Berlin. Die Bundesregierung erlaubt nun doch die Lieferung von Panzern an die Ukraine. Zudem soll die Bundeswehr ukrainische Soldaten ausbilden.

„Das ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht, um den Luftraum zu sichern vom Boden aus“, ist sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sicher. Es geht um Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard: Die Bundesregierung hat entschieden, die Lieferung von gut vier Dutzend der Panzer aus deutscher Produktion an die Ukraine zu genehmigen. Damit schlägt die deutsche Regierung nach wochenlanger Zurückhaltung einen neuen Weg ein. Und damit nicht genug: Künftig soll die Bundeswehr auch ukrainische Soldaten in Deutschland ausbilden.

Konkret geht es um etwa 50 Panzer, die 2010 von der Bundeswehr ausgemustert worden waren und sich nun wieder in den Beständen des Herstellers Krauss-Maffei Wegmann befinden. Sie sollen aufgearbeitet und dann der Ukraine übergeben werden. Die Panzer sind mit zwei 35-Millimeter-Maschinenkanonen ausgerüstet, die eine Reichweite von sechs Kilometern haben. Spezialisiert sind die Geparde darauf, Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Raketen oder Drohnen abzuschießen. Die Panzer können jedoch auch gegen Ziele am Boden vorgehen.

Lambrecht kündigte zudem an, die Bundesregierung werde über weitere Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine aus den Beständen der deutschen Rüstungsindustrie zügig entscheiden. „Wenn die Ukraine dringend solche Flugabwehrsysteme braucht, dann sind wir bereit, sie zu unterstützen“, sagte die Ministerin am Dienstag bei einem internationalen Ministertreffen zur militärischen Unterstützung der Ukraine auf der US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz.

Ukraine: Bundesregierung sträubte sich gegen Lieferungen von schweren Waffen

Unklar blieb zunächst, wann die Ukraine die Geparde geliefert bekommt und auf dem Schlachtfeld einsetzen kann. Bei der Bundeswehr dauert die Basisausbildung für den Flugabwehrpanzer etwa sechs Wochen. Die Zeit drängt jedoch, die ukrainische Armee stemmt sich derzeit gegen eine russische Offensive im Osten des Landes.

Flugabwehrpanzer Gepard der Bundeswehr.
Flugabwehrpanzer Gepard der Bundeswehr. © IMAGO/Sven Eckelkamp | IMAGO/Sven Eckelkamp

Trotz eindringlicher Bitten der Ukraine hatte sich die Bundesregierung lange dagegen gesträubt, das von Russland angegriffene Land außer etwa mit Munition, Panzerfäusten und Flugabwehrraketen auch mit schweren Waffen wie Panzern zu beliefern. Zur Begründung hieß es in den vergangenen Wochen, dass die Ukraine mit den Waffen aus westlicher Produktion ohne Ausbildung, Ersatzteile und Munition nichts anfangen könne. Zudem wurde betont, dass keine Linie überschritten werden solle, die Deutschland zum Kriegsteilnehmer mache.

Diese Haltung stieß international, aber auch in Deutschland und sogar in den Reihen der Ampel-Koalition auf scharfe Kritik. Besonders aus den Fraktionen von FDP und Grünen kamen zuletzt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerichtete Forderungen, der Ukraine schneller und umfassender zu helfen.

Slowenien liefert Panzer an die Ukraine und bekommt Ersatz aus Deutschland

Nach Kriegsbeginn unterstützte Deutschland die Ukraine zunächst mit Gerät aus Beständen der Bundeswehr, Lambrecht sah den Spielraum der selbst seit Jahren mit massiven Ausrüstungsmängeln kämpfenden Truppe aber rasch erschöpft. Einen ersten Schritt hin zu einem offensiveren Kurs gab es dann in der vergangenen Woche. Die Bundesregierung vereinbarte einen Ringtausch mit Slowenien: Der Nato-Staat gibt den noch in der Sowjetunion entwickelten und der ukrainischen Armee geläufigen T-72-Kampfpanzer an die Ukraine weiter. Im Gegenzug erhält Slowenien dafür den Schützenpanzer Marder sowie den Radpanzer Fuchs aus Deutschland.

