Berlin. Im Streit um Verbrennungsmotoren gibt es eine Einigung. Unter einer Bedingung können die Fahrzeuge auch nach 2035 zugelassen werden.

Bundesregierung und EU-Kommission haben ihren Streit um das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren beigelegt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Vertreter der EU-Kommission einigten sich auf einen Kompromiss, der einen wahrscheinlich begrenzten Betrieb von E-Fuels-Pkw auch in den nächsten Jahrzehnten ermöglichen soll.

Wissing: „Damit ist der Weg frei, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können.“ In einem ersten Schritt solle in der EU eine neue Fahrzeugkategorie für ausschließlich mit E-Fuels betankte Autos geschaffen werden. Der gesamte Prozess solle bis Herbst 2024 abgeschlossen sein, sagte Wissing.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Verbrenner-Aus: Kompromiss getroffen

Die Bundesregierung wird damit ihre Blockade eines EU-Gesetzes aufgeben und – voraussichtlich kommende Woche – im EU-Ministerrat zustimmen. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, drängte, nach der neuen Einigung sollten die C02-Standards für Autos ab 2025 sollten „so schnell wie möglich“ beschlossen werden. Dieses Gesetz sieht unverändert vor, dass neu zugelassene Pkw ab 2035 kein C02 mehr ausstoßen dürfen, was für E-Fuels-Fahrzeuge aber nicht zutrifft.

Für den Kompromiss sind mithin technische Fragen zu klären, die Einigung ist relativ kompliziert – wie viel Wissing tatsächlich erreicht hat, ist unter Fachleuten in Brüssel umstritten. Der FDP-Verkehrsexperte im EU-Parlament, Jan-Christoph Oetjen, nannte die Einigung einen „großen Erfolg“. Damit werde der Weg für einen klimaneutralen Verbrenner geebnet, das „unsinnige Pauschalverbot“ sei vom Tisch.

Kritik an Wissing: „Nichts erreicht“

Dagegen sagte der CDU-Umweltexperte Peter Liese sagte: „Wissing hat in der Sache praktisch nichts erreicht, aber das Vertrauen in Deutschland als zuverlässiger Partner in der Europäischen Union ist nachhaltig geschädigt“. Der Verkehrsminister sei „als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet“, meinte der EU-Abgeordnete. Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss äußerte Zweifel, ob die Umsetzung des Kompromisses juristisch und technisch möglich sei. Es dürfe nichts beschlossen werden darf, was dem eindeutigen C02-Emmissionsverbot ab 2035 im Gesetz widerspreche.

Lesen Sie auch: EU-Gipfel: Scholz steht für Verbrenner-Aus im Sturm

Den Weg zur Einigung hatte Wissing mit einem Kompromissangebot gebahnt, das er am Donnerstag der Kommission übermittelte. Nach intensiven Gesprächen bis in die Nacht zum Samstag sieht die Lösung nun vor, dass die EU-Kommission in mehreren Punkten nachlegen muss: Sie muss erstens die Zulassung von Pkw mit reinem E-Fuel-Antrieb ermöglichen.

Dazu soll im Rahmen der Typen-Zulassung eine zusätzliche Kategorie für Fahrzeuge geschaffen werden, die nur mit E-Fuels fahren; durch Sensortechnik soll sichergestellt werden, dass die Motoren nicht laufen, wenn die Autos doch einfach mit Benzin und Diesel betankt werden sollten. Als rechtliche Grundlage wird die Kommission wird dazu voraussichtlich bis Herbst einen delegierten Rechtsakt vorlegen, der die Anrechnung dieser Fahrzeuge auf die C02-Ziele für Pkw ermöglicht.

Verbrennungsmotor: Ausnahme für E-Fuels

Der Weg über einen delegierten Rechtsakt gewährleistet, dass das geplante Gesetz nicht wieder aufgeschnürt und neu verhandelt werden muss, was viele EU-Staaten ablehnen und was wohl auch zu großer Zeitverzögerung führen würde. Stattdessen soll die EU-Kommission nun vom EU-Parlament und vom Ministerrat beauftragt werden, Ausarbeitungen zu Abschnitten dieses Gesetzes zu erlassen – was dann nur noch mit großer Mehrheit von Parlament oder Rat aufgehalten werden könnte.

