Berlin. Horst Seehofer verkündet stolz: Die Zahl der Straftaten in Deutschland sinkt. Doch von vielen Verbrechen weiß die Polizei gar nichts.

Es ist ein Moment, den Horst Seehofer genießt. Er steht vor den Kameras der Fernsehsender und den Notizblöcken der Journalisten und kann gute Nachrichten verkünden. Zum Beispiel diese hier: Die Polizei registriert immer weniger Straftaten in Deutschland. Ja, fast ein Rekordtief seit der Wiedervereinigung. Gerade bei den Wohnungseinbrüchen nimmt die Zahl der Fälle ab, die auf den Tischen der Ermittler landen. Wer schon einmal einen Fremden in seinem Haus hatte, weiß, wie gut diese Nachricht bei den Wählenden ankommt. Botschaft: Die Polizei tut alles, um Sie zu schützen. Und das mit Erfolg.

Leider stimmt das nur halb.

Als Bundesinnenminister Seehofer gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, am Dienstag die Polizeiliche Kriminalstatistik vorstellte, mussten sie gleich selbst einschränken: Die Einbrüche sind auch deshalb in der Statistik rückläufig, weil Besitzer und Mieter ihre Häuser und Wohnungen besser schützen.

Raser finden in der Kriminalitätsstatistik nicht statt

Der Staat hat in den vergangenen Jahren massiv investiert in die Jagd auf Einbrecher. Kriminalämter gründeten Sonderkommissionen, die Ermittler erkennen Serien und ihre Organisation dahinter besser. Zudem patrouillieren Polizeistreifen stärker in betroffenen Nachbarschaften. Das Aufgebot zeigt Effekte. Die Statistik ist vor allem ein Nachweis, wo die Polizei mit wie vielen Ressourcen Fälle ermittelt hat.

Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2018 am Dienstag in Berlin.
Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für 2018 am Dienstag in Berlin. © dpa | Wolfgang Kumm

Nur heißt das nicht, dass Deutschland immer sicherer wird.

Im Gegenteil: Bestimmte Delikte sind in der Statistik gar nicht erfasst. Zum Beispiel Verkehrsunfälle. Dabei ist durch die vielen Todesfälle am Steuer und die einzelnen Prozesse gegen „Raser“ mit hohen Strafen ein Schlaglicht auf die Gefahr auf der Straße geworfen worden, das in der aktuellen Polizeistatistik gar keine Rolle spielt.

Terrorismus ist nicht Teil der Kriminalitätsstatistik

Auch politisch motivierte Straftaten wie Terrorismus sind nicht Teil der Kriminalitätsstatistik, die Horst Seehofer nun präsentierte. Dabei zeigt sich: Die Gefahr durch Gewalt vor allem durch Islamisten und Rechtsextremisten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. In der Statistik fehlen diese Delikte – sie werden durch die Polizei in separaten Lagebildern erfasst.

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Der Fokus der Statistik liegt dagegen auf Delikten wie Raub, Körperverletzung, Einbruch, illegaler Besitz von Rauschgift. Es sind Straftaten, die unmittelbar das Gefühl der Sicherheit beeinflussen. Denn diese Delikte finden häufig auf der Straße oder im Umfeld der Menschen statt – manchmal sogar in der Familie. Und was öffentlich ist, wird berichtet.

„Spektakuläre Fälle“ in den Medien sind häufig Messerstechereien, brutale Vergewaltigungen oder Mord. Doch vor allem die schwere und organisierte Kriminalität findet abseits der Öffentlichkeit statt – und leider in etlichen Fällen abseits der Kenntnis der Polizei: Geldwäsche, Steuerbetrug im großen Stil, Wirtschaftskriminalität von organisierten Banden, Korruption.

Längst ist klar: Deutschland ist ein Paradies für Geldwäsche im Immobiliensektor. Leider beruft Horst Seehofer dazu keine großen Pressekonferenzen ein, leider ist die Aufmerksamkeit auf diese gravierenden Verbrechen viel zu gering.

Prävention von Straftaten und Gewalt muss mehr Bedeutung zukommen

Und auch die Prävention von Straftaten und Gewalt muss mehr im Zen­trum von Politik und Polizei stehen – vor allem in der Öffentlichkeit. Ein gutes Beispiel lieferten Münch und Seehofer selbst: Mit großem Aufwand informierten auch Polizisten die betroffenen Nachbarschaften, wie sie sich besser gegen Einbrecher schützen können.

Die Folge: Fast die Hälfte aller Einbrecher scheitert schon an den Verriegelungen vor Türen und Fenstern. So gesehen war die Erfolgsmeldung bei der rückläufigen Statistik am Ende doch auch Teil einer guten Polizeiarbeit.