Berlin. Rosneft Deutschland betreibt Raffinerien in drei deutschen Städten. Um den Betrieb zu sichern, wählt der Bund nun drastische Schritte.

Nach Gazprom Germania hat die Bundesregierung dem nächsten Deutschland-Ableger eines russischen Konzerns die Kontrolle entzogen: Rosneft Deutschland wird unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Damit verliert der russische Mineralölriese Rosneft, der erst am Donnerstag einen Gewinnzuwachs um 7,2 Milliarden Euro im ersten Halbjahr vermeldet hatte, die Kontrolle über drei Raffinerien in Deutschland: über die PCK Schwedt in der Uckermark, die Karlsruher Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) und die Vohburger Bayernoil.

Vor allem Schwedt stand zuletzt im Fokus. Die dortige Raffinerie ist zentral für die Versorgung großer Teile Ostdeutschlands, vor allem von Berlin und Brandenburg mit Benzin und Diesel, aber auch mit Heizöl sowie Kerosin für den Hauptstadtflughafen BER. Antworten auf die wichtigsten Fragen. Mehr zum Thema: Ölheizung: So teuer wird das Heizöl in diesem Winter

Der Staat übernimmt die Kontrolle bei Rosneft: Was bedeutet die Treuhandschaft?

Ein Unternehmen mit staatlicher Anordnung unter Treuhand zu stellen, ist ein schwerer Eingriff in den Markt und für gewöhnlich nicht ohne Weiteres möglich. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Es sei eine weitreichende Entscheidung "zum Schutz unseres Landes", so Scholz.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung eingreift. Im April wurde der Gasversorger Gazprom Germania, zu dem auch der Gashändler Wingas zählt, bereits unter die Treuhand der Bundesnetzagentur gestellt. Zuvor hatte Gazprom seinen Deutschlandableger an eine windige Firma verkauft, die sich laut Unternehmensregister auf Immobiliendeals spezialisiert hatte und dessen Geschäftsführer zuvor als Autohändler und DJ jobbte. Die Bundesregierung vermutete dahinter den Versuch Russlands, den deutschen Gasmarkt ins Chaos zu stürzen und schritt ein.

Eine Anlagen zur Rohölverarbeitung auf dem Gelände der Raffinerie PCK in Schwedt.
Eine Anlagen zur Rohölverarbeitung auf dem Gelände der Raffinerie PCK in Schwedt. © Patrick Pleul/dpa/Archivbild

Bei Rosneft ist der Fall etwas anders gelagert. Noch fließt Öl über die Pipeline Druschba (russisch für "Freundschaft"). Allerdings seien zuletzt Versicherer, Geldgeber, IT-Dienstleister und auch Abnehmer auf Abstand gegangen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Zum 1. Januar 2023 tritt zudem das Embargo auf russisches Öl in Kraft. Zwar kann Schwedt auch anders Öl beziehen, etwa über den Hafen von Rostock oder im polnischen Danzig. Polen war aber nicht bereit, Öl mit der Aussicht zu liefern, dass Rosneft die Gewinne einstreicht. Rosneft Deutschland selbst zeigte nach Angaben des Wirtschaftsministeriums kein Interesse daran, auf die Lieferungen des Mutterkonzerns aus Russland zu verzichten.

Versorgungssicherheit: Wie erfolgsversprechend ist der Schritt?

Bei Gazprom Germania, das mittlerweile Securing Energy for Europe (SEFE) heißt, gelang es, den Kollaps zu verhindern. Das lässt sich der Staat allerdings einiges kosten. 9,8 Milliarden Euro stellt die staatliche Förderbank KfW SEFE an Krediten bereit. Auch von der Gasumlage soll SEFE profitieren.

In Schwedt wird es nun auch darauf ankommen, dass Polen Öl liefert. Sollte das klappen, könnte die Raffinerie möglicherweise weiter unter Volllast laufen, sagte Habeck. In Rostock landete bereits testweise im August ein Schiff mit Öl aus den USA an. Die Raffinerie kann nur mit bestimmten Ölqualitäten betrieben werden. Lesen Sie auch: Olaf Scholz: "Wir werden die Preise in den Griff bekommen"

Warum erfolgt der Schritt so spät?

