Berlin. Lars Stoy leitet das deutsche Privatkundengeschäft der Deutschen Bank. Wie sicher ist das Geld auf dem Sparkonto bei einem Blackout?

Hohe Inflation und steigende Zinsen prägen die Finanzmärkte. Was kommt auf die Verbraucher noch zu? Über die Zukunft von Baukrediten, Sparzinsen, Bargeld, Filialen und Kryptomärkte spricht diese Redaktion mit dem Leiter Privatkundenbank Deutschland der Deutschen Bank, Lars Stoy.

Hohe Inflation und kräftige Zinsanstiege in Europa – wie wirkt sich diese auf Deutsche Bank und Postbank aus?

Lars Stoy: Die Zusammensetzung unserer Erträge hat sich seit der Zinswende verändert. Gleiches gilt für unser Kundengeschäft. Während wir in den vergangenen Jahren unter anderem eine Sonderkonjunktur bei den Baufinanzierungen erlebt haben, ist die Nachfrage seit den Leitzinserhöhungen der EZB spürbar gesunken. Gleichzeitig sind unsere Kunden zögerlich im aktuellen Marktumfeld längerfristig Geld anzulegen. Auf unseren Ertrag hat das veränderte Zinsumfeld als traditionell einlagenstarke Privatkundenbank in Deutschland aber insgesamt einen positiven Effekt.

Die Inflation nagt an den Sparguthaben. Welche Anlagen empfehlen Sie Ihren Kunden, um einen weiteren Wertverlust zu verhindern?

Stoy: Wir sehen, dass Beratung noch stärker wertgeschätzt wird. Geldanlagen sind aber immer eine individuelle Angelegenheit und abhängig von der persönlichen Risikobereitschaft und dem Anlagehorizont. Bei einem längerfristigen Anlagehorizont – also mindestens fünf Jahre – empfiehlt es sich, zumindest einen Teil des Geldes am Aktienmarkt anzulegen. Über die Zeit hat sich das in der Vergangenheit in praktisch jeder Marktphase gelohnt, trotz vorübergehender Schwankungen.

Was raten Sie Kleinanlegern?

Stoy: Auch Menschen mit geringerem Einkommen sollten langfristig Kapital bilden, sofern es ihnen finanziell möglich ist. Fondssparpläne sind eine gute Möglichkeit, um regelmäßig auch mit kleinen Beträgen einen soliden Grundstock aufzubauen.

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Sind auch Bausparverträge sinnvoll?

Stoy: Bausparverträge sind weniger ein Anlageprodukt, sondern ein Instrument, um sich für einen späteren Immobilienkredit niedrigere Zinsen zu sichern.

Lars Stoy ist Leiter der Privatkundenbank Deutschland der Deutschen Bank.
Lars Stoy ist Leiter der Privatkundenbank Deutschland der Deutschen Bank. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Vielen Menschen bleibt derzeit am Ende des Monats gar kein Geld mehr übrig. Steigt die Zahl der Kunden, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können?

Stoy: Noch sehen wir das nicht. Viele Kunden haben noch einen gewissen Geldpuffer aus der Corona-Zeit, als weniger für Reisen und sonstigen Konsum ausgegeben wurde. Zudem sind die staatlichen Energiehilfen noch nicht ausbezahlt worden. Das kann die finanzielle Situation der Verbraucher noch einmal etwas entspannen. Wir sehen aber schon, dass Kunden aktuell vermehrt Dispositionskredite in Anspruch nehmen.

…und stellen fest, dass ein Dispozins von aktuell 11,65 Prozent verglichen mit dem Sparzins von einem Prozent extrem hoch ist. Womit begründen Sie diese hohen Zinssätze?

Stoy: Ein Dispositionskredit nutzt man nur, wenn man kurzfristig Liquidität braucht – er ist sehr flexibel, bedeutet für Banken aber ein relativ hohes Risiko. Das sollte kein Instrument sein, mit dem man dauerhaft sein Konto überzieht. Für längere Zeiträume bieten wir andere Kreditarten zu geringeren Zinssätzen an.

Sind in der nächsten Zeit auch wieder höhere Spar- und Festgeldzinsen geplant?

