Berlin. Das Schienennetz ist in einem kritischen Zustand, gesteht sogar die Deutsche Bahn. Diese Aufgaben muss der Staatskonzern jetzt lösen.

Jeder Fahrgast kann es fast täglich spüren. Die Deutsche Bahn (DB) ist so unpünktlich wie nie, dennoch werden die Züge wieder deutlich voller. Erstmals nach zwei verlustreichen Corona-Jahren konnte der Konzern im vergangenen Jahr wieder einen operativen Gewinn verbuchen, zog Bahn-Chef Richard Lutz am Mittwoch Bilanz für 2022. Mehr als 2 Milliarden Fahrgäste wurden befördert und für 2023 erwartet der Konzernvorstand sogar einen neuen Fahrgastrekord im Fernverkehr mit 150 Millionen Reisenden.

Dennoch ist keiner mit dem Zustand der Bahn wirklich zufrieden. Das Kernproblem ist die marode Infrastruktur. Diese sei „zu alt, störanfällig und hat zu wenig Kapazitäten“, sagte der Chef des Staatskonzerns selbstkritisch. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing(FDP) sieht in der Infrastruktur die Hauptursache für die Verspätungen. Der Bund will die Sanierung und den Ausbau des Netzes deshalb bis 2027 mit weiteren 45 Milliarden Euro unterstützen. Unsere Redaktion nennt die wichtigen Aufgaben und Zahlen der Bahn:

Deutsche Bahn: Verspätungen

Die Deutsche Bahn war 2022 so unpünktlich wie nie zuvor. Jeder dritte Fernzug hatte Verspätung, nur 65,2 Prozent erreichten pünktlich das Ziel. „2023 streben wir wieder eine Pünktlichkeit oberhalb der 70 Prozent an“, sagte der Bahnchef. Hauptgrund der Verspätungen: Der schlechte Zustand des Schienennetzes beeinflusse „direkt und indirekt zu 80 Prozent die Pünktlichkeit der Züge“.

Dauerproblem Infrastruktur

Die Eisenbahninfrastruktur ist in einem „kritischen Zustand und den Ansprüchen an Qualität und Kapazität nicht gewachsen“, stellt der Konzern fest und nennt den Zustand „alarmierend“. Das 33.500 Kilometer lange Schienennetz, Brücken, Weichen, Bahnübergänge und Stellwerke müssten teilweise dringend saniert werden. Grund: In den vergangenen Jahren wurde zu wenig investiert. Im europäischen Vergleich hängt das deutsche Bahnnetz qualitativ weit hinter den Nachbarländern Schweiz und Österreich hinterher, die seit Jahren sehr viel mehr Geld in die Schiene stecken. Das wollen Bund und Bahn nun grundlegend ändern.

Probleme der Bahn: Fehlende Investitionen

Die Deutsche Bahn ist mit rund 28,8 Milliarden Euro ein hochverschuldetes Unternehmen. Gleichzeitig investiert die Bahn jedes Jahr Milliarden Euro aus eigenen Mitteln und Zuschüssen des Bundes in den Erhalt des Schienennetzes. Doch das reicht nicht. Um die Pünktlichkeit zu verbessern, will die Bundesregierung bis 2027 weitere 45 Milliarden Euro in die Bahn investieren, wodurch alle notwendigen Kosten gesichert sind. Zudem soll ein Teil der Lkw-Mauteinnahmen in den Ausbau des Schienennetzes gesteckt werden. Für Bahnchef Lutz ist dies ein „Paradigmenwechsel“. Die neue Bundesregierung setzt bewusst auf den Ausbau des Schienenverkehrs.

Ausbauziel der Bahn

Die Bundesregierung strebt eine moderne Bahn mit zukunftsfähigem Netz und leistungsfähigen Bahnhöfen an. Nicht zuletzt, um die Klimaziele zu erreichen, soll bis zum Jahr 2030 der Personenverkehr verdoppelt und 25 Prozent des Güterverkehrs auf die Schiene verlagert werden, heute sind es 19 Prozent. Zudem soll der Deutschlandtakt so schnell wie möglich umgesetzt werden, der größere Städte im Ein- bis Zwei-Stundentakt verbinden soll.

