Berlin. Die Spritpreise erreichen Rekordwerte. Der Tankrabatt soll helfen, doch die Preise steigen weiter. Ölkonzerne geraten in die Kritik.

Schon seit Monaten sind die Spritpreise in Deutschland bemerkenswert hoch. Ab dem 1. Juni soll der Tankrabatt für Entlastung sorgen – doch kurz vor dem Stichtag schnellen die Preise weiter nach oben. Wer nach dem langen Wochenende am Sonntag nach Hause fuhr, zahlte im bundesweiten Durchschnitt für einen Liter Super E10 laut ADAC 2,129 Euro, für einen Liter Diesel 2,026 Euro. Experten sind von dieser Entwicklung überrascht.

Die Kraftstoffpreise werden maßgeblich beeinflusst von Steuern, dem Wechselkurs von Euro und Dollar sowie den Rohölnotierungen an der Börse. Unmittelbar nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine stieg der Ölpreis deutlich. Akteure auf dem Weltmarkt befürchteten eine Rohstoffknappheit und ein Embargo auf Lieferungen aus Russland.

Zeitgleich stieg der Spritpreis. Als sich die Befürchtungen nicht bewahrheiteten, sackten die Rohölnotierungen etwas ab – Sprit aber blieb unverändert teuer. Hat sich die Entwicklung des Benzinpreises vom Öl abgekoppelt?

ADAC: „Keine nachvollziehbare Erklärung“ für die Spritpreise in Deutschland

Diese Vermutung legen auch Zahlen des ADAC nahe. Anfang März kosteten die Kraftstoffe bei ähnlichen Rahmenbedingungen deutlich weniger, heißt es vom Automobilclub. Benzin war 27 Cent billiger, Diesel 26 Cent. Für den aktuellen Kurs „gibt es keine nachvollziehbare Erklärung“, sagt Andreas Hölzel vom ADAC. Die Preise seien zu hoch.

Profitieren von der Preisexplosion also in erste Linie die Ölkonzerne? Dass sie „sehr gutes Geld“ mit ihren Raffinerien machen, hätten sie bereits bestätigt, sagt Hölzel.

Die Entwicklung der Öl- sowie Spritpreise seit Februar.
Die Entwicklung der Öl- sowie Spritpreise seit Februar. © Denise Ohms | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Die Ölbranche selbst führt verschiedene Gründe für das konstant hohe Preislevel an den Tankstellen an. Es gebe Engpässe auf dem globalen Benzinmarkt, sagt Adrian Willig, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie „en2x“, früher Mineralölwirtschaftsverband: „In den USA trifft der Beginn der Sommerfahrsaison auf niedrige Bestände in Raffinerien und Tanklagern.“ Das habe weltweit und damit auch in Deutschland Auswirkungen auf die Benzinpreise.

Tankrabatt soll Bürger entlasten – doch greift die Maßnahme wirklich?

Willig sagt weiter: „Bei den Produktmärkten für Benzin und Diesel einerseits und dem Rohölmarkt andererseits handelt es sich um getrennte Märkte mit jeweils eigenen Angebots- und Nachfragefaktoren.“ Aus diesem Grund könnten sich die Märkte unterschiedlich entwickeln. Dass sich der Spritpreis in nächster Zeit selbst reguliert und sinkt, scheint also nicht in Sicht zu sein.

Um die Autofahrer trotzdem zu entlasten, hat die Ampel-Koalition den Tankrabatt auf den Weg gebracht. Ab dem 1. Juni entfällt die Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate. Benzin könnte damit um etwa 30 Cent, Diesel um 14 Cent billiger werden. Ob der Tankstellenkunde das sofort merken wird, ist allerdings offen. Der erwartete Ansturm am 1. Juni könnte dafür sorgen, dass Sprit teuer bleiben – die Nachfrage bestimmt den Preis.

Am 1. Juni könnte der Sprit teuer bleiben – trotz Tankrabatt

Auch aus anderen Gründen könnten Autofahrer am Stichtag 1. Juni enttäuscht werden. Die Energiesteuer fällt dann an, wenn Sprit an die Tankstelle geliefert wird – nicht erst beim Verkauf. Willig vermutet: „Die Tankstellen werden bestrebt sein, die Mengen der normal versteuerten Kraftstoffe zum Starttag klein zu halten, um schnellstmöglich die niedrig versteuerten Kraftstoffe verkaufen zu können.“

Darauf wies am Montag auch das Bundesfinanzministerium hin. Das Haus von Minister Christian Lindner (FDP) baut darauf, dass die Steuersenkung vollständig weitergegeben werden.

Ob die Steuerentlastung tatsächlich eins zu eins an die Endkunden weitergegeben wird, ist fraglich, sagt Benjamin Stephan von Greenpeace. Wenn dies nicht geschehe, „klingelt bei den Konzernen wieder die Kasse“. Stephan sieht in dem Tankrabatt vielmehr für die Ölkonzerne „eine Einladung, weiterzumachen wie bisher“.

Greenpeace übt Kritik am Tankrabatt

Die Entlastung ist für ihn ohnehin ein „völlig verfehltes Instrument“: „Vom Tankrabatt profitieren vor allem Menschen, die viel und große Autos fahren. Das sind in der Regel Menschen mit höheren Einkommen, die sich das leisten können.“ Für Personen mit kleineren Einkommen, die auf das Auto angewiesen sind, wäre ein Energiegeld sinnvoller gewesen, sagt Stephan.

Er ärgert sich zusätzlich über eine verpasste Chance: Der Tankrabatt bremse die Verkehrswende aus. Ein Anreiz, auf Bus, Bahn oder Fahrrad umzusteigen, ergebe sich für Bürger aus den Steuersenkungen nicht. Der Tankrabatt hat deshalb unmittelbar „fatale Folgen fürs Klima“, kritisiert Greenpeace-Experte Stephan.

Der ADAC blickt ebenfalls skeptisch auf den 1. Juni und die Ölindustrie, befürchtet zum Monatsbeginn lange Warteschlangen an den Tankstellen. Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand appelliert gar an die Branche: „Ich fordere die Mineralkonzerne auf, die Spielräume für Entlastungen voll auszuschöpfen und an Verbraucher weiterzugeben.“

Hohe Spritpreise: Bundeskartellamt nimmt die Ölbranche ins Visier

Wer stellt sicher, dass die Entlastung tatsächlich wirkt? Minister Lindner twitterte am Montag: „Dass der Tankrabatt bei den Menschen ankommt, das ist nun Aufgabe von Kartellamt und Co.!“

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Die obersten Wettbewerbshüter sind längst auf die Preisentwicklungen der vergangenen Monate aufmerksam geworden ist. Jüngst haben sie angekündigt, den gesamten Mineralölsektor prüfen und durchleuchten zu wollen, um herauszufinden, wo die Gründe für die Rekordpreise liegen. Die Untersuchung läuft, bestätigte ein Sprecher gegenüber dieser Redaktion. Zu ersten Ergebnissen äußerte er sich jedoch nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.