Um dem Unternehmen die Kontrolle entziehen zu können, wurde bereits im Mai das Energiesicherungsgesetz geändert – der Vorgang wurde bereits als "Lex Rosneft" bezeichnet. Danach wurde öffentlich viel debattiert – es passierte aber wenig. Ein Grund ist die Sorge vor der russischen Antwort auf die Treuhandverwaltung. Zwar dürfen die Eigentümer Rosneft Deutschland behalten, sie sind aber de facto entmachtet. Die Entscheidungen trifft nun die Bundesnetzagentur. Als ersten Schritt tauschte sie den Chef aus: Neuer Geschäftsführer ist Christoph Morgen, Partner einer Rechtsanwaltskanzlei und laut Netzagentur ein "ausgewiesener Krisenmanager".

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Es ist durchaus denkbar, dass Russland als Reaktion auf den Vorgang die Lieferungen nach Schwedt drosselt. Vorsorglich wurden dafür bereits die Vorräte in Schwedt, aber auch in der sachsen-anhaltinischen Raffinerie Leuna erhöht.

Was sagt Rosneft zu der Entscheidung der Bundesregierung?

Rosneft selbst hat der Bundesregierung nach der Entscheidung eine "Zwangsenteignung" seiner deutschen Tochterfirmen vorgeworfen. Das Unternehmen sprach in einer Mitteilung am Freitagabend in Moskau von einem "illegalen" Zugriff auf sein Vermögen und kündigte an, zum Schutz seiner Aktiva vor Gericht gegen die Aktion Berlins vorzugehen.

"Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut", hieß es in der Stellungnahme. Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Das Unternehmen werde alles tun, um die Interessen seiner Aktionäre zu schützen, hieß es.

Zugleich machte Rosneft deutlich, durch die Entscheidung der Bundesregierung nun keine Möglichkeit mehr zu haben, "die industrielle und ökologische Sicherheit des Werkes zu gewährleisten“". Der Konzern sei allerdings auch bereit, einen möglichen neuen Vertrag auszuhandeln. Die Bedingung dafür sei, dass es für die Bezahlung der Öllieferungen, für die Investitionen und die Rechte der Beschäftigen des Unternehmens eine Garantie gebe.

Warum sind die Raffinerien so wichtig?

Nach eigenen Angaben ist die PSK Raffinerie in Schwedt für 90 Prozent der Ölversorgung im Metropolraum Berlin und Brandenburg verantwortlich. Auch ist sie mit 1200 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsstandort für die Uckermark. Die Karlsruher MiRO ist nach eigenen Angaben Deutschlands größte Raffinerie und stellt pro Jahr 14 Millionen Tonnen Rohöl-Produkte her. Bei Bayernoil wird unter anderem Flüssiggas hergestellt.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Hauptsorge liegt auf Schwedt, da die Raffinerie besonders abhängig von russischem Öl ist. Um den Fortbestand der Raffinerie zu sichern, schnürten die Bundesregierung sowie die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt für die kommenden 15 Jahre ein rund ein Milliarde Euro schweres Maßnahmenpaket. Damit soll die Pipeline vom Rostocker Hafen nach Schwedt weiter ertüchtigt werden, zudem soll in der Stadt ein Start-Up-Labor entstehen. Kündigungen sollen vermieden werden, kündigte Scholz an. Auch interessant: So hart treffen Inflation und Energiekrise die Bevölkerung

Auch der sachsen-anhaltinische Raffineriestandort Leuna soll von dem Geld profitieren. In Schwedt selbst ist man erleichtert. "Die heutige Entscheidung ist ein konsequenter Schritt in die richtige Richtung. Arbeitsplatzgarantie und ein erhebliches Zukunftspaket für Investitionen in Schwedt sind schriftlich abgesichert", sagte der Schwedter Landtagsabgeordnete Mike Bischoff (SPD) unserer Redaktion. (mit dpa)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.