Der Grünen-Politiker Bloss warnte aber schon: „Einem delegierten Rechtsakt fehlt die gesetzliche Grundlage. Sollte die EU-Kommission einen Weg wählen, der nicht mit der Rechtsordnung vereinbar ist, werden wir uns dagegen wenden.“ Auch Liese berichtete von Zweifeln an der Rechtssicherheit der Einigung.

In dem Streit ging es darum, ob ab 2035 neue Autos mit klassischem Verbrennungsmotor zugelassen werden dürfen. Europaparlament und EU-Staaten hatten sich bereits auf ein Gesetz verständigt, wonach in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen – was de facto den Verbrennungsmotor verbietet und Elektroautos erzwingen würde. Deutschland hatte dieser Einigung bereits zugestimmt, wollte nun aber vor einem endgültigen formellen Beschluss eine Garantie, dass auch nach 2035 Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden, wenn diese ausschließlich E-Fuels tanken.

E-Fuels: Kritiker warnen

Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die mit Ökostrom erzeugt werden und bei der Herstellung C02 absorbieren, weshalb sie unterm Strich klimaneutral sind, auch wenn der Motor Kohlendioxid ausstößt. Kritiker warnen, E-Fuels verbrauchten bei der Herstellung sehr viel Energie, der voraussichtlich dauerhaft knappe und teure Kraftstoff werde zudem schon für eine klimaneutrale Luft- und Seeschifffahrt benötigt.

Die Bundesregierung hatte dennoch im vorigen Jahr die Tür für solche E-Fuel-Autos aufgestoßen, zunächst aber wohl nicht weit genug. Auf ihre Initiative wird die Kommission bereits mit dem geplanten Gesetz in einer rechtlich unverbindlichen Zusatzerklärung aufgefordert, Möglichkeiten für die Zulassung solcher E-Fuel-Fahrzeuge zu prüfen. Doch wie belastbar dieser Auftrag ist, war in Brüssel von Anfang an umstritten, in der Union hieß es, die Bundesregierung habe sich mit einem Schein-Erfolg abspeisen und über den Tisch ziehen lassen.

Die Kommission hatte aus ihrer Skepsis gar keinen Hehl gemacht hatte und signalisiert, sie sehe ihren Auftrag nur in einer möglichen Sonderregelung für Spezialfahrzeuge wie Kranken- oder Leichenwagen. Wissing pochte deshalb nun kurzfristig auf eine verbindlichere und umfassendere Verpflichtung: Die Kommission sollte schon vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss rechtsverbindliche Zusagen zur Zukunft von E-Fuel-Autos machen.

Wissing: „Klimaneutrale und bezahlbare Mobilität“

Wissing sagte, mit der Einigung würden für die Bevölkerung „wichtige Optionen in Richtung einer klimaneutralen und bezahlbaren Mobilität“ eröffnet. Er habe zwar das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene im November mitgetragen, aber die fehlende Technologieoffenheit sei ein Manko gewesen, sagte der Minister. Niemand wisse, wie sich die Dinge bei der Antriebstechnik entwickelten. Selbst wenn es am Ende nicht genügend E-Fuels für einen Masseneinsatz gebe, sei das kein Grund für ein Verbot des Verbrennungsmotors. „Denn etwas, das wenig genutzt werden wird oder vielleicht gar nicht genutzt werden kann, muss man auch nicht verbieten“, sagte Wissing.

Der CDU-Europaabgeordnete Liese kritisierte, Wissing habe dem Verbrennerverbot mehrmals zugestimmt, was ein Fehler gewesen sei. Das Verbrennerverbot sei falsch und trage zum Klimaschutz praktisch nichts bei.