Berlin. Auf dem Weg zur einheitlichen Straßenordnung reformiert die EU die Führerscheinrichtlinien. Neu sind internationale Tests.

Rund 300 Millionen Menschen besitzen in den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einen Führerschein. In diesem Jahr könnten sich für die Autofahrer der EU einiges ändern. Denn auf dem Tableau steht in Brüssel ein großes Reformpaket, mit dem die Straßenverkehrsordnung der verschiedenen Länder angeglichen werden sollen. Die größten Veränderungen kommen allerdings auf diejenigen zu, die noch gar keine Fahrerlaubnis haben. Die Fahrschule der Zukunft klingt im Moment nach Zukunftsmusik.

Digitaler Führerschein: Test im Simulator – Refresher-Kurs nach einem Jahr

Die spektakulärste Neuerung, über die noch im ersten Quartal 2023 entschieden werden soll, betrifft die Führerscheinprüfung. Künftig soll es Fahrschülern nach dem Willen einiger EU-Parlamentarier möglich sein, die praktische Prüfung im einem Simulator abzulegen. Ob dieser Punkt der 4. Führerscheinrichtlinie der EU tatsächlich in die Gesetzgebung einfließt, bleibt abzuwarten. Zudem unternimmt Brüssel einen weiteren Vorstoß in Richtung digitalem Führerschein. Demnach soll für die allgemeine Verkehrskontrolle bald Smartphone und QR-Code ausreichen.

Lese Sie mehr: TÜV und Co.: Wichtige Änderungen für Autofahrer 2023

Als sicherer Teil des Reformpakets gilt eine weitere Neuerung für Fahranfänger. Demnach soll es künftig ein Jahr nach bestandener Fahrprüfung einen sogenannten Refresher-Kurs geben, bei dem die Fähigkeiten und Kenntnisse nach den ersten zwölf Monaten Fahrpraxis getestet werden. Kontrovers diskutiert wird dagegen der Vorschlag, Fahrschüler erst nach bestandener Theorie-Prüfung zu Praxisstunden zuzulassen.

Koalitionsvertrag mache 16-Jährigen Hoffnung

Geht es nach der Bundesregierung, könnte dieser Nachtest bald auf 17-Jährige zukommen. Bereits im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP die Möglichkeit festgehalten, dass begleitetes Fahren bald schon ab 16 Jahren möglich sein soll. Statistiken zeigen, dass der Führerschein ab 17 zu deutlich mehr Sicherheit bei Fahranfängern geführt hat. Einen konkreten Fahrplan, die Möglichkeit in Gesetztesform zu gießen, dazu gibt es weder aus der Ampel-Koalition, noch vom FDP-geführten Verkehrsministerium unter Volker Wissing eine klare Ansage.

Mehr zum Thema: Autoversicherung: So können Verbraucher ihre Kosten senken

In Brüssel wird die Internationalisierung der Führerschein-Prüfung diskutiert. Demnach soll die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass Theorie- und Praxisprüfung künftig in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten abgelegt werden können. Momentan steht dem noch die rigide EU-Wohnsitzregelung im Weg, doch eine Verabschiedung der Neuerung könnte ein Fingerzeig auf eine Liberalisierung des Gesetzes sein.

Größer und schwerer: Teenager als Lkw-Fahrer?

Mit einer weiteren Änderung trägt die EU einem zunehmenden Personalmangel Rechnung. Weil sich Spediteure und öffentliche Verkehrswesen europaweit händeringend um Bus- und Lastwagenfahrer bemühen, könnten in der neuen Führerscheinrichtlinie zwei Altersbeschränkungen fallen. Bisher kann der Führerschein Klasse C, der zum Lenken sogenannter mehrspuriger Kraftfahrzeuge befähigt, erst ab 21 Jahren erworben werden. Busse (Klasse D) dürfen in Deutschland erst ab 24 Jahren gesteuert werden. Beide Mindestalter könnten auf 18 Jahre fallen.

Auch interessant: Führerschein digital mitnehmen: Gute Idee hat großen Haken

Gewichtiger darf es den Plänen nach auch für Halter des klassischen Führerscheins B werden. Vor allem Freunde des Caravaning dürften sich über die Neuerung freuen. Denn geplant ist die Maximallast von bisher 3,5 Tonnen auf 4,25 Tonnen aufzustocken. Wer bisher in Erwägung zog, für etwa 1.000 Euro oder mehr den Führerschein der Klasse C1 draufzupacken, um mit dem Wohnmobil zu verreisen, kann nun einfach das Inkrafttreten der Reform abwarten.

Führerscheinentzug droht EU-weit – Reformbeschluss im ersten Quartal 2023

Interessant ist das Vorhaben aber nicht nur für Caravan-Fans, sondern auch für Hobby-Biker. Das kleine Motorrad mit bis zu 125 Kubikzentimeter können Halter des Führerscheins Klasse B in Deutschland relativ günstig und mit kleinem Aufwand zum Führerschein B196 aufwerten. Bisher hatte diese Fahrerlaubnis allerdings nur innerhalb der Bundesrepublik Gültigkeit. Trips mit der Maschine über die Alpen, entlang der Adria oder in andere europäische Reiseziele soll bald nichts mehr im Weg stehen.

Lesen Sie auch: Führerschein umtauschen: Wer jetzt unbedingt handeln muss

Es sei denn, der Fahrer hat sich im EU-Ausland einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung geleistet. Denn bisher endete die Jursidiktion an der Ländergrenze. Doch nun möchte die EU dies ändern und Straßenrowdys europaweit aus dem Verkehr ziehen. Außerdem sollen die Grenzwerte für Alkohol und Drogen unter den verschiedenen EU-Ländern angeglichen werden. Mehr Einheitlichkeit soll es zudem in Puncto Verkehrssünderregister geben. Helfen soll dabei auch eine zentrale Datenbank, in der alle Führerscheine in der EU hinterlegt sind.

Ob und in welchem Umfang die 4. Führerscheinrichtlinie in Kraft tritt, ist noch nicht klar. Denn die Reform ist für kein Mitgliedsland bindend und muss nach Verabschiedung auf EU-Ebene in jedem Land einzeln ratifiziert und in die national gültige Gesetzgebung übernommen werden. Laut Ankündigungen soll über die Führerschein-Reform noch im ersten Quartal 2023 befunden werden.