Stoy: Es beginnt gerade eine Renaissance im Anlagegeschäft. Aufgrund der Negativzinsen der EZB erhielten Kunden über Jahre keine Zinsen und mussten für hohe Einlagen Verwahrentgelte zahlen. Nun hat sich das Umfeld geändert. Bei der Deutschen Bank bieten wir derzeit für ein Jahres-Festgeld wieder 1 Prozent Zinsen an.

Soll es auf diesem niedrigen Niveau bleiben?

Stoy: Wir gehen davon aus, dass die EZB die Zinsen weiter erhöht. Damit wird sich sukzessive auch der Spar- und Anlagemarkt wieder in Bewegung setzen. Auch wir werden die Zinsen marktgerecht weiter anheben.

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Welche Probleme können auf Bauherren und Baufrauen durch steigende Hypotheken-Zinsen zukommen?

Stoy: Wir erwarten, dass die Langfristzinsen weiter steigen – wenn auch maßvoll. Wer einen auslaufenden Kredit besitzt, hatte meistens eine langfristige Zinsbindung. In der Regel bekommt man dann einen Anschlusskredit zu ähnlichen Konditionen wie vor zehn Jahren, als die Zinsen ähnlich hoch lagen. Für diese Kunden ändert sich nicht viel, aber es wird auch nicht billiger. Wer jetzt jedoch Eigentum finanzieren will, für den hat sich die Welt geändert. Die Finanzierungszinsen haben sich im Vergleich zu Jahresbeginn vervielfacht. Stark gefragt sind deshalb derzeit wieder bausparunterlegte Finanzierungen, um die Anschlussfinanzierung zu einem festen Zinssatz abzusichern, der in der Regel unterhalb des Marktdurchschnitts liegt.

Sollten Kaufwillige jetzt schnell eine Immobilie kaufen?

Stoy: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Hier gilt grundsätzlich: Welche Immobilie kann ich mir mit meinem Monatsüberschuss leisten? Am Immobilienmarkt sind die Preise in den vergangenen Jahren auch als Folge des billigen Geldes gestiegen. In Teilmärkten - zum Beispiel bei Renditeobjekten - sehen wir bereits rückläufige Preise. Hier muss man abwägen, ob man jetzt kauft oder abwartet, bis die Kaufpreise sinken. Schon heute können Verkäufer nicht immer die gewünschten Preise erzielen, sondern müssen mit Abschlägen verkaufen.

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Sie haben ihr Filialnetz bereits deutlich ausgedünnt. Geht der Abbau weiter?

Stoy: Bis Ende 2023 wird unser bundesweites Netz aus rund 400 Filialen der Deutschen Bank und rund 550 Filialen der Postbank bestehen. Damit haben wir ein flächendeckendes Filialnetz in Deutschland, um in jeder Region sinnvoll für unsere Kunden erreichbar zu sein. Filialen bleiben auch in unserer Zukunftsstrategie zentraler Bestandteil unseres Beratungsangebots.

Wofür sind Filialen noch so wichtig?

Stoy: Besonders bei komplexeren Finanzentscheidungen im Rahmen des Immobilienkaufs, der Wertpapieranlage oder auch der Altersvorsorge findet die Beratung in der Regel persönlich und vor Ort statt. Gleichzeitig werden wir unsere Beratungsangebote um weitere Direktkanäle ergänzen. Denn unsere Kunden erledigen inzwischen viele ihrer Bankgeschäfte auch über das Mobile, Online- oder per Telefonbanking und informieren sich über Vergleichsplattformen. Wir wollen für unsere Kunden genau dort sein, wo sie uns gerade brauchen.

Wie sieht die Filiale der Zukunft aus?

Stoy: Entscheidend für jeden künftigen Standort ist der dortige lokale Kunden-, Service- und Bargeldbedarf. Wo macht eine Filiale Sinn? Dieser Transformationsprozess wird noch über die nächsten Jahre laufen. In vielen Städten gibt es noch Bankfilialen am Marktplatz, doch das ist nicht immer die beste Wahl, etwa weil diese Standorte oft mit dem Auto schlecht erreichbar sind. Wir testen aktuell einen kombinierten Standort mit Postbank und Deutscher Bank in einem Gebäude. Zudem können viele Services auch digital angeboten werden. In einigen Filialen bieten wir künftig ausschließlich persönliche Beratung ohne eine zusätzliche Kasse an. Die Bargeldausgabe erfolgt dann beispielsweise am Geldautomaten.

