Berlin. In Verantwortung kommt die AfD nur, wenn ihr andere Parteien die Hand reichen. Diese müssen jetzt Position beziehen. Ein Kommentar.

Die CDU über Nacht führungslos und vor einem bitteren Richtungsstreit, die FDP schwer lädiert und ein ganzes Bundesland ohne Regierung, wer weiß wie lange: Es gibt viele Gründe für die bittere Bilanz der vergangenen Tage – ein zentraler ist die Rolle der AfD.

Dass das Manöver in Thüringen diese Durchschlagskraft entfaltet, liegt nicht an der besonderen taktischen Raffinesse der AfD, sondern am immer noch ungeklärten Verhältnis zu dieser Partei in Teilen des konservativen Spektrums.

Die einen – darunter Horst Seehofer, der sich gerade juristisch für eine Attacke auf die AfD verteidigen muss – setzen (mittlerweile) auf Abgrenzung. Andere denken sehr laut darüber nach, ob es nicht doch Formen der Zusammenarbeit geben kann.

Mehrheit der AfD-Wähler teilt Gedankengut

Politik-Korrespondentin Theresa Martus.
Politik-Korrespondentin Theresa Martus. © Reto Klar | Reto Klar

Da spielt, in Teilen der CDU, der Wunsch eine Rolle, Wähler zurückzuholen, die früher ihre politische Heimat am äußersten rechten Rand der Union hatten. Die Hoffnung ist, dass die sich schon von der AfD abwenden werden, wenn nur bei den Konservativen die Rhetorik wieder scharf genug würde, die Abgrenzung nach links wieder deutlicher. Doch das ist eine Fantasie, von der man sich so schnell wie möglich verabschieden sollten.

Die große Mehrheit der AfD-Wähler, das zeigen Umfragen, gibt der Partei nicht in erster Linie aus Protest oder ökonomischer Unzufriedenheit ihre Stimme. Sie wählen die AfD, weil sie das Gedankengut der AfD teilen. Das passt zu Studien, die ein rechtsextremes Potenzial in der Bevölkerung zwischen 15 und 25 Prozent sehen. Das ist der eine Grund dafür, sich der AfD nicht zu öffnen, der taktische: Wer sich Rechtsradikalen nähert, hilft ihnen, ohne dabei selbst zu gewinnen.

Der andere Grund ist der inhaltliche: Die AfD ist die Partei Björn Höckes, der nach eigener Aussage von einem „großangelegten Remigrationsprojekt“ träumt und dafür auch bereit wäre „wohltemperierte Grausamkeiten“ in Kauf zu nehmen – wie das in der Praxis aussähe, kann sich jeder selbst ausmalen.

Die Union ist jetzt in der Verantwortung

Es ist die Partei Tino Chrupallas, der von „Umvolkung“ fabuliert, es ist die Partei Stephan Brandners, der nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle einen Tweet verbreitete, in dem ein anderer Nutzer fragt, warum Politiker in Moscheen und Synagogen „herumlungern“ würden. Gibt es irgendeine ernstzunehmende politische Kraft in Deutschland, die sich dem annähern will?

Wenn das Debakel von Thüringen einen positiven Aspekt hat, dann diesen: Es bietet eine Gelegenheit, sich ein für alle Mal klar zu positionieren. 48 Prozent der Deutschen rechnen laut einer Umfrage damit, dass die AfD in den kommenden zehn Jahren an einer Regierung auf Landes- oder Bundesebene beteiligt sein wird.

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Allein kann die AfD das nicht schaffen – in Verantwortung kommt sie nur, wenn ihr andere Parteien die Hand reichen. Mehr als alle anderen ist die Union in der Verantwortung: Die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten werden absehbar nicht einfacher werden, schon nächstes Jahr in Sachsen-Anhalt könnte es zu einer ähnlichen Situation kommen wie in Thüringen.

Wie ernst meint es die CDU mit der Abgrenzung nach rechts außen?

Regieren ohne die AfD heißt, vor allem in manchen ostdeutschen Ländern, deshalb auf Dauer für die CDU wahrscheinlich regieren mit der Linken, in irgendeiner Form. Wie ernst es die Christdemokraten meinen mit der Abgrenzung nach rechts außen, wird sich daran zeigen.

Es ist noch keinen Monat her, da erklärten Politiker aller Parteien angesichts des Jahrestags der Auschwitz-Befreiung, dass man sich Antisemitismus, Faschismus und Rassismus jederzeit entgegenstellen müsste. Es ist leicht, gegen Nazis zu sein, solange man sich einreden kann, dass es die nur im Geschichtsbuch gibt. Im Umgang mit der AfD wird sich zeigen, was diese Versprechen wert sind.