krim und unterstützte russischsprachige Milizen im Donbass. Dort leben seit jeher überwiegend russischsprachige Menschen, viele konsumieren russische Medien.

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Luhansk und Donezk liegen ganz im Osten der Ukraine. Sie sind zusammen gerade einmal halb so groß wie Baden-Württemberg, also nur ein kleiner Teil der Ukraine, die noch größer ist als Deutschland. Nach dem Sturz Janukowitschs 2014 hatten sich Teile der an Russland grenzenden Regionen um die Stadt Luhansk und die Metropole Donezk von der ukrainischen Regierung in Kiew losgesagt. Vor allem auch die russisch-orthodoxen Christen in den Gebieten lehnten einen westlichen Kurs Kiews mit dem Ziel eines EU- und Nato-Beitritts entschieden ab.

Wie hat die ukrainische Regierung auf die Separatisten reagiert?

Die Ukraine hat die abtrünnige Region seit 2017 mit einer Wirtschaftsblockade belegt, weshalb es dort lange zu schwersten Versorgungsproblemen gekommen war. Ziel war es, die Gebiete durch wirtschaftliche Not unter Druck zu setzen und zur Rückkehr zu bewegen.

Die russischsprachigen Bewohner werfen der Zentralregierung in Kiew nationalistische Tendenzen und die Beschneidung von persönlichen Rechten vor. Zurückgedrängt werde etwa die russische Sprache. Bis heute lehnt die ukrainische Regierung auch Angebote der Separatisten zu einem direkten Dialog für die Konfliktlösung ab. Kiew sieht die Kräfte im Donbass nicht als Verhandlungspartner. Die Ukraine lässt einzig humanitäre Hilfsgüter über die Kontaktlinie.

Die Ukraine liegt an der Grenze zu Russland und Belarus. Ganz im Osten, hier im schwarzen Rechteck die selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk.
Die Ukraine liegt an der Grenze zu Russland und Belarus. Ganz im Osten, hier im schwarzen Rechteck die selbsternannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk. © dpa | dpa-infografik GmbH

Warum hat Russland die Separatistengebiete unterstützt?

In einer Rede am Dienstag erkannte Putin nun die selbsterklärten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk an. Diese Entscheidung sei "längst überfällig" gewesen, sagte Russlands Präsident. Der Ukraine sprach er das Recht zur Existenz als souveräner Staat ab, machte ausschließlich den Westen für die Eskalation verantwortlich und schürte Ängste vor einem angeblichen Angriff der Nato auf Russland.

Abkommen mit den Separatisten-Hochburgen sehen die Entsendung russischer Militäreinheiten vor, die zur Aufrechterhaltung des Friedens in der Region und zur Gewährleistung einer dauerhaften Sicherheit für die Parteien erforderlich sind". Offenbar ist dies in Teilen auch schon geschehen.

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Wie stark tobt bisher schon der Krieg in der Ostukraine?

In den Kämpfen zwischen den aus Russland unterstützten Separatisten und den ukrainischen Regierungstruppen starben bisher nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 14.000 Menschen. Viele Orte und auch wichtige Infrastruktur in der Region sind schwer zerstört. Gerade für die Energiewirtschaft der Ukraine ist der Osten immer zentral gewesen. Dort ist der Kohlebergbau stark. Immer wieder kam es nun in den vergangenen Jahren zu Gefechten. Russland schickte Waffen und Militär – allerdings nie offiziell.

Die Stärke der pro-russischen Milizen belaufen sich auf Schätzungen. Nach diesen sind es mehrere Zehntausend Kämpfer. Mehrere Bataillone sind bekannt. Von der ukrainischen Regierung werden diese Milizen als "Terroristen" bezeichnet.

Die Ukraine, die EU und die USA fordern die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit des Landes. Dagegen erklärten sich die auf Autonomie bestehenden Regionen Donezk und Luhansk zu Volksrepubliken. Bisher waren die Regionen der separatistischen Milizen nirgendwo anerkannt. Bis zu Putins Entscheidung in dieser Woche nicht einmal in Russland.

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Wie geht es den Menschen in den Regionen Luhansk und Donezk?

Aktuell leben nach örtlichen Angaben in der abtrünnigen Region rund 3,6 Millionen Menschen. Viele sind nach Russland geflüchtet oder auf das von der Ukraine kontrollierte Gebiet. Die Zahl der Vertriebenen innerhalb der Ukraine liegt derzeit bei 854.000, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion beim Flüchtlingshilfswerk.

Russland, Moskau: Wladimir Putin, Präsident von Russland, spricht während einer Fernsehansprache. Putin hat bei einer Fernsehansprache die Staatlichkeit der Ukraine als Ganzes infrage gestellt. Zudem hat er die beiden Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige
Russland, Moskau: Wladimir Putin, Präsident von Russland, spricht während einer Fernsehansprache. Putin hat bei einer Fernsehansprache die Staatlichkeit der Ukraine als Ganzes infrage gestellt. Zudem hat er die beiden Regionen Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige "Volksrepubliken" anerkannt. © dpa | Aleksey Nikolskyi

Seit 2019 haben rund 600.000 Menschen der Region nach einem Erlass von Kremlchef Wladimir Putin in einem erleichterten Verfahren russische Pässe erhalten. Dass dort nun Hunderttausende russische Staatsbürger leben, könnte Moskau bei einer Militäroffensive von ukrainischer Seite als Vorwand für einen Einmarsch nutzen. Die Lage der Menschen ist insgesamt aufgrund des andauernden Krieges katastrophal. Viele sind arbeitslos, haben ihre Häuser verloren. Auch das Coronavirus wütet in der Region. (cu/dpa)