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Dadurch komme die Ukraine schnell an schwere Waffen, die keine lange Ausbildung erforderten, sagte Lambrecht nun und kündigte im Hinblick auf den Ringtausch an: „Hier kann man noch mehr tun, wir sind dazu bereit.“ Die Ministerin betonte, dass Deutschland in der Frage in enger Abstimmung mit seinen Partnern handele. Doch nicht nur mit der Bereitschaft zur Lieferung schwerer Waffen entweder über einen solchen Umweg oder aus deutschen Industriebeständen vollzieht die Bundesregierung in diesen Tagen einen Kurswechsel.

Deutschland will ukrainische Soldaten ausbilden

Lambrecht kündigte zudem an, dass die Bundeswehr gemeinsam mit der US-Armee ukrainische Soldaten ausbilden will – und zwar in Deutschland. „Wir arbeiten gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden bei der Ausbildung von ukrainischen Truppen an Artilleriesystemen auf deutschen Boden“, sagte die Verteidigungsministerin. Zudem wolle Deutschland ukrainische Soldaten zusammen mit den Niederlanden für den Einsatz an Panzerhaubitzen ausbilden. „Denn wir wissen alle, dass in diesem Konflikt Artillerie ein wesentlicher Faktor ist“, sagte die Sozialdemokratin.

CDU und CSU hatten die Bundesregierung wegen ihrer bisherigen Haltung zur Lieferung schwerer Waffen zuletzt scharf kritisiert. Die Unionsfraktion setzte die Koalition unter Druck, indem sie einen Antrag zur Lieferung schweren Geräts vorlegte, den sie am Donnerstag zur Abstimmung im Bundestag stellen wollte - mit dem Kalkül, dass sich Kritiker des Regierungskurses aus den Ampel-Fraktionen anschließen und den Kanzler so blamieren. Das Manöver stößt in der Koalition auf Kritik: „Wir müssen erleben, wie die Union versucht, parteipolitisch Profit aus diesem schlimmen Krieg zu ziehen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid.

Die Fraktionen der Ampel-Koalition veröffentlichten am Dienstag deswegen einen eigenen Antrag zur Unterstützung der Ukraine. Darin fordern die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP die Bundesregierung auf, „die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen“. Das bezieht sich ausdrücklich auch auf schwere Waffen. „Wir als Koalition unterstützen den Kurs der Regierung, die auf Abwägung und Abstimmung mit den Bündnispartnern setzt“, sagte Schmid. Aber: „Die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ist kein Tabu. Der Ringtausch mit anderen Staaten ist dabei zwar der bevorzugte, aber nicht der einzige Weg.“

Ampel spricht sich für schnellere Waffenlieferungen aus

Deutschland solle zudem in Abstimmung mit den Partnern die Ausbildung der ukrainischen Armee unterstützen, heißt es auch in dem Antrag der Ampel-Fraktionen, der unserer Redaktion vorliegt. „Dauert der Krieg noch einige Wochen oder Monate, dann müssen wir auch prüfen, wie wir die Ausbildung der ukrainischen Armee an unseren Waffensystemen auf Nato-Bündnisgebiet organisieren können“, sagte der SPD-Außenpolitiker Schmid.

Zwischen den Vertretern der Ampel-Fraktionen und der Union gibt es nun Verhandlungen darüber, am Donnerstag im Bundestag einen gemeinsamen Antrag zur militärischen Unterstützung der Ukraine einzubringen. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz zeigte sich offen dafür. Voraussetzung sei aber, dass die Vorlage der Ampel noch gemeinsam besprochen und an der „ein oder anderen Stelle“ geändert werde, sagte der CDU-Vorsitzende. „Aber wir befinden uns hier auf einem gemeinsamen Weg.“

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.