Bahnchef Richard Lutz will die Infrastruktur des Schienennetzes mit Milliarden verbessern.
Bahnchef Richard Lutz will die Infrastruktur des Schienennetzes mit Milliarden verbessern. © dpa | Jörg Carstensen

Neue Bahnstruktur: Trennung von Netz und Betrieb

Bislang organisiert die Deutsche Bahn sowohl den Regional-, Fern- und Güterverkehr als auch die Schieneninfrastruktur. Dies soll sich im nächsten Jahr ändern. Ab Januar 2024 soll das Schienennetz von einer gemeinwohlorientierten Infrastruktur-Gesellschaft geführt werden.

Diese Gesellschaft, für die die Bahntöchter DB Netz AG und die DB Station Service AG zusammengelegt werden, soll sich konsequent auf verkehrs- und klimapolitischen Ziele konzentrieren. Sie steuert unter anderem die Modernisierung von Bahnhöfen, Rangieranlagen und den Ausbau des Hochleistungsnetzes.

Neues Hochleistungsnetz

Die Bahn will bis 2030 ein 9400 Kilometer langes Hochleistungsnetz aufbauen, das 80 Prozent aller Großstädte verbindet. Dazu notwendig ist die Generalsanierung von rund 4200 Streckenkilometern. Diese beginnt 2024 mit der Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim. Im Jahr 2025 folgen die Korridore Hamburg–Berlin und Emmerich–Oberhausen. Die weitere Reihenfolge bis 2030 derzeit noch abgestimmt.

Gleichzeitig sollen rund 40 Prozent des Schienennetzes digital optimiert und mit dem europäischen Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgestattet werden. „Damit können mehr Züge auf den Schienen fahren, ohne dass ein Meter neues Gleis gebaut werden muss“, so Lutz.

Zudem sollen 750 Gleiskilometer elektrifiziert werden und weitere Zukunftsbahnhöfe zu modernen Mobilitätsdrehscheiben ausgebaut werden. Bauvorhaben sollen in Rekordzeiten umgesetzt werden. „Damit bringen wir das Deutschlandtempo auch auf die Schiene“, so Wissing.

Deutsche Bahn: Personenverkehr

Die Nachfrage der Reisenden ist groß. 2022 fuhren rund zwei Milliarden Menschen Bahn. Dies waren rund 40 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Allein das 9-Euro-Ticket wurde 52 Millionen Mal verkauft. Den Fernverkehr nutzten sogar 61 Prozent mehr Fahrgäste, was den Umsatz in dem Bereich um mehr als zwei Milliarden Euro auf 4,8 Milliarden Euro erhöht hat, berichtete der Bahn-Chef. Für 2023 erwartet die Bahn im Fernverkehr mit 155 Millionen Reisenden einen neuen Fahrgastrekord. Auch im Güterverkehr stehen die Unternehmen Schlange.

Bahn-Bilanz: Hoher Umsatz, mehr Gewinn

Insgesamt hat die Deutsche Bahn 2022 wieder schwarze Zahlen geschrieben. Der operative Gewinn kletterte nach hohen Verlusten in den Pandemiejahren auf knapp 1,3 Milliarden Euro. Dazu trug vor allem die Logistik-Tochter DB-Schenker bei, die 1,8 Milliarden Euro zum Ergebnis beisteuerte und damit die Rückkehr des Staatskonzerns in die Gewinnzone ermöglichte. Der Konzernumsatz stieg auf ein Rekordhoch von 56,3 Milliarden Euro.

Deutsche Bahn: Das verdient der Vorstand

Bahnchef Richard Lutz hat 2022 mit 2,24 Millionen Euro mehr als doppelt so viel Geld erhalten als im Vorjahr. Sein Grundgehalt lag laut Geschäftsbericht bei fast 970.000 Euro. Hinzukam ein Bonus von mehr als 1,26 Millionen Euro. Infrastrukturvorstand Berthold Huber landete bei einer Gesamtvergütung von 1,41 Millionen Euro (2021: 662 000 Euro), Personalvorstand Martin Seiler verdiente 1,39 Millionen Euro (2021: 659 000 Euro). Allen Vorstandsmitgliedern wurde ein erfolgsabhängiger Bonus gezahlt. 2021 und 2020 erhielten die Vorstandsmitglieder solche Boni den Geschäftsberichten zufolge nicht.