Sitzt in den Zukunftsfilialen noch ein Mensch oder wird alles digital?

Stoy: Wir werden weiterhin persönliche Beratungen anbieten – in klassischen Filialen, neuen Standortformaten und digital. Wenn unsere 19 Millionen Kunden jedoch irgendwann einmal sagen, wir möchten nur noch im digitalen Metaverse unterwegs sein – dann werden wir auch diesen Menschen dort ein Angebot machen. Diesen Trend kann ich jedoch aktuell nicht erkennen.

Werden Sie weitere Mitarbeiter abbauen?

Stoy: Unser primäres Ziel ist es, die Leistungen für unsere Kunden weiter zu verbessern und zu vereinfachen – auch mit Blick auf deren veränderte Präferenzen. Wenn dabei Dienstleistungen automatisiert werden können, braucht man rein prozessual dafür weniger Mitarbeiter. Ganz aktuell suchen wir aber Beschäftigte für die Beratung in unseren Filialen und für den Ausbau unserer Direkt- und Digitalteams.

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Wie stellen Sie die Bargeldversorgung sicher?

Stoy: Wir bieten bundesweit rund 10.000 Kontaktpunkte für die Bargeldversorgung, etwa an Geldautomaten, in Filialen oder in Shell-Tankstellen. Auch in vielen Supermärkten kann man sich ab einem Einkauf an den Kassen Bargeld auszahlen lassen. Das ist ein sehr umfassendes Angebot.

Durch die Corona-Krise zahlen immer mehr Menschen mit Karte. Ist Bargeld ein Auslaufmodell?

Stoy: Vieles hängt davon ab, wie viele Händler und Unternehmen Bank- und Kreditkarten akzeptieren. Wer zum Beispiel Apple- oder Google-Pay nutzt, kann in Deutschland auch an sehr vielen Stellen mit dem Smartphone bezahlen. Dennoch glaube ich fest daran: Das Bargeld wird es in Deutschland noch lange geben. Bargeld hat hierzulande eine hohe Relevanz - auch bei Jüngeren. Ganz anders als in Skandinavien, wo man kaum noch damit zahlt.

Kaum eine Woche vergeht ohne die Sprengung von Bargeldautomaten. Was tun sie dagegen?

Stoy: Wir arbeiten hier sehr eng mit den Herstellern der Geldautomaten und den Sicherheitsbehörden zusammen. Unsere Sicherheitsstandards sind dank unterschiedlicher Abwehrmechanismen wie Nebel- und Einfärbesysteme bereits sehr hoch. Gleichzeitig hat die kriminelle Energie zugenommen. Wir wollen das Bargeldversorgungsnetz für unsere Kunden dennoch aufrechterhalten, daher bleiben wir auch vor Ort, schließen aber aus Sicherheitsgründen die SB-Bereiche in den Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr.

Ein gesprengter Geldautomat.
Ein gesprengter Geldautomat. © dpa | Matthias Balk

Viele Menschen besitzen nur Online-Konten. Könnten die Guthaben durch einen Stromausfall oder Hackerangriff verloren gehen?

Stoy: Nein. Kundendaten sind unser höchstes Gut und die Daten über viele Serversysteme in mehreren Rechenzentren gesichert. Ein Blackout könnte dazu führen, dass der Kunde vielleicht sein Konto zuhause oder unterwegs nicht einsehen kann, aber das Geld und die Daten sind sicher.

Wie bewerten Sie Anlagen in Kryptowährungen?

Stoy: Wir bieten Kryptowährungen in der Anlageberatung nicht an, da sie spekulativ sind und hohen Schwanken unterliegen. Wer dennoch unbedingt Kryptowährungen kaufen möchte, kann dies über entsprechende ETFs in unserem Brokerage-Angebot tun.

Wo sehen Sie den DAX zum Jahresende?

Stoy: Bei kurzfristigen Prognosen halte ich mich zurück. Aber bis Ende des nächsten Jahres gehen unsere Volkswirte davon aus, dass der Dax wieder 15.000 Punkte erreichen könnte